# taz.de -- Comic Olivia Vieweg „Fangirl Fantasy“: Im lila Fandom-Land
       
       > Ein Comic mit thüringischem Setting: Olivia Viewegs originelle Erzählung
       > „Fangirl Fantasy“ oszilliert zwischen Komödie und Drama.
       
 (IMG) Bild: Die Welt von „Fangirl Fantasy“ in ihrer typischen Farbgebung
       
       Allan Dale ist ein englischer Schauspieler, schon grau meliert, aber immer
       noch der Schwarm einer großen weiblichen Fangemeinde. Bei jeder Premiere
       jubeln ihm scharenweise junge Frauen zu, doch in jüngster Zeit ist Allan
       dieser ständigen „Überwachung“ müde geworden. Auf Autogrammwünsche reagiert
       er gereizt, und wenn manche darum betteln, dass er doch eine gerade
       aufgegebene Serienfigur weiterspielen solle, ist ihm das piepegal.
       
       Ein Wechsel seines Rollenimages erscheint ihm bitter nötig, um nicht
       weiter als Sidekick niedlicher Hunde in Mainstream-Komödien agieren zu
       müssen. Sein Interesse gilt einer Shakespeare-Verfilmung, die „Macbeth“ in
       den Zweiten Weltkrieg versetzt.
       
       Doch kurz bevor er Kontakt mit der angesagten Regisseurin aufnehmen kann,
       wird Alan bei einem Interviewtermin in London entführt. Drei weibliche Fans
       verschleppen ihn nach Thüringen. Sie halten ihn in einem abgeschiedenen
       Haus fest, damit er für sie ihre Lieblingsfiguren aus seinem abgelegten
       Rollen-Repertoire weiterspielt. Kann Allan dieser Hölle entkommen?
       
       Die 1987 im thüringischen Jena geborene Comiczeichnerin Olivia Vieweg hat
       ihre neueste Graphic Novel „Fangirl Fantasy“, eine amüsante Satire auf die
       Filmszene und damit verbundene Fankulturen, selbst geschrieben und
       gezeichnet.
       
       ## Manga-Einfluß
       
       Die Künstlerin sieht sich trotz stilistischer Ähnlichkeiten nicht als
       Mangazeichnerin, wie sie im Gespräch Ende Mai während des Pressesalons im
       Berliner Luisenbad bekundet. „Mangas sind sicherlich meine Herkunft, das
       sind wesentliche Einflüsse. Trotzdem würde ich mich heute als
       Comiczeichnerin bezeichnen.“
       
       Ihre Figuren erinnern in ihren Physiognomien an [1][Mangas], die
       Hintergründe dagegen eher an europäische Comics. Gern zeichnet Vieweg
       Lautmalereien, Geräusche oder Stimmen über ganze Seiten, ein typisches
       Stilmittel vieler Mangas. Gerade wurde sie mit einer Ausstellung im
       Kunstmuseum Erlangen geehrt, die nach ihrem neuesten Werk benannt war:
       „Fangirl Fantasy – Olivia Viewegs Comicwelten“. „Eine schöne Anerkennung“,
       sagt die Zeichnerin.
       
       Und führt ergänzend aus: „Das ist auch ein Kern des neuen Comics, die
       Frage: Ist das Kunst? Wenn man superkrakelige Comics macht, die nur 10
       Prozent der Leser verstehen, bekommt das immer gleich diesen
       ‚Kulturstempel‘. Meine Comics erscheinen, oberflächlich gesehen, durch ihre
       Visualität eher kommerziell oder nach Manga auszusehen, der Kulturstempel
       fehlt.“
       
       ## Weibliche Fankultur
       
       Allan Dale wiederum, die Hauptfigur der Geschichte, möchte aus
       kommerziellen Projekten raus und stattdessen eine prätentiöse
       Shakespeare-Verfilmung drehen. Doch eigentlich geht es um Fankultur. „Ich
       hatte das Gefühl, die ganze weibliche Fankultur ist noch gar nicht
       beleuchtet worden“, sagt Vieweg. „Männliche Fußballfans sind zum Beispiel
       längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und in der Kultserie ‚The
       Big Bang Theory‘ drehte sich alles um männliches Fan- und Nerdverhalten.“
       
       Ihre aktuelle Graphic Novel widmet sie den Licht- und Schattenseiten der
       weiblichen Fanszene. Auf weibliche Fans werde gern herabgeschaut, sagt sie
       im taz-Gespräch. „Schon seit den 1960ern bei der Beatlemania, da sieht man
       immer die kreischenden Frauen, was als lächerlich wahrgenommen wird. Oder
       auch heute noch bei koreanischen Popstars, wo die Fangirls reihenweise in
       Ohnmacht fallen. Das ist so etwas, woran sich die Gesellschaft belustigt.“
       
       Vieweg sieht sich selbst in der Fanszene verwurzelt. „Ich bin seit
       frühester Kindheit immer schon ein sehr leidenschaftlicher Fan von
       irgendetwas gewesen, angefangen mit,Star Trek'. Ich war ein großer Fan von
       Mr. Spock und dem Schauspieler Leonard Nimoy.“
       
       Im Comic spielt sie ironisch auf „Star Trek“ an, aber auch auf das Genre
       britischer Liebesromanzen in historischem Setting oder
       Marvel-Superhelden-Verfilmungen, wenn sie die Fantasien der drei
       Entführerinnen visualisiert.
       
       Olivia Vieweg will auf die vielen Facetten der weiblichen Fankultur
       hinweisen, die auch mächtig werden kann. „[2][Manche Marvel-Filme] sind
       erst beim Publikum gefloppt, aber viele weibliche Fans wurden dadurch zu
       Fanfiction inspiriert. So wurden die Filme am Ende doch noch ein Erfolg.
       Auch passierte es, dass ursprünglich für männliches Publikum geschriebene
       Serien dann von Frauen geliebt und die Storys schließlich in diese Richtung
       weiterentwickelt wurden.“
       
       ## Komödie und Drama
       
       „Fangirl Fantasy“ oszilliert zwischen Komödie und Drama. Die eigentlich
       übergriffige Story um drei weibliche Stalker entwickelt sich anders als
       gedacht, es entstehen Beziehungen zwischen dem Promi und seinen
       Wächterinnen. Das Thema der Gewalt droht allerdings verharmlost zu werden.
       Vieweg hat das beim „Stricken der Story“, wie sie sagt, schon bedacht: „Mir
       war wichtig, dass das da eine große Ambivalenz drinsteckt und die
       Verbrecher am Ende nicht wie Sieger triumphierend vom Platz gehen dürfen.
       Für mich ist es eine Komödie und nicht die Realität, die eins zu eins
       abgebildet werden soll.“
       
       Besonders gelungen ist Olivia Viewegs Idee, der Story ein thüringisches
       Setting zu geben. Ähnlich hat sie es zuvor schon einmal mit „Huck Finn“
       gemacht, einer modernisierten Version des Klassikers von Mark Twain, den
       sie in Sachsen-Anhalt ansiedelte.
       
       ## Romantischer Ort in Thürigen
       
       „Ich habe Thüringen und den Thüringer Wald als Schauplatz gewählt, weil ich
       für eine der Fans einen ‚romantischen‘ Ort gebraucht habe und ich mich an
       eine dieser verlassenen Spielzeugfabriken erinnerte. Ich fand das für eine
       Entführung sehr geeignet. Es hat auch zur Figur der Oma gepasst, die dort
       früher arbeitete und sich im Laufe ihres Lebens immer wieder anpassen
       musste. Für mich hat dieses zusätzliche Element die Story angereichert.“
       
       Die „Oma“ ist sicher eine der lebensnahesten Figuren in diesem Comic.
       Olivia Vieweg beleuchtet auf originelle Weise die Perspektive weiblicher
       Filmfans, gibt einen einfühlsamen wie abgründigen Einblick in deren Psyche.
       Die Zeichnerin greift dabei auf eigene Erfahrungen in der Fanszene zurück,
       was der in überwiegend violette Farben getauchten Graphic Novel
       Glaubwürdigkeit verleiht und zu manch gruseligem Schauer beim Lesen führen
       kann.
       
       4 Aug 2024
       
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