# taz.de -- Krieg zwischen Israel und Hamas: Generalstreik für Geiseldeal gekippt
       
       > Die Proteste in Israel ziehen an, nachdem am Wochenende sechs Geiseln in
       > Gaza tot geborgen wurden. Doch den geplanten Streik stoppt ein Gericht.
       
 (IMG) Bild: Sie verlangen Einsatz für die Geiseln in Gaza: Protest vor dem israelischen Verteidigungsministerium am 02.09.2024
       
       Jerusalem taz | Ein israelisches Gericht hat einen Generalstreik für ein
       Abkommen im Gazakrieg am Montag für „politisch“ und damit unzulässig
       erklärt. Am Morgen blieben zunächst zahlreiche Schulen, Kindergärten und
       Banken in Israel geschlossen, auch der Flugverkehr vom internationalen
       Flughafen Ben Gurion wurde zeitweise unterbrochen. Doch um halb drei Uhr am
       Nachmittag musste der Streik laut Gericht offiziell beendet werden.
       Demonstranten blockierten außerdem an mehreren Orten wichtige Straßen.
       Bereits am Vorabend hatten sich alleine in Tel Aviv rund 300.000 Menschen
       an den größten Protesten seit dem Beginn des Gazakrieges im Oktober
       beteiligt.
       
       Das Forum der Angehörigen der Entführten, die Opposition und Gewerkschaften
       fordern Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf: Nach d[1][er Ermordung
       von sechs Geiseln durch die Hamas] am Wochenende müsse er seinen Widerstand
       gegen ein Abkommen über einen Waffenstillstand und eine Freilassung der
       noch immer rund 100 in Gaza gefangenen [2][Geiseln] aufgeben. Der
       Regierungschef steht massiv unter Druck. Ob er aber einlenken, und von
       israelischer Seite den Weg für ein Abkommen freimachen wird, ist alles
       andere als sicher.
       
       Ein Generalstreik hat in Israel, dessen Wirtschaft ohnehin unter den Folgen
       des Krieges ächzt, einige Wucht. Auch wenn der Gewerkschaftsverband
       Histadrut heute nicht mehr die Macht hat, die er einst besaß, vertritt er
       nach eigenen Angaben noch immer rund 25 Prozent der Arbeitskräfte des
       Landes. Zudem haben sich auch Oppositionsführer Jair Lapid und weitere
       Verbände dem Aufruf angeschlossen. Die Arbeitsniederlegungen in Banken,
       Transportunternehmen oder den großen Häfen dürften das Land Millionen von
       Schekel kosten, schätzt der britische Guardian.
       
       Zuletzt hatte die Histadrut von diesem Mittel im März 2023 Gebrauch
       gemacht, als Netanjahu Verteidigungsminister Joaw Gallant wegen dessen
       Widerstand gegen den geplanten Umbau des Justizsystems entlassen wollte.
       Damals musste der Regierungschef zurückrudern. Und trotz der
       Gerichtsentscheidung will das Forum der Angehörigen der Entführten die
       Proteste fortsetzen.
       
       ## Druck auf Netanjahu aus den eigenen Reihen
       
       International plant Israels wichtigster Verbündeter USA, den
       Konfliktparteien ein „letztes Angebot“ vorzuschlagen. [3][Laut einem
       Bericht der Zeitung Washington Post] will US-Präsident Joe Biden einen
       Vorschlag für einen Waffenstillstand und die Rückkehr aller Geiseln
       vorlegen. Diesen sollen die Hamas und Israel entweder annehmen oder
       ablehnen können. Im Falle eines Scheiterns könnten die USA demnach ihre
       Vermittlungsbemühungen einstellen.
       
       Zuletzt wurden die Verhandlungen um einen Deal auf technischer Ebene
       fortgesetzt, steckten jedoch inhaltlich in einer Sackgasse. Besonders
       Netanjahus vergangene Woche im israelischen Sicherheitskabinett
       beschlossene Absage an einen Abzug aus dem Grenzgebiet zwischen dem
       Gazastreifen und Ägypten wird sowohl von Kairo als auch von der Hamas
       abgelehnt. Den Landstrich, Philadelphi-Korridor genannt, kontrolliert
       derzeit das israelische Militär – und damit auch die Grenze. Nach Angaben
       des israelischen Militärs [4][wurden dort mehrere Tunnel Richtung] Ägypten
       aufgespürt und zerstört.
       
       Der Druck auf Netanjahu kommt auch aus den eigenen Reihen. Besonders
       Verteidigungsminister Joaw Gallant fordert, die Entscheidung von
       vergangener Woche aufzuheben. Er spricht sich dafür aus, dem Rat der Armee-
       und Geheimdienstspitzen zu folgen und in den Verhandlungen um einen
       Geiseldeal Kompromisse einzugehen. Am Ende der Kabinettssitzung vergangene
       Woche sollen sich die beiden Parteikollegen sogar angebrüllt haben.
       
       Netanjahus Regierung verfügt über 64 von 120 Sitzen im Parlament. Um der
       Koalition gefährlich zu werden, müssten sich Gallant noch vier weitere
       Parlamentsmitglieder der Regierungsparteien anschließen.
       
       ## Netanjahus Entscheidung könnte von Protesten abhängen
       
       Doch Netanjahus innerparteiliche Gegner sind gespalten und die jüngsten
       Umfragewerte zeigen seine Partei Likud nach einem Einbruch im Oktober
       zuletzt wieder auf Platz eins der Beliebtheitsskala. Dass [5][Gallant
       Mitstreiter in der eigenen Partei findet, ist derzeit wohl
       unwahrscheinlich]. Die Drohungen seiner rechtsextremen Koalitionspartner
       könnten für Netanjahu gefährlicher werden. Diese haben angekündigt, die
       Regierung im Falle eines Abkommens zu verlassen.
       
       Ob der Regierungschef angesichts der neuen Protestwelle seine Position
       überdenken wird, dürfte maßgeblich von den Entwicklungen der kommenden Tage
       abhängen. Die israelische Zeitung Haaretz berichtet unter Berufung auf
       Diplomatenkreise, Netanjahu werde seine Entscheidung vom Druck der Straße
       abhängig machen. „Er wird so viel Zeit schinden wie möglich“, zitiert das
       Blatt aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten.
       
       2 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sechs-Geiseln-aus-Gaza-tot-geborgen/!6030949
 (DIR) [2] /Von-der-Hamas-getoetet/!6033561
 (DIR) [3] https://www.washingtonpost.com/politics/2024/09/01/biden-israel-gaza-ceasefire-deal/
 (DIR) [4] /Tunnel-unter-Gaza/!5970956
 (DIR) [5] /Israel-im-Nahost-Krieg/!6013236
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Wellisch
       
       ## TAGS
       
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