# taz.de -- US-Präsidentschaftswahl: Der republikanische Traum
       
       > Latinos, Asian Americans und Arab Americans galten lange als größter
       > Rückhalt der US-Demokraten. Jetzt wenden sie sich zunehmend Donald Trump
       > zu.
       
 (IMG) Bild: Wunschvorstellung? Der Einwanderer Manuel Noris-Barrera unterstützt Trump und tritt selbst für die Republikaner an
       
       San Francisco, Dearborn und Detroit taz | Manuel Noris-Barrera schweift mit
       dem Blick über die Mission Street in San Francisco. „Ich komme aus Mexiko,
       der Nachbar hier aus Nicaragua, der auf der anderen Straßenseite aus
       Jordanien. Wir wissen, wie sich Chaos anfühlt.“ Am Fenster seines
       Geschäfts, einer Crêperie, hängt ein kleines Schild in den Farben der
       US-Flagge. Es wirbt für Stimmen im State Assembly District 17.
       
       Im November tritt Norris-Barrera in dem Wahlbezirk hier bei den
       Parlamentswahlen in Kalifornien, zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen,
       für die Republikanische Partei an. Weiter unten auf dem Schild stehen seine
       Wahlversprechen, unter anderem: „Gesunder Menschenverstand, kein
       Berufspolitiker, Unternehmer“.
       
       Noris-Barrera ist ein bulliger Typ Anfang Fünfzig. In seinem Laden trägt er
       Jeans und T-Shirt, im Wahlkampf lieber blaue Anzüge mit der Nationalflagge
       als Anstecker. Mit 18 ging er auf eigene Faust von Mexiko-Stadt nach
       Kalifornien, schlug sich zuerst mit Gelegenheitsjobs durch, verdiente
       anschließend sein Geld mit Immobilien. Seit zwölf Jahren betreibt er die
       Crêperie in der Mission Street. Der Mission-Distrikt ist einer der größten
       Ballungsorte von Latinos und anderen migrantischen Communitys in San
       Francisco.
       
       Die Mehrheit der Bewohner*innen hier ist non-white, geschätzt 40
       Prozent haben lateinamerikanische Wurzeln. An der Straßenecke ein paar
       Meter entfernt von Noris-Barreras Laden prangt ein Wandbild des Musikers
       Carlos Santana, der im Mission-Distrikt aufgewachsen ist. Einige Blocks
       weiter westlich liegt die Castro Street, einer der Ursprünge der
       LGBTQ-Bewegung in den USA.
       
       ## Recht und Ordnung
       
       Dass er einmal für einen Parlamentssitz kandidieren würde, damit habe
       Norris-Barrera noch vor einem Jahr nicht im Traum gerechnet. Was ihn in die
       Politik ziehe, und noch dazu zur Republikanischen Partei im liberalen San
       Francisco? „Ich war es müde, den Verfall zu sehen.“ Er wolle helfen, Recht
       und Ordnung wiederherstellen, denn die Stadt sei spürbar unsicherer
       geworden, teils heruntergekommen. Zumindest in der Mission Street scheint
       darin ein Stück Wahrheit zu liegen.
       
       Manches Geschäft ist verwaist, die Fassaden mit Graffiti übersät, es gibt
       viel sichtbare Obdachlosigkeit. Kalifornien ist als einer der reichsten
       US-Bundesstaaten gleichzeitig einer der ungleichsten. Doch Noris-Barrera
       sieht vor allem einen moralischen Verfall am Werk, auch unter Latinos:
       „Einige kommen und freuen sich, wenn die Regeln hier nicht so genau
       genommen werden.
       
       Man kann einfach wild über die Straße laufen und ohne Erlaubnis draußen
       verkaufen, das ist ja wie in Lateinamerika! Aber genau darin liegt das
       Problem.“ Er spricht sich für eine größere Polizeipräsenz und penible
       Rechtsdurchsetzung aus.
       
       Bei den Vorwahlen für die State Assembly, bei denen sich parteiübergreifend
       die zwei Kandidaten mit den höchsten Stimmenanteilen durchsetzen, gewann
       Noris-Barreras Gegenkandidat, der Demokrat Matt Haney mit 82 Prozent. Er
       selbst kam auf knapp 13 Prozent.
       
       ## Zahl der Trump-Unterstützer*innen steigt
       
       Um sich die Nominierung für die Republikanische Partei zu sichern, reichte
       es. Bei den eigentlichen Wahlen, Anfang November, sind seine Chancen
       überschaubar. In [1][Kamala Harris]’ Heimatstaat, dem liberalen
       Kalifornien, führt Noris-Barrera einen etwas einsamen Kampf. „Es ist hier
       einfach, Demokrat zu sein, genauso wie es in Texas einfach ist,
       Republikaner zu sein“, sagt er nüchtern.
       
       Doch unter Latinos ist Noris-Barrera mit seiner Haltung nicht allein.
       Anfang Juli unterstützten US-weit genau so viele Latinos Trump wie Biden,
       deutlich mehr als noch bei den letzten Präsidentschaftswahlen. Das ergeben
       Umfragen des Pew Research Center. Nach Bidens Rückzug gibt es noch keine
       neuen verlässlichen landesweiten Daten, doch nach Umfragen in einzelnen
       US-Bundesstaaten scheint es nicht so, als hätte Harris unter Latinos viele
       Wähler*innen zurückgewonnen.
       
       Mittlerweile hat fast ein Fünftel der US-Bevölkerung lateinamerikanische
       Wurzeln. Rund 14 Prozent identifizieren sich als African American,
       asiatisch- und arabischstämmige US-Bürger*innen kommen auf gut sieben
       Prozent. Wenn die demografischen Trends sich fortsetzen, werden die nicht
       weißen Minderheiten in den USA in den nächsten zwei Jahrzehnten zur
       Bevölkerungsmehrheit.
       
       Noch vor wenigen Jahren sagten manche politische Beobachter*innen
       voraus, dass diese aufstrebende Mehrheit der Demokratischen Partei einen
       langfristigen politischen Vorteil verschaffen würde. Doch zuletzt wendeten
       sich viele von ihnen den Republikanern zu. Besonders in für sie zentralen
       wirtschaftlichen Fragen traut in migrantischen Communitys eine große
       Mehrheit eher ihnen als den Demokraten zu, die Geschicke des Landes zu
       leiten.
       
       ## Die Rolle des Gazakriegs
       
       In den Statistiken offenbart sich auch ein Klassenunterschied: Vor allem
       nicht weiße Wähler*innen ohne Collegeabschluss wählen zunehmend
       konservativ. In den Swing States im Mittleren Westen und im Süden der USA
       könnten ihre Stimmen wahlentscheidend sein.
       
       „Ich bin nur ein einfacher Bürger, der die Stimme erhebt gegen den Irrsinn
       der letzten Monate.“ Khader Masri spricht gelassen und selbstsicher, er
       scheint sich des Gewichts seiner Stimme wohl bewusst zu sein. Seit 35
       Jahren arbeitet er im Familienbetrieb Masri Sweets in Dearborn, Michigan,
       dem größten Ballungsraum der arabisch-amerikanischen Community in den USA.
       Rund 60.000 Arab Americans leben hier, in der einzigen Stadt im Land mit
       einer arabischstämmigen Bevölkerungsmehrheit.
       
       Der Irrsinn, auf den Masri anspielt, dreht sich um Israels Militäreinsatz
       in den Palästinensergebieten nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober.
       Masri stammt ursprünglich aus Nablus im besetzten Westjordanland. Wie die
       meisten Arab Americans in den USA verurteilt er Israels militärisches
       Vorgehen und die [2][Unterstützung der US-Regierung] für Benjamin
       Netanjahu. Masri sagt nicht, wen er selbst wählen will, doch er gibt sich
       sicher: „Viele hier unterstützen Trump.“
       
       Auch wenn der Netanjahu stets bedingungslose Unterstützung zusichert,
       richtet sich Masris Zorn vor allem gegen die Demokraten. Schließlich trügen
       sie die Verantwortung für das Sterben im Gazastreifen. Daran habe auch
       Kamala Harris nicht viel geändert.
       
       ## Einfluss der arabischen Community
       
       Dearborn liegt nur einige Kilometer entfernt von Detroit. Viele Arab
       Americans und Angehörige anderer Minderheiten kamen ursprünglich, um in der
       Autoindustrie der Stadt zu arbeiten. Auf ganz Michigan gerechnet haben nur
       gut zwei Prozent der Menschen arabische Wurzeln, doch die Community
       entfaltet große politische Wirkung. Die Aktivistin Layla Elabed wurde vor
       den Vorwahlen der Demokratischen Partei mit der von ihr mitgegründeten
       Uncommitted-Bewegung landesweit bekannt.
       
       Mehr als 6.000 demokratische Wähler*innen in Dearborn verweigerten Joe
       Biden bei den primaries, den Vorwahlen, ihre Stimme und wählten stattdessen
       uncommitted, also keinen der Kandidaten. Im November drohen viele von
       ihnen, statt Kamala Harris unabhängige Kandidaten oder gar nicht zu wählen.
       Die Demokraten sind in Michigan auf jede Stimme angewiesen. Bei den letzten
       Präsidentschaftswahlen gewann Biden hier mit weniger als drei Prozent
       Vorsprung, 2016 siegte Donald Trump mit nur 10.704 Stimmen vor Hillary
       Clinton.
       
       Die letzten Umfragen in Michigan zeigen zwar einen Stimmungswandel
       zugunsten Harris, doch in der arabischstämmigen Community steht sie weiter
       unter Druck. Die Bewegung um Layla Elabed protestierte auch am Rande des
       Parteitags der Demokraten Ende August in Chicago, und zwang Harris,
       Stellung zu beziehen. Diese verurteilte den Terrorangriff der Hamas, und
       forderte zugleich ein Ende des Sterbens im Gazastreifen.
       
       Stevie Soul Ansara ist an einem drückend heißen Tag Ende August für eine
       Jam Session aus Detroit nach Dearborn gekommen. Auf dem Dachgarten des Arab
       American National Museum, das der Geschichte der Community gewidmet ist,
       begleitet der Beatbox-Performer improvisierte Gesänge und Lieder der in der
       arabischen Welt legendären libanesischen Sängerin Fairuz.
       
       ## Älter und konservativer
       
       Wie fast alle bei der Jam Session ist der 36-Jährige in den USA geboren und
       aufgewachsen. Ansaras Eltern sind jordanische orthodoxe Christen. Dass
       Teile der arabisch-amerikanischen Community Trump trotz dessen Rassismus
       für wählbar halten, ist für ihn auch eine Generationenfrage: „Mit den
       Jahren, wenn man mehr Geld verdient und älter wird, merkt man, dass viele
       Arab Americans recht konservativ eingestellt sind.“
       
       In ihren Augen habe sich die Demokratische Partei in gesellschaftlichen
       Fragen immer weiter nach links bewegt. Die Republikaner stehen dagegen für
       traditionelle Familienwerte und Law-and-order-Politik. Das findet auch in
       anderen migrantischen Communitys Anklang. In den USA sind einige von ihnen,
       auch die große Gruppe der Latinos, religiöser und sozial konservativer als
       der Gesellschaftsdurchschnitt, ein Phänomen, das sich auch in anderen
       Einwanderungsländern beobachten lässt.
       
       Für jüngere Arab Americans sei dagegen der Krieg im Nahen Osten der
       entscheidende politische Faktor, glaubt Ansara. „Der Krieg hat die junge
       Generation politisiert, sie wird sich ihrer Wurzeln stärker bewusst.“ Und
       für viele von ihnen überschatte der Krieg alle anderen Themen. Die
       wenigsten von ihnen werden Trump wählen, aber viele könnten Kamala Harris
       die Unterstützung verweigern, und Ansara bezweifelt, dass sie mit ihrer
       Position im Nahostkonflikt viele Arab Americans überzeugen konnte.
       
       Ansara wohnt in Downtown Detroit. Er hat die Höhen und Tiefen der Stadt
       über die Jahrzehnte verfolgt. „Als ich klein war, war Detroit ein ziemlich
       heruntergekommener, trauriger Ort.“ Dabei war die Stadt ausgehend von der
       frühen Massenproduktion Henry Fords und der Ansiedlung von Chrysler und
       General Motors einst eine der reichsten der USA. Doch über die zweite
       Hälfte des 20. Jahrhunderts zogen sich die Autokonzerne immer weiter
       zurück.
       
       ## Aufschwung in Detroit
       
       Für die Stadt bedeutete dies eine lange Zeit des Niedergangs. Erst in den
       letzten 10, 15 Jahren gehe es für Detroit wieder wirklich aufwärts, sagt
       Ansara. Eines der Symbole für Detroits tiefen Fall war das monumentale
       Gebäude der alten Bahnstation Michigan Central. 1988 fuhr dort der letzte
       Zug, seitdem stand die Station leer und verfiel.
       
       Vor sechs Jahren begann die Stiftung des Ford-Konzerns mit der Renovierung,
       knapp eine Milliarde US-Dollar investierte sie dafür. Vor einigen Wochen
       öffnete die Bahnstation, künftig ein Innovationszentrum für aufstrebende
       Unternehmen, die Tore für die Öffentlichkeit.
       
       An den Besuchstagen reicht die Schlange am Einlass oft Hunderte Meter weit.
       In der Bahnstation stehen Porträts von Menschen, die mit der Michigan
       Central verbunden sind und am Wiederaufschwung Detroits mitwirken – quer
       durch alle ethnischen Gruppen und Bevölkerungsschichten, geeint durch eine
       gemeinsame Kraftanstrengung.
       
       Ein Schweißer aus einer Kleinstadt im Norden Michigans erzählt von den
       Renovierungsarbeiten an der Michigan Central, und seine Tochter davon, dass
       sie das Erbe seines Handwerks antreten will. Ein Technokünstler erinnert
       sich an Underground-Raves in der ehemals verlassenen Bahnstation.
       Einwandererkinder denken zurück an ihre Eltern, die über die Michigan
       Central nach Detroit kamen.
       
       Die Ausstellung projiziert eine Haltung der Hoffnung, die durch all die
       Spaltungen in der US-amerikanischen Gesellschaft fast in Vergessenheit
       geraten ist, aber vor allem bei denen gut ankommt, die einst auf der Suche
       nach einem besseren Leben in die USA kamen. Trotz und für manche von ihnen
       auch wegen Trump steht die Republikanische Partei für viele von ihnen
       weiter für den American Dream, für individuelle Freiheit und Erfolg durch
       harte Arbeit.
       
       Die Gefahren einer zweiten Amtszeit Donald Trumps treten dabei für manche
       in den Hintergrund. Insgesamt blicken Menschen mit Einwanderungsgeschichte
       im Durchschnitt weit zuversichtlicher in die Zukunft als die weiße
       Bevölkerungsmehrheit.
       
       Die Ausstellung in der Michigan Central scheint bei vielen
       Besucher*innen vor allem nostalgische Gefühle zu wecken. Die meisten
       von ihnen sind schon etwas älter, und die große Mehrheit ist weiß, obwohl
       fast 80 Prozent der Stadtbevölkerung in Detroit African Americans sind.
       
       Im Zuge der white flight, weißen Flucht, verlassen seit den 50er-Jahren in
       den ganzen USA wohlhabendere Weiße die Stadtgebiete und ziehen in die
       Vorstädte. In und um Detroit verlaufen die ethnischen Trennlinien bis heute
       besonders deutlich.
       
       ## Trump meidet die Metropolen
       
       Die politischen Fronten verlaufen parallel dazu. In Detroit stimmten mehr
       als neun von zehn Wähler*innen bei den vergangenen
       Präsidentschaftswahlen für Joe Biden. Zuletzt hatte Biden zwar auch bei
       African Americans landesweit an Unterstützung verloren. Kamala Harris
       scheint diesen Trend jedoch gestoppt zu haben. Anfang August wurde Harris
       vor einem Wahlkampfauftritt am Flughafen in Detroit von Tausenden
       Unterstützer*innen empfangen.
       
       Trump meidet dagegen im Wahlkampf zumeist die Metropolen, die fast
       ausschließlich von den Demokraten dominiert werden. Er spricht lieber in
       Kleinstädten – so wie Howell, rund 80 Kilometer entfernt von Detroit. An
       einem Nachmittag Ende August hält er dort mit dem örtlichen Sheriff eine
       Pressekonferenz ab. Die Bevölkerung ist zu fast 90 Prozent weiß, Trump
       gewann den Wahldistrikt bei beiden vergangenen Präsidentschaftswahlen.
       
       In seiner Rede zeichnet Trump ein düsteres Bild von Kriminalität und
       Korruption unter der Regierung Biden/Harris. Trumps Blick auf die USA ist
       der eines steten Niedergangs, und die Lösung liegt nicht in der Zukunft,
       sondern in der Wiederherstellung vergangener Stärke. Make America Great
       Again.
       
       Die Bundesstaaten im Rust Belt – wie die frühere Industrieregion im
       Nordosten der USA genannt wird, in der auch Detroit ein wichtiges Zentrum
       war – stehen in dieser Deutung für das vielleicht größte Trauma der weißen
       Arbeiterklasse: für den Verlust nationaler Vorzeigeindustrien, für
       Verarmung und Perspektivlosigkeit.
       
       ## Republikanische Migrationspolitik
       
       Weiße Wähler*innen ohne Collegeabschluss sind weiter Trumps
       Kernunterstützer, und zugleich der Teil der US-Bevölkerung mit dem
       pessimistischsten Zukunftsausblick. Während viele US-Amerikaner*innen mit
       Einwanderungsgeschichte von einem besseren Leben träumen, wählt die weiße
       Arbeiterklasse Trump vor allem aus Wut.
       
       Ihr gegenüber spricht Trump weiter unverhohlen von Einwanderung als
       existenzieller Bedrohung, unterlegt mit dem Szenario, dass Weiße zu einer
       Minderheit „im eigenen Land“ werden könnten. In Trumps Wahlprogramm zeugen
       die ersten beiden Punkte in Großbuchstaben recht unmissverständlich von
       seinen Absichten: „1. DIE GRENZE ABRIEGELN UND DIE MIGRANTENINVASION
       STOPPEN. 2. DIE GRÖSSTE ABSCHIEBUNGSAKTION IN DER AMERIKANISCHEN GESCHICHTE
       DURCHFÜHREN.“
       
       Derzeit leben nach Schätzungen rund 11 Millionen Einwanderer*innen
       illegal in den USA. Selbst in den migrantischen Communitys sprechen sich
       die meisten Wähler*innen für eine restriktivere Migrationspolitik aus.
       Noch im Juli unterstützten mehr Latinos Trumps als Bidens Position zu
       illegaler Einwanderung. Die Unterstützung steht und fällt allerdings mit
       der Frage, wer genau von Trumps Plänen betroffen wäre.
       
       Sollte er auch jene illegal Eingewanderten abschieben wollen, die schon
       lange in den USA sind, die Arbeit und Familie haben, stößt Trump bei den
       meisten Latinos und in anderen Communitys of Color auf Widerstand. Doch zu
       ebendieser Frage macht Trump nur vage und teils widersprüchliche Aussagen.
       
       ## Fokus auf Arbeiterklasse
       
       Auch bei dem Auftritt in Howell schweigt Trump zu den Details seiner
       geplanten Massenabschiebungen. Der Unterstützung der weißen
       Kernwählerschaft kann er sich in Migrationsfragen ohnehin gewiss sein.
       
       Also beschwört er vor allem die wirtschaftlichen Gefahren für die weiße
       Arbeiterklasse: „Wenn ich nicht gewählt werde, wird in drei Jahren jeder
       auto worker in Michigan arbeitslos sein. Alles wird in Mexiko produziert
       werden, von chinesischen Firmen.“ Trump verspricht, den Handelskrieg gegen
       China mit noch höheren Zöllen fortzuführen.
       
       Asian Americans und speziell chinesischstämmige US-Amerikaner*innen waren
       vor den letzten Präsidentschaftswahlen besonders Trumps Angriffen
       ausgesetzt. Er sprach demonstrativ von Corona als dem china virus.
       Rassistische Übergriffe gegen Asian Americans schnellten in die Höhe. 2020
       stimmten geschätzt zwei Drittel von ihnen für Biden. Doch zuletzt hat Trump
       auch in einigen asiatisch-amerikanischen Communitys an Unterstützung
       hinzugewonnen.
       
       Hong Miller leitet das Gemeinschaftszentrum der Association of Chinese
       Americans (ACA) in Detroit. Über das Verhältnis zwischen China und den USA
       nach den Wahlen macht sie sich keine Illusionen.
       
       ## Das Wahlsystem überfordert
       
       Als sie vor gut 20 Jahren in die USA gekommen sei, hielten viele China für
       einen aufstrebenden Wirtschaftspartner. „China und die USA wirkten wie
       frisch verheiratet. Heute wirken sie eher wie ein geschiedenes Ehepaar.“
       Doch sie spüre in diesem Wahlkampf weniger Feindseligkeit gegenüber
       asiatischstämmigen Menschen in den USA als vor vier Jahren. „Damals ging es
       viel um Covid. Heute geht es vor allem um die Wirtschaft.“
       
       Hong Millers Kollege Simon hat für die ACA in den letzten Monaten unter
       anderem in einem Projekt zur Wahlregistrierung mit der chinesischstämmigen
       Gemeinde in Detroit gearbeitet. Nach seinen Erfahrungen sind viele der
       chinesischen Einwander*innen nur wenig mit den Abläufen der US-Politik
       vertraut.
       
       In den USA müssen sich Wähler*innen vor Wahlen selbst ins
       Wahlverzeichnis eintragen lassen, ein in manchen Staaten komplizierter
       Vorgang, der einst geschaffen wurde, um gezielt nicht weiße Bürger*innen
       vom Wählen abzuhalten. Noch heute lassen sich prozentual weniger Menschen
       aus Communitys of Color als Weiße bei nationalen Wahlen registrieren.
       
       Simon selbst kam erst vor einigen Monaten nach mehr als zehn Jahren in
       Hongkong in die USA zurück. Auch für ihn ist die wirtschaftliche Lage im
       Land vor den Wahlen das dringendste Problem. „Es ist alles so viel teurer
       geworden. Die Inflation macht vielen Menschen wirklich zu schaffen.“ Auf
       die Präsidentschaftswahl selbst blickt er mit wenig Begeisterung. Derzeit
       würde er weder Harris noch Trump wählen. Trump sei unberechenbar, und
       Harris müsse erst beweisen, dass sie dem Amt der Präsidentin gewachsen sei.
       
       ## Das Zentrum der Wokeness
       
       Wenn Simon über Kamala Harris spricht, schwingt darin auch die Befremdung
       über ihren Heimatstaat mit. Kalifornien und besonders San Francisco seien
       ein Hort der wokeness. Der Ausdruck, entstanden im afroamerikanischen
       Englisch, bedeutet im Wortsinn wachsam, bezogen auf das Bewusstsein für
       soziale Gerechtigkeit und Rassismus.
       
       In den vergangenen Jahren wird Wokeness vor allem als konservativer
       Kampfbegriff gebraucht, als Ausdruck von als abgehoben dargestellten
       Debatten über LGBTQ+- und andere Minderheitenrechte und liberaler Cancel
       Culture. Kalifornien gilt vielen Konservativen als geistiges Zentrum der
       Wokeness.
       
       Die meisten dieser Angriffe von rechts gehen an den politischen Realitäten
       vorbei. Kamala Harris etwa war in ihrer Zeit als Staatsanwältin in
       Kalifornien nie für besonders linke Positionen bekannt. Doch die Attacken
       verfangen bei vielen, auch bei nicht weißen Wähler*innen. Dass Harris
       biografisch so eng mit einem der liberalsten US-Bundesstaaten verbunden
       ist, könnte ihr in den letzten Wochen vor den Wahlen eher schaden als
       nutzen.
       
       Trotz all dem führt sie, Stand Anfang September, in Umfragen in den meisten
       Swing States, auch in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania, den umkämpften
       Bundesstaaten im Mittleren Westen. Doch die Abstände sind in keinem der
       Staaten größer als drei Prozent – und vor den beiden letzten
       Präsidentschaftswahlen unterschätzten die meisten Umfragen systematisch die
       Zustimmungswerte für Donald Trump.
       
       ## Eine Chance für illegale Einwanderer
       
       Manuel Noris-Barrera kann verstehen, dass Kalifornien vonseiten der
       Republikaner oft als liberales Schreckensszenario herangezogen wird. Er
       will sich vor allem für mehr öffentliche Sicherheit und unternehmerische
       Freiheit einsetzen. Gleichzeitig distanziert er sich von Donald Trumps
       abfälligen Äußerungen gegenüber Latinos.
       
       Für ihn liegt darin vor allem eine Strategie, um seiner weißen Wählerbasis
       zu gefallen. Und Trumps Forderungen nach der größten Massenabschiebung in
       der US-Geschichte? Noris-Barrera winkt mit erstaunlicher Lässigkeit ab.
       „Nicht machbar.“ Wenn es nach ihm ginge, sollen auch illegal Eingewanderte
       in den USA eine Chance bekommen, sich eine Zukunft aufzubauen, soweit sie
       bereit sind, dafür zu arbeiten. Eine Vorstellung, die Trump stets
       zurückweist.
       
       Bei allem Wahlkampfeifer wirkt Noris-Barrera ein gutes Stück weniger
       verbittert als der republikanische Präsidentschaftskandidat Trump. „Selbst
       wenn ich nicht gewählt werde, ist diese Wahl ein Erfolg“, sagt er etwa.
       Allein, dass er für einen Parlamentssitz in Kalifornien kandidiere, zeige
       doch, wie viel Erfolg man als Einwanderer in den USA haben könne. In seiner
       Stimme liegt Stolz. Da ist er wieder, der Glaube an den amerikanischen
       Traum.
       
       11 Sep 2024
       
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       Mit Trumps Wahl 2016 endete das Zeitalter der neoliberalen Ordnung. Auch
       Politiker hierzulande müssen endlich aufwachen und die neue Zeit gestalten.
       
 (DIR) Fed senkt Leitzins: Zinspolitik wird zum Politikum
       
       Die US-Notenbank hat erstmals seit über vier Jahren die Zinsen gesenkt.
       Donald Trump fürchtet, das komme seiner Konkurrentin Kamala Harris zugute.
       
 (DIR) US-Präsidentschaftswahl: Dick Cheney unterstützt Demokratin
       
       Nie habe es eine „größere Gefahr“ für die Republik gegeben als Trump, so
       der republikanische Ex-Vizepräsident. Nun folgt er seiner Tochter Liz und
       stellt sich hinter Harris.
       
 (DIR) US-Präsidentschaftswahl 2024: Die Mikrofone bleiben zu
       
       Donald Trump und Kamala Harris haben sich auf die Regeln für ihre erste
       TV-Debatte geeinigt. Auch diesmal kann niemand den anderen unterbrechen.
       
 (DIR) US-Präsidentschaftswahl: Mit Republikanern ins Kabinett
       
       Kamala Harris hat auf CNN ihr erstes TV-Interview seit ihrer Nominierung
       gegeben. Dabei gab es keine großen Patzer, dafür einige Überraschungen.