# taz.de -- Pflegeversicherung unter Druck: Notoperation im Pflegesystem
       
       > Die demografische Entwicklung belastet die Sozialsysteme. Nun könnten die
       > Beitragssätze für die Pflegeversicherung deutlicher steigen als erwartet.
       
 (IMG) Bild: Der Zahl der zu Pflegenden nimmt zu. Wer bezahlt die Kosten?
       
       Es ist kein Geheimnis: Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
       steht auf wackligen Beinen. Ein Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland
       sorgte am Montag dennoch für Aufregung. Demnach könnte die soziale
       Pflegeversicherung ohne weitere Mittel bereits im Februar 2025
       zahlungsunfähig sein. In der Ampelkoalition liefen daher bereits Gespräche
       über eine „Notoperation“, um eine Pleite zu verhindern.
       
       [1][Die Bevölkerung in Deutschland altert], damit steigt ihr Pflegebedarf.
       Um die ebenso steigenden Kosten zu decken, hatten die Krankenkassen für
       2025 eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte prognostiziert.
       Dies reicht laut des RND-Berichts jedoch nicht mehr aus.
       
       Mittlerweile wird von einem Bedarf in Höhe von 0,25 bis 0,3 Prozentpunkten
       ausgegangen. Begründet wird die Erhöhung auch mit der Bundestagswahl 2025.
       Die Erhöhung müsse so ausfallen, dass die längere Phase der
       Regierungsbildung überbrückt werden könne. Das Geld müsse mindestens bis
       zum Frühjahr 2026 ausreichen.
       
       ## Lauterbach kündigt große Pflegereform an
       
       Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies den Bericht über eine Pleite
       am Montag zurück: Die Pflegeversicherung sei weder insolvent, „noch droht
       ihr die Insolvenz“. Er räumte aber ein, dass sie [2][unter
       „Beitragssatzdruck“ stehe]. Ob und in welchem Umfang die Beiträge zur
       Pflegeversicherung angehoben würden, werde er in „wenigen Wochen“ sagen,
       wenn er eine große Pflegereform vorstelle.
       
       Für die Verbände kommt [3][die schlechte Finanzsituation der
       Pflegeversicherung kaum überraschend]. „Seit vielen Monaten wird von allen
       Seiten davor gewarnt, dass die Beitragseinnahmen der Pflegeversicherung
       nicht mit den Ausgaben Schritt halten können“, so Doris Pfeiffer,
       Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen
       Krankenversicherung (GKV).
       
       Der GKV rechnet bis zum Jahresende mit einem Defizit von knapp 1,8
       Milliarden Euro. Zur kurzfristigen Stabilisierung fordert Pfeiffer, dass
       der Bund die Coronakosten ausgleiche. Bis jetzt trage die
       Pflegeversicherung die Sonderausgaben von 5,3 Milliarden Euro.
       
       Im Jahr 2023 lagen die Gesamtausgaben für die soziale Pflegeversicherung
       bei fast 60 Milliarden Euro. Finanziert wird sie, ähnlich wie die Renten-
       und Krankenversicherung, größtenteils durch Umlagen. Davon kommt der
       Großteil aus Beitragseinnahmen. Der allgemeine Beitragssatz liegt derzeit
       bei 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen vier Prozent. Für Familien mit mehr als
       einem Kind unter 25 Jahren gibt es Abschläge. Darüber hinaus wird die
       soziale Pflegeversicherung über private Eigenanteile und Zuschüsse von Bund
       und Ländern finanziert.
       
       ## Sozialbeiträge steigen stark
       
       Nicht nur bei der Pflegeversicherung bahnen sich Beitragssteigerungen an.
       Auch in der [4][gesetzlichen Krankenversicherung sind Erhöhungen von 0,7
       Prozent geplant]. Die Sozialbeiträge könnten so im Jahr 2025 insgesamt auf
       1 Prozent steigen. Damit könnten die Sozialbeiträge laut Berechnungen des
       RND zum Jahresanfang 2025 so stark steigen wie seit mehr als 20 Jahren
       nicht mehr.
       
       Kritik kommt vom Sozialverband VdK. „Was nicht hilft, sind weiter steigende
       Beiträge“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele. Vielmehr müsse die Regierung
       endlich eine umfassende Reform angehen. „Wir brauchen eine
       Pflegeversicherung, in die wirklich alle einzahlen, egal ob Beamte,
       Selbstständige oder Abgeordnete“, so Bentele.
       
       Eine Reform fordert auch Emmi Zeulner (CSU). „Wir brauchen eine Revolution
       in der Pflege. Das heißt, wir müssen an die Strukturen ran.“ 8 von 10
       Pflegebedürftigen würden aktuell zu Hause versorgt – es gelte demnach die
       Infrastruktur mit Fokus auf die private Pflege neu zu planen.
       
       ## Vier Modelle für eine Pflegereform
       
       Wie geht es also weiter mit der sozialen Pflegeversicherung? Dass eine
       Reform der Pflegeversicherung dringend nötig ist, ist angesichts der
       demografischen Entwicklung unumstritten. Im Juli hatte eine
       Pflegekommission der Bundesregierung bereits vier Modelle für eine
       [5][Pflegereform] vorgestellt.
       
       Zwei Modelle setzen dabei auf private Vorsorge. Die Pflegeversicherung
       würde nur einen Teil der Pflegekosten übernehmen, für den Rest müssten
       Versicherte mit Eigenanteilen aufkommen. Zwei weitere Modelle sehen
       hingegen vor, die Pflegeversicherung von einer Teil- zu einer
       Vollversicherung auszubauen.
       
       Für die Gesellschaft sei nun der Zeitpunkt, um zu diskutieren, wie die
       Pflegeversicherung zukünftig aussehen könne, sagte Christine Vogler vom
       Deutschen Pflegerat. Auch der Verband der privaten Krankenversicherung
       äußerte sich. Die aktuelle, dramatische Entwicklung der sozialen
       Pflegeversicherung lasse keinerlei Spielraum für zusätzliche Leistungen,
       erklärte am Montag PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.
       
       7 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mehr-Superalte-in-Deutschland/!6037604
 (DIR) [2] /Beitraege-fuer-die-Pflegeversicherung/!6012892
 (DIR) [3] /Buendnis-will-Gipfel-im-Kanzleramt/!6034465
 (DIR) [4] /Warnung-vor-steigenden-Kassenbeitraegen/!6024182
 (DIR) [5] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!5990163
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amelie Sittenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sozialverband
 (DIR) Beitragssatz
 (DIR) GNS
 (DIR) Krankenkassen
 (DIR) Pflege
 (DIR) Karl Lauterbach
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Pflege
 (DIR) Kolumne Starke Gefühle
 (DIR) Sozialstaat
 (DIR) Pflegekräftemangel
 (DIR) Heimaufsicht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Pflegeversicherung unter Druck: Kürzung ersten Grades
       
       In der Pflegeversicherung fehlen Milliarden. Die Union schlägt die
       Streichung des niedrigsten Pflegegrads vor. Das trifft vor allem die
       Angehörigen.
       
 (DIR) Ende der telefonischen Krankschreibung: Von wegen blaumachen
       
       Finanzminister Lindner plädiert für ein Aus der telefonischen
       Krankschreibung. Doch diese ist nicht das Problem. Der Kapitalismus ist es.
       
 (DIR) Warnung vor steigenden Kassenbeiträgen: Es führt kein Weg daran vorbei
       
       Die Menschen werden älter, die Ausgaben für Behandlung und Pflege steigen.
       Um eine gute Versorgung zu gewährleisten, müssen alle mehr bezahlen.
       
 (DIR) Kosten für Pflegeversicherung: Beiträge dürften weiter steigen
       
       Die Krankenkassen erwarten 2025 erneut höhere Versicherungsbeiträge. Gegen
       die Pflegemisere fordern manche mehr Selbstbeteiligung.
       
 (DIR) Geschäfte mit Pflegebedürftigen: Wenn die Goldgrube erschöpft ist
       
       Ein Pflegeheim-Investor verklagt den Landkreis Hildesheim, weil er sich vom
       Betreiber betrogen fühlt. Hätte die Heimaufsicht eingreifen müssen?