# taz.de -- Gerichtsentscheidung in Thailand: Größte Oppositionspartei aufgelöst
       
       > Die bei den letzten Wahlen siegreiche Partei wird wie ihre Vorgängerin
       > verboten. Sie wollten das harte Gesetz gegen Majestätsbeleidigung
       > reformieren.
       
 (IMG) Bild: Pita Limjaroenrat, früherer Spitzenkandidat und Chef der verbotenen Partei, am Mittwoch vor der Parteizentrale in Bangkok
       
       Kuala Lumpur taz | Das thailändische Verfassungsgericht hat am Mittwoch die
       Partei Move Forward (MFP) aufgelöst. Der Grund: Die Partei hat sich die
       Reform des harschen Strafrechtsparagrafens 112 gegen Majestätsbeleidigung
       auf die Fahnen geschrieben. Er wird immer wieder missbraucht, um kritische
       Stimmen zum Schweigen zu bringen.
       
       Es ist schon das zweite Mal, dass diese politische Gruppierung auf Druck
       des Estabishments von der nicht wirklich unabhängigen Justiz aufgelöst
       wird.
       
       Die erstaunliche Begründung der Richter: „Meinungsäußerungen zu
       Gesetzesänderungen und Wahlkampagnen stellten eine erhebliche Bedrohung der
       nationalen Sicherheit dar.“ Die Vorgängerpartei Future Forward Party (FFP)
       war 2020 wegen eines angeblich illegalen Darlehens ihres Vorsitzenden
       aufgelöst worden.
       
       Jetzt verbot das Gericht zudem elf MFP-Spitzenpolitikern, darunter
       Oppositionsführer Pita Limjaroenrat, die nächsten zehn Jahre bei Wahlen zu
       kandidieren, eine politische Partei zu gründen oder daran mitzuwirken.
       
       ## Elite fürchtet Reformparteien
       
       Der wahre Grund der Parteiauflösungen ist: Parteien mit einem umfassenden
       Reformprogramm werden der konservativ-royalistisch-militärischen Elite
       gefährlich. Die damals neue FFP wurde bei der Wahl 2018 aus dem Stand
       heraus drittstärkste Kraft. Schlimmer noch aus Sicht der Elite das
       Wahlergebnis 2023: [1][Die MFP wurde auch wegen ihres jungen und eloquenten
       Spitzenkandidaten Pita stärkste Kraft.] Mit politischen Winkelzügen wurde
       darauf die Bildung einer MFP-Regierung mit Pita als Premier verhindert.
       
       Die Gruppierung „Asean Parlamentarier für Menschenrechte“ (APHR) zeigte
       sich „entsetzt über die dreiste Entscheidung des thailändischen Gerichts“.
       Die APHR-Vorsitzende und indonesische Parlamentarierin Mercy Chriesty
       Barends sagte:
       
       „Gesetzesergänzungen vorzuschlagen als eine Kernfunktion des Parlaments mit
       Bemühungen gleichzusetzen, die Monarchie zu stürzen, ist absurd und
       untergräbt die Integrität des parlamentarischen Prozesses.“ Das Gericht
       habe jetzt die „klare Botschaft gesendet, dass bestimmte Reformpläne im
       Parlament … niemals das Licht der Welt erblicken werden“.
       
       Mit dem Urteil wurde Thailands größte Oppositionspartei jetzt sofort für
       aufgelöst erklärt. Ändern dürfte sich voraussichtlich aber nicht viel. Laut
       Verfassung haben Abgeordnete einer aufgelösten Partei 60 Tage Zeit, sich
       einer anderen Partei anzuschließen.
       
       Die wenig bekannte und im Parlament nicht vertretene
       Thinkakhao-Chovilai-Kleinpartei hat bereits erklärt, bisherigen
       MFP-Abgeordneten Asyl zu bieten.
       
       ## Verbotene Partei plant erneute Wiederauferstehung
       
       In Erwartung ihrer Auflösung hat die MFP längst Pläne für ihre
       Wiederauferstehung. Über kurz oder lang dürfte eine neue Partei mit
       ähnlichem Namen und dem gleichen Reformprogramm auftauchen und 2027 zur
       Wahl antreten. Als neue Parteichefin steht die ambitionierte Sirikanya
       Tansakul bereit, bislang Vizevorsitzende der MFP.
       
       Das Urteil sei „enttäuschend“, aber „alles andere als unerwartet“, sagte
       Tanat Thanakitamnuay der taz. Der aus einer einflussreichen Familie
       stammende Aktivist war [2][2020 ein Führer der Jugendproteste] für die
       Reform der Monarchie. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verlor er
       ein Auge.
       
       Tanat ist dennoch optimistisch: „Wir haben gesehen, wie die Move-Forward-
       aus der Auflösung der Future-Forward-Partei hervorgegangen ist. Es ist
       sicher, dass bei den nächsten Wahlen dasselbe Prinzip von viel erfahreneren
       Personen – den aktuellen Abgeordneten – in die Praxis umgesetzt wird. Immer
       mehr neue Persönlichkeiten mit großem Potenzial werden schließlich die
       Mehrheit der Sitze übernehmen und Veränderungen herbeiführen.“
       
       7 Aug 2024
       
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 (DIR) Michael Lenz
       
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