# taz.de -- 100 Jahre Hauszinssteuer: Eine Steuer für den Neubau
       
       > Vor 100 Jahren wurde in der Weimarer Republik die sogenannte
       > Hauszinssteuer eingeführt. Damit könnte auch heute wieder der Neubau
       > angekurbelt werden.
       
 (IMG) Bild: Geld gab es nur, wenn Standards eingehalten wurden: Siedlung Schillerpark im Wedding
       
       Berlin taz | Kriegsflüchtlinge, Inflation, Wohnungsmangel und kaum
       Bautätigkeit: Schlechte Rahmenbedingungen, die die Versorgung mit Wohnraum
       in Berlin erschweren, hat es bereits in den 1920er Jahren gegeben. So
       verwundert es nicht, dass heute wieder über ein Instrument diskutiert wird,
       mit dem vor 100 Jahren der Wohnungsneubau finanziert wurde.
       
       Zurückgehend auf die Idee des [1][Schöneberger Baustadtrats Martin Wagner]
       ist 1924 die Hauszinssteuer im Freistaat Preußen eingeführt worden. Bis auf
       Württemberg gab es später in allen Ländern der Weimarer Republik solch eine
       Steuer, die auf Einnahmen aus der Vermietung gezahlt werden musste. Die
       Steuer wurde dann zum Teil in die Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus
       investiert.
       
       Einerseits Gewinne abschöpfen, andererseits Geld für den dringend
       benötigten Neubau bereitstellen: Angesichts des brachliegenden
       Wohnungsbaus und der hohen Profite, die heute oftmals mit der Miete gemacht
       werden, scheint eine solche Steuer so manchem wieder eine attraktive
       Allzweckwaffe zu sein.
       
       Auch in der Weimarer Republik war die [2][Hauszinssteuer] eine Reaktion auf
       den dramatischen Wohnungsmangel. Zehntausende hausten in Kellerwohnungen.
       Einzelne Zimmer in ohnehin überbelegten Wohnungen wurden an ganze Familien
       untervermietet. Auch die während der Industrialisierung aufgekommenen
       „Schlafgänger“, die für nur wenige Stunden ein Zimmer mieteten, gehörten in
       den 1920er Jahren zum Alltag in Berlin. Nicht nur die Kriegsrückkehrer
       mussten untergebracht werden, auch die zahlreichen Flüchtlinge und die
       starke Zuwanderung nach Berlin stellten die Wohnraumversorgung vor
       Herausforderungen.
       
       Die Hauszinssteuer war aber auch eine Reaktion auf die Hyperinflation.
       Während diese vor allem die einfachen Arbeiter traf und Lebensmittelpreise
       von einem auf den nächsten Tag explodierten, profitierten gleichzeitig die
       Immobilienbesitzer von der Geldentwertung. Hypotheken ließen sich im Zuge
       der Hyperinflation einfach abzahlen, Häuser wurden in kürzester Zeit
       entschuldet.
       
       ## Wohnungsbaugesellschaften entstehen
       
       Mit der Hauszinssteuer sollte für diese Entschuldung ein Ausgleich
       geschaffen werden. Was auf der einen Seite an Zinsen gespart wurde, sollte
       nun in Form einer Steuer quasi an den Staat gezahlt werden. Die Einnahmen
       flossen zwar mit der Zeit immer mehr in den allgemeinen Haushalt, ein Teil
       wurde allerdings als zinsgünstige Hypothek für den gemeinnützigen
       Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.
       
       So kam es ab 1924 zu zahlreichen Gründungen von Wohnungsbaugesellschaften.
       Darunter auch der [3][Gehag] (die heute der Deutschen Wohnen gehört), die
       mit der [4][Hufeisensiedlung], der Waldsiedlung Zehlendorf und der
       Papageiensiedlung mithilfe der Mittel aus der Hauszinssteuer die ikonischen
       Siedlungen des „Neuen Bauens“ errichtete.
       
       In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise konnten in Berlin mithilfe der
       staatlichen Förderung im Jahresdurchschnitt über 25.000 Wohnungen gebaut
       werden. Neubauzahlen, die zwar auch damals nicht den damaligen Bedarf
       deckten, von denen man heute aber weit entfernt ist.
       
       Wäre es also nicht recht und billig, nach diesem Vorbild die Einnahmen aus
       der Vermietung abzuschöpfen, um dringend benötigte Wohnungen zu bauen?
       Stefan Bach und Claus Michelsen vom [5][Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung Berlin (DIW)] hatten bereits 2021 solch einen
       Vorschlag gemacht.
       
       Bis zu 30 Prozent Mietsteuer hatten sie kalkuliert für Mieten, die oberhalb
       der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Steuereinnahmen von zusätzlichen
       200 Millionen Euro im Jahr könne das für Berlin bedeuten, rechneten sie
       vor. Vom Mieterverein, einzelnen Stimmen aus der SPD sowie von Grünen und
       Linken erhielten sie dabei Zustimmung.
       
       Dirk Löhr, Steuerexperte von der Uni Trier, ist dagegen skeptisch. „Die
       Idee, Neubau zu fördern und Immobilien steuerlich mehr zu belasten, ist
       grundsätzlich nicht schlecht. Der Teufel steckt aber im Detail“, sagte er
       der taz. Es gebe mehrere rechtliche Hindernisse für solch eine
       Hauszinssteuer.
       
       Löhr bezweifelt zudem den generellen Effekt. Eine Fördermitteloffensive
       könnte zwar die Finanzierungskosten für den Neubau senken. „Es besteht dann
       aber wiederum die Gefahr, dass als Reaktion die Bodenpreise weiter
       ansteigen“, sagt er. Am Ende bleibe auch die Frage, wer die Steuer wirklich
       bezahle. „Wenn durch solch eine Steuer bereits bestehender Wohnraum
       belastet werden würde, dann ist es wahrscheinlich, dass die Kosten, wie es
       bereits bei der historischen Hauszinssteuer war, auf die Mieter übergewälzt
       werden.“
       
       Auch in der Weimarer Republik trugen die Altbaumieter am Ende die Last der
       Steuer durch ihre Miete. Die Hauszinssteuer glich damit eher einem
       Solidarbeitrag, den die Mieter in günstigen Altbauwohnungen für den
       öffentlichen Wohnungsneubau leisteten.
       
       Dennoch steht die historische Hauszinssteuer von 1924 für eine Zeit, in der
       der Staat erstmals den Wohnungsbau als öffentliche Aufgabe anerkannte. Dass
       solch ein Instrument 100 Jahre später mitunter wieder attraktiv erscheint,
       liegt vielleicht auch daran, dass so manchen das Gefühl beschleicht, der
       Staat komme dieser öffentlichen Aufgabe heute nicht mehr angemessen nach.
       
       14 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Wagner_(Architekt)
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Hauszinssteuer
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/GEHAG
 (DIR) [4] https://welterbe-siedlungen-berlin.de/hufeisensiedlung/
 (DIR) [5] https://www.diw.de/deutsch
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yannic Walther
       
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