# taz.de -- Fremd sein und Diversität: Wer solche Freunde hat…
       
       > Die Rede ist von „wir“ und „ihr“. Unser Kolumnist hat da eine Bitte:
       > Schaut besser hin! Nicht paternalistisch, nicht von außen. Kommt rein in
       > „unsere“ Welt!
       
 (IMG) Bild: Für die offene Gesellschaft, gegen die AfD: Protest in Essen am 28. Juni 2024
       
       Dies ist meine letzte Kolumne vor dem Start der [1][Landtagswahlen in
       Ostdeutschland]. Am 1. September wird in Sachsen und Thüringen abgestimmt,
       am 22. in Brandenburg. Dann wird sich zum ersten Mal zeigen, wie
       mehrheitsfähig die AfD inzwischen ist, jenseits der kommunalen Ebene.
       
       Über ein halbes Jahr nach der Correctiv-Recherche zum neurechten Treffen in
       Potsdam und den anschließenden Massendemos ist es verhältnismäßig still
       geworden – einerseits. Dafür geht es in meiner Medien-Bubble ganz schön
       laut zu. So äußert das Branchenportal [2][Übermedien gerade berechtigte
       Kritik an der weiterhin wichtigen Recherche], mancher Correctivler reagiert
       darauf ziemlich [3][unsouverän].
       
       Dieses und ähnliche Themen werden in meinem beruflichen wie privaten
       (deutsch-deutschen) Umfeld rege diskutiert. Weitgehend auf der Strecke
       bleiben mal wieder diejenigen, um die es damals im „Landhaus Adlon“ ging:
       Menschen jenseits des Klischees vom christlich-weißen Protodeutschen.
       
       Eine beträchtliche Anzahl weißer Deutscher reagiert erschrocken, wenn sie
       erfährt, wie viele Menschen allein ich kenne, die inzwischen ganz konkrete
       Auswanderungsgedanken hegen. Ich spreche von Leuten, für die ich oft die
       einzige nichteuropäische, „irgendwie muslimische“ Referenz in ihrem
       Freundeskreis bin und doch fremd bleibe.
       
       Sie sind erschüttert, Sätze zu hören, in denen klar von „wir“ und „ihr“ die
       Rede ist. Denn während „unser“ Leben seit Jahren zunehmend vom Rechtsruck
       betroffen ist, verliert „Ihr Euch“ immer noch in denselben
       Autosuggestionen: „Ein Drittel ist halt rechtsextrem, war schon immer so,
       was soll’s?“ – „Früher haben die halt die Union gewählt.“ – „Das geht schon
       wieder vorbei.“
       
       Tja, das Ding ist nur, dieses Potenzial von 30 Prozent wirkt durch eine AfD
       in Parlamenten, womöglich bald in Regierungen, fataler, als es
       Rechtsextremen in vergangenen Jahrzehnten gelungen war.
       
       Sicher, es gibt viele Deutsch-Deutsche, denen das bewusst ist und die
       selbst Ziel rechten Hasses sind. Mir geht es aber besonders um
       Multiplikatoren mit Wirkungsmacht, deren Umgang damit immer noch zu behäbig
       ist. Die aus Hamburg stammende Tagesspiegel-Autorin Ariane Bemmer brachte
       das während der EM in einem [4][bemerkenswert offenen Text] auf den Punkt.
       Anlass war die Debatte über die Diversität des deutschen Teams.
       
       Bemmer problematisiert ihren eigenen pur weißen Alltag und ahnt zugleich,
       „dass sich bei mir nicht mehr viel ändern wird. Beruf, Freunde, Hobbys
       werden bleiben, das hat ja alles einen Grund, und damit ist viel Zeit
       belegt. Ich werde vermutlich vor allem warten, ob sich von allein etwas
       Neues auftut, ob neue Leute dazukommen […], und dann bewusster offener
       schauen, ob sich etwas jenseits des Üblichen ergeben könnte.“
       
       Warum so passiv? Längst gewähren Literatur, Film und Musik tiefe Einblicke
       in „unsere“ Lebenszusammenhänge und Gefühlswelten. „Uns“ gibt es an jeder
       Straßenecke, in Vereinen, in Nachbarschaften, in Cafés und auf Konzerten.
       
       Menschenhass lässt sich nicht umfänglich erkennen und wirkungsvoll
       begegnen, solange „diese Leute“ auf „uns“ und „unser Leben“ blicken, wie
       sie einen Essay im Feuilleton bestenfalls interessiert lesen, aber dann
       schon wieder weiterblättern.
       
       Meine Bitte: Schaut besser hin! Nicht paternalistisch, nicht wie
       Zoobesucher von außen. Kommt rein in „unsere“ Welt, nehmt teil! Frei nach
       dem Soziologen Aladin El-Mafaalani: Niemand muss sich dafür rechtfertigen,
       dass er weiß-homogen lebt – nur, wenn er nichts daran ändert.
       
       7 Aug 2024
       
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 (DIR) [2] https://uebermedien.de/97285/der-correctiv-bericht-verdient-nicht-preise-sondern-kritik-und-endlich-eine-echte-debatte/
 (DIR) [3] https://www.threads.net/@david.schraven/post/C-DUUZls9Yr
 (DIR) [4] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/alle-meine-freunde-sind-weiss-was-die-fussball-em-mir-klargemacht-hat-11982983.html
       
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