# taz.de -- Roman von Cormac McCarthy als Comic: Dreck und Mühsal
       
       > Zeichner Manu Larcenet adaptiert mit seinem lakonisch realistischen Comic
       > „Die Straße“ erfolgreich den Roman von Cormac McCarthy.
       
 (IMG) Bild: Bilder des Untergangs und der Einsamkeit: ein Panel aus „Die Straße“
       
       Wolken, die sich zusammenballen. Keine weißen Wolken an einem freundlichen,
       blauen Sommerhimmel, sondern bedrohliche, überwiegend schwarze Gebilde, die
       auf- und niedersteigen. Aschewolken, die als dichtes, erstickendes Gestöber
       über das Land ziehen können und vor denen ein hohläugiger Mann und ein
       kleiner Junge unter einer Plastikplane notdürftig Schutz suchen.
       
       Schon die ersten beiden Seiten von „Die Straße“ machen, ohne dass ein Wort
       fiele, sofort deutlich: Dieser Comic zeigt eine Welt, in der bereits die
       Hoffnung auf mehr als das nackte Überleben eine Kühnheit darstellt.
       
       Was genau geschehen ist, bleibt zwar unklar, vermuten lässt sich aber, dass
       die Erde nach einem größeren atomaren Schlagabtausch seit Jahren von einem
       nuklearen Winter heimgesucht wird. Das Gebiet, durch das der Vater und sein
       Sohn langsam zu Fuß ziehen, auf dem Weg in wärmere, südliche Gefilde, waren
       einmal die USA.
       
       Alles ist tot und verbrannt, die Städte ebenso wie die Wälder und Tiere.
       Etwas anzubauen und zu ernten, ist unmöglich; die einzige Nahrung, die sich
       hier und dort noch auftreiben lässt, besteht aus Konserven. Da diese aber
       nur selten zu finden sind, ist unter den wenigen Überlebenden der
       Kannibalismus zu einer gängigen Praxis geworden.
       
       Ins Archaische zurückgestürzte Horden halten sich Menschen als
       Frischfleisch. Dem Zusammenbruch der Zivilisation entspricht der komplette
       Verlust von Humanität – an der gleichwohl der Vater mit verzweifelter Kraft
       festzuhalten versucht: „Wir sind die Guten“, versichert er seinem Sohn
       immer wieder.
       
       „Die Straße“ ist eine Adaptation des gleichnamigen, 2006 erschienenen
       Romans des [1][im letzten Jahr verstorbenen US-amerikanischen Autors Cormac
       McCarthy]. Von den zahlreichen populären Filmen, Comics und Büchern mit
       einem postapokalyptischen Setting unterscheidet sich McCarthys Werk
       entschieden. In ihm gibt es nicht die geringste Spur von Abenteuer und
       Heldentum, nur Dreck und Mühsal, Erschöpfung und Schmerzen.
       
       Von unschätzbarem Wert sind Dinge geworden, die früher alltäglich waren:
       ein Fernglas, mit dem sich nach Bedrohungen Ausschau halten lässt; eine
       halb zerrissene Landkarte; ein Einkaufswagen aus einem Supermarkt, in dem
       Vater und Sohn ihre paar Habseligkeiten transportieren; ein Revolver, in
       dem nur noch zwei Kugeln stecken.
       
       Mit [2][„Brodecks Bericht“ (2016) hat der französische Comic-Zeichner Manu
       Larcenet] schon einmal ohne Qualitätsverluste einen Roman in einen Comic
       übertragen. Hier ist ihm dies erneut gelungen. Dem unbarmherzigen,
       lakonischen Realismus McCarthys bleibt er mit fast ausschließlich
       schwarz-weißen Bildern und kleinformatigen Panels, in denen die Figuren wie
       eingesperrt wirken, treu. Dass er sich dem Pittoresken und Schauerlichen,
       das der Roman weitgehend meidet, nicht völlig entziehen kann, liegt in der
       Natur des Mediums Comic: Ruinen haben ihre eigene Ästhetik, und die
       Zeichnung einer mumifizierten Leiche oder der Überreste eines
       kannibalistischen Mahls ist zwangsläufig eindringlicher als deren
       Beschreibung in ein, zwei Sätzen.
       
       Roman wie Comic finden schließlich zu einem unerwarteten, gedämpften Happy
       End. Allerdings mit einem Unterschied: Mit der Schilderung einer Forelle in
       einem Gebirgsbach lässt McCarthy im letzten Absatz kurz die Schönheit der
       Welt vor ihrem Untergang aufleuchten. Im Comic ballt sich zum Abschluss
       dagegen eine riesige, die ganze Seite einnehmende Aschewolke.
       
       14 Aug 2024
       
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