# taz.de -- Nofretete und Sahra Wagenknecht: Wie einst Hercule Poirot
       
       > Florian Illies wähnt sich in der „Zeit“ auf Expedition in Ägypten und
       > vergleicht Wagenknecht mit Nofretete. Wäre die Wilhelminische Ära nicht
       > passender?
       
 (IMG) Bild: Wie aufregend: Florian Illies vergleicht Wagenknecht mit Nofretete
       
       Man war nach den niederschmetternden Ergebnissen der Landtagswahlen in
       Sachsen [1][und Thüringen gerade noch] damit beschäftigt, sich zu sammeln,
       nach Trost zu suchen in Songs, in guter Literatur, in Gesprächen mit
       Freund:innen, da kam Mitte der Woche ein Text hereingeweht, der sich gleich
       wie ein Gardebajonett vor einem aufpflanzte: Florian Illies diktiert den
       Untertanen darin ein Statement zur Lage der Nation.
       
       Semiironisch vergleicht der Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung Die
       Zeit in [2][„Die Kalkstein-Königin“ Sahra Wagenknecht] mit Nofretete. Die
       ostdeutsche Königsmacherin und Galionsfigur des nach ihr benannten BSW
       ähnele der Büste der ägyptischen Pharaonin (vermutlich 14. Jahrhundert vor
       Christus) schon äußerlich, hob er an.
       
       Uff, das kam trotz aller eingebauten Distanzierungstextbausteine auch ein
       klitzekleines bisschen schmierig rüber as in „feuchte Hände“. Man musste
       sich beim Lesen sehr stark winden.
       
       Die Gedanken sind zwar frei, und, klar, darf sich auch so ein
       Reichsverweser aus dem Feuilleton beim Anblick einer deutschen Politikerin
       im Frühherbst 2024 selbstverständlich mal auf einer Ägyptenexpedition von
       1912 wähnen oder beim investigativen Umkreisen von Sarkophagen in Gizeh wie
       einst Hercule Poirot bei Agatha Christie.
       
       ## Steinzeit-Amerikanismus und Talkshowpopulismus
       
       Aber ganz unter uns: Muss so ein Gedankenspiel, das sich anfühlte wie ein
       privates Sondierungsgespräch, wirklich an die breite Öffentlichkeit? Wo
       doch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den immer gleichen Argumenten
       von Wagenknecht und ihren weitgehend unbekannten Parteigenoss:innen nach
       wie vor viel zu kurz kommt trotz Talkshowpopulismus auf allen Kanälen.
       
       „Die Vermögenskonzentration in Deutschland ist heute so hoch wie vor Beginn
       des Ersten Weltkriegs, als in Berlin noch der Kaiser regierte.“ Steht
       schwarz auf weiß im BSW-Parteiprogramm. Während sich jetzt alle auf den
       Begriff „Vermögenskonzentration“ stürzen, denkt wahrscheinlich niemand
       nach über den wilhelminischen Teil in diesem Satz. Zu dieser Ära passt
       nämlich auch Sahra Wagenknecht mit ihrer hochgeschlossenen
       Gouvernantendiktion.
       
       Als ahnte es Florian Illies, versucht er vorausschauend Brücken zu bauen
       zwischen der westdeutschen Lesebrillenfraktion und dem ostdeutsch geprägten
       BSW. Sie sei doch eine „intelligente Stoikerin“, kommt ihm beim
       Personenkult um Wagenknecht noch in den Sinn. Und also bildet er im Geiste
       schon mal eine große Koalition aus Zeit lesenden Studienräten und
       Putinistinnen mit Weimarer Bildungsideal.
       
       Damit die Westbindung der alten BRD nicht ganz flöten geht, wird am Ende
       noch schnell Beyoncé aufgeführt, der US-Superstar, der sich auch schon mal
       [3][neben der Nofretete]-Büste in Berlin hat ablichten lassen. Was erlaube
       Illies? Der Steinzeit-Antiamerikanismus von Wagenknecht hat mit der
       upliftenden afroamerikanischen PR-Ägyptologie rein gar nichts am Hut.
       
       Themaverfehlung, ick hör dir trapsen.
       
       6 Sep 2024
       
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