# taz.de -- Bautzen und die Frage, worauf es ankommt: Mut und Liebe
       
       > Es gibt wichtigeres, als die Liebe privat zu halten. Wenn man den Hass
       > sieht, den ein CSD wie in Bautzen begleitet, muss man raus, sagt unsere
       > Kolumnistin. Und lieben.
       
 (IMG) Bild: Trostloses Einerlei gegen buntes Leben in Bautzen beim CSD
       
       Liebe ist ein Geschenk, auf jeden Fall. Anders auch nicht zu bekommen. Ich
       habe die Tage meine private Liebe verloren, aber vielleicht wird diese
       private Liebe zu hoch eingeschätzt. Es ist ja immer etwas Selbstsüchtiges
       dabei, wenn wir privat lieben. Meist wollen wir zurückgeliebt werden. Bei
       Kindern gelingt das leichter. Kinder können einfach nicht anders, sie
       müssen ihre Eltern lieben, so lange sie klein sind, das ist ihr Schicksal.
       Wenn wir unsere Kinder lieben, dann ist das eine sichere Bank. Wir geben
       und nehmen, ein ausgeglichenes Geschäft.
       
       Meine Tage waren also nicht so schön, August ohne Wärme, und ich schaue mir
       zur Ablenkung das Internet an, [1][was in Bautzen so los ist], zum
       Beispiel, das macht die Tage nicht schöner. Ich soll mir was Schönes
       angucken, schöne Dinge machen, mich wieder selbst mehr lieben, zu mir
       finden (sagt meine Schwester), ich sehe mir lieber das Internet an, was
       auch nicht wärmer ist, nicht wärmer als mein August.
       
       Menschen zu lieben, ganz allgemein, Menschen auf der Straße, in ihren
       Häusern, bei ihrer Arbeit, diese ganzen verschiedenen, alltäglichen,
       öffentlichen und privaten Menschen, gelingt mir schlecht. Oft kommen sie
       mir dumm vor, hässlich, böse. Oft kommen mir diese ganzen Menschen
       unerträglich vor und ich kann sie dann nicht mehr ertragen und ziehe mich
       zurück, in meine Kammer, wo ich sie nicht sehen muss. Dann habe ich keine
       Hoffnung mehr für die Welt und für mich. Das ist kein gutes Leben. Es lohnt
       nicht, so zu leben.
       
       Manchmal aber überkommt es mich. Manchmal sitze ich wo draußen, der Abend
       senkt sich über die Häuser, Müdigkeit breitet sich aus, Schönheit
       überschwemmt die Stadt, sitzt in den Gesichtern der müden Menschen, und da
       überkommt es mich, ich liebe sie, alle diese Menschen, deren müde Gesichter
       ich sehe, deren verzweifelte Anstrengung, weiterzuleben, liebe ich. Es hält
       nicht lange an, einen Moment nur, aber es ist da, es ist stark und es ist
       da.
       
       Es ist wichtig. Es ist wichtiger als meine private Liebe. Ich muss dieses
       Gefühl in mein Handeln übersetzen, ich muss Gutes tun, Selbstloses, ich
       muss verzeihen, sonst kann ich in dieser Welt nicht gut leben, ich darf
       mich nicht nur um mich selbst drehen, ich muss mich mit der Welt drehen und
       mich an sie verschenken. Das ist meine Aufgabe, das ist mein Sinn.
       
       ## Hass und Gewalt
       
       Das Internet [2][zeigt mir den Hass in Bautzen], der mich verstört, der
       mich zu Tode ängstigt, wenn ich diese Gesichter sehe, die kaum etwas
       anderes enthalten als Hass, als Gewalt. Wie kann ich diese Gesichter
       lieben? Das ist die große Frage. Ich kann es nicht. Sei mal ehrlich,
       Katrin – du kannst es nicht. Du bist nicht Jesus. Ich bin nicht Jesus. Ich
       bin nur gerade bis obenhin voll mit nutzloser Gefühligkeit.
       
       In Bautzen haben sie [3][den Christopher-Street-Day gefeiert] oder
       zelebriert oder begangen. Ich war noch nie auf einem CSD. Warum nicht? Weil
       ich heterosexuell bin? Fühle ich mich nicht zuständig oder zugehörig? Meine
       lesbische Freundin hat mir ein Bild aufs Handy geschickt, von sich auf dem
       CSD in Hamburg, sie sieht schön aus, glücklich.
       
       In Bautzen sind ungefähr eintausend Menschen auf die Straße gegangen, um
       ihren eigenen CSD zu feiern, sich, die Liebe, die Zuversicht. Es sind ein
       paar mehr gewesen, als die, die gegen sie gehasst und gedroht haben. Aber
       nicht so viele mehr.
       
       Deswegen kommt es jetzt vielleicht darauf an, auf mich, auf uns, dass wir
       rausgehen und lieben. Mut und Liebe.
       
       19 Aug 2024
       
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