# taz.de -- Überwachung in Bremen: Populistische Videos
       
       > Die Bremer Innenbehörde will nun auch Straßenbahnhaltestellen im
       > „Viertel“ mit Kameras ausstatten. Dabei sollte sie das Geld lieber
       > anderswo ausgeben.
       
 (IMG) Bild: Na, haben Sie Lust in ihrem Alltag von so einer Kamera beobachtet zu werden?
       
       Nachdem sie am vergangenen Freitag bereits [1][Videokameras an einer
       belebten Kreuzung in Gröpelingen] in Betrieb genommen hat, plant die Bremer
       Innenbehörde nun auch einen zentralen Teil des Bremer Viertels mit Kameras
       zu überwachen. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine [2][Kleine
       Anfrage der CDU] hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Darin heißt
       es, dass die SPD-geführte Innenbehörde eine „dauerhafte Videoüberwachung
       mit Haltestellenbezug“ im Bremer Viertel plant.
       
       Konkret gemeint ist eine Strecke von rund 300 Metern entlang der Straße Vor
       dem Steintor, zwischen den Straßenbahnhaltestellen Sielwall und
       Brunnenstraße. Dieser Abschnitt ist ein zentraler Teil des Bremer Viertels.
       Hier gibt es Kneipen, Restaurants, Imbisse und Geschäfte. Am Abend und an
       den Wochenenden ist hier viel los.
       
       Aber woher kommt diese Wissbegierde der Behörde? Vor dem Hintergrund
       verschiedener gewalttätiger Angriffe in Bahnen und Bussen hatte die SPD mit
       der Überwachung von Haltestellen 2023 [3][Wahlkampf gemacht] und
       Überwachungsmaßnahmen [4][in den Koalitionsvertrag] hineinverhandelt.
       
       Zuvor hatte es unter anderem Ende 2020 einen rassistischen Angriff auf
       [5][eine Schwarze Bremerin] in einem Nachtbus gegeben, 2022 war [6][eine
       trans* Frau in einer Straßenbahn] schwer verletzt worden und Anfang 2023
       war ein Straßenbahnfahrer von Jugendlichen verprügelt worden.
       
       Die Behörde hat sich nun die polizeiliche Kriminalitätsstatistik ganz genau
       angeschaut und im Bereich der Haltestelle Brunnenstraße besonders viele
       Straftaten gezählt. Aus dem Papier geht aber auch hervor, dass die meisten
       gezählten Straftaten gar nicht direkt an der Haltestelle stattgefunden
       haben, sondern an anderen Orten in der Straße Vor dem Steintor. Wenn der
       genaue Ort der Tat nämlich nicht erfasst ist, wird er in der Statistik
       einfach für die Mitte der Straße vermerkt. Und genau da befindet sich die
       Haltestelle.
       
       Das heißt: Der Innenbehörde geht es eigentlich gar nicht um die Überwachung
       der Haltestellen, sondern um das Viertel an sich. Doch die präventive
       Wirkung von Videoüberwachung ist hoch umstritten. Empirische Erkenntnisse,
       dass diese wirkt, gibt es kaum.
       
       Kurt Mühler und Karsten Lauber von den Universitäten Leipzig und Bochum
       schrieben erst 2022 in einer Studie vom „eklatanten Widerspruch zwischen
       Sicherheitsversprechen und den bislang nachgewiesenen Effekten“ der
       Videoüberwachung und nannten sie den „Prototyp plakativer Kriminalpolitik“.
       Einfach gesagt: reine Symbolpolitik. Nun gut, könnte man sagen – was ist so
       schlimm an ein paar symbolischen Kameras, wenn sich Teile der Bevölkerung
       dadurch sicherer fühlen?
       
       Videoüberwachung schneidet erheblich in die Privatsphäre der Menschen ein,
       die im Viertel leben, feiern, Einkäufe erledigen oder ihrer Arbeit
       nachgehen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz hatte das bereits für die
       Überwachung auf der Breminale und in Gröpelingen kritisiert. Und auch das
       Sicherheitsgefühl ist ungleich verteilt. Täter*innen fühlen sich nicht
       bemächtigt, andere Menschen anzugreifen, weil sie sich unbeobachtet fühlen,
       sondern weil es in einer von Rassismus und [7][Transfeindlichkeit geprägten
       Gesellschaft] einen stillen Rückhalt dafür gibt.
       
       Das Geld, dass für die Überwachung draufgehen würde – laut Behörde allein
       bis zu 250 Tausend Euro nur für die Installation einer Kamera – sollte der
       Senat lieber in die Stärkung der Zivilgesellschaft stecken. Der Bremer Rat
       für Integration hatte bereits nach dem rassistischen Angriff 2020
       Schulungen für Mitarbeiter*innen im ÖPNV gefordert. Im Zweifel ist es
       wichtiger, dass Menschen eingreifen und die Betroffenen unterstützen, als
       dass der Angriff gefilmt wird.
       
       31 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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