# taz.de -- Deutsches Exportgeschäft in Namibia: Kolonialer Wasserstoff
       
       > Im Namen des Klimaschutzes setzt Deutschland koloniale Verbrechen fort.
       > Grüner Wasserstoff aus Namibia sollte nicht Leid und Zerstörung bedeuten.
       
 (IMG) Bild: Solarpannel einer bereits existierenden Wasserstoffproduktionsanlage im namibischen Swakopmund
       
       Jahrzehnte über Jahrhunderte vergehen, aber am Verhalten der Europäer
       ändert sich nichts. Früher kamen sie mit Flamme und Schwert und nahmen uns
       unser Land, unsere natürlichen Reichtümer und unsere Freiheit, denn Macht
       begründete das Recht. Heute wollen sie uns erneut ausbeuten, aber mit einem
       Lächeln im Gesicht, mit einer Rhetorik über die Umwelt und das Gemeinwohl
       auf den Lippen und unter dem Vorwand, uns für ihre vergangenen Zerstörungen
       „entschädigen“ zu wollen.
       
       Zwischen 1904 und 1908 löschten die Deutschen die zwei Volksgruppen der
       Herero und Nama, die keine Sklaven des Deutschen Reiches sein wollten, fast
       vollständig aus. Afrikaner landeten in Konzentrationslagern und wurden auch
       anderen unmenschlichen Erfindungen der „zivilisierten Welt“ unterworfen,
       die später in den 1940er Jahren auch Europäer erleiden sollten.
       
       [1][Erst 2015 erkannte Deutschland seine Verfehlungen der Vergangenheit an
       und nahm Verhandlungen mit Namibias Regierung über eine Wiedergutmachung
       auf. Aber trotz vieler Versprechungen kam dies nie zu einem Abschluss.] Es
       scheint, als sei die deutsche Bereitschaft zur Versöhnung nicht ohne den
       Hintergedanken gewesen, wirtschaftlich von Namibia profitieren zu wollen.
       
       Nachdem Berlin sich im Zuge der Spannungen mit Russland über die Ukraine ab
       2014 allmählich von billigem russischen Erdgas lösen wollte, suchte
       Deutschland neue Energiequellen und nahm unter anderem wasserstoffbasierte
       „grüne Energie“ ins Visier. Deutschland proklamierte das Ziel der
       Klimaneutralität – ein schönes Wort, das den Deutschen gefällt.
       
       ## Industriegebiet statt Nationalpark
       
       Aber die Architekten dieser Klimapolitik verrieten ihren Wählern nicht,
       dass auch grüne Energie mit Kosten einhergeht und dass eine klimaneutrale
       Wirtschaft in Europa zu ökologischen Katastrophen auf der anderen Seite des
       Planeten führen kann.
       
       [2][Das erste Projekt in Namibia – vom Unternehmen „Hyphen Hydrogen
       Energy“] – sieht Investitionen von 9,4 Milliarden Dollar für Solar- und
       Windkraftanlagen mit einer Kapazität von fünf Gigawatt vor sowie eine
       Wasserstoffanlage mit etwa drei Gigawatt. Die erste Phase mit rund 4,4
       Milliarden Dollar soll bis 2026 abgeschlossen sein. Der Rest folgt bis Ende
       der 20er Jahre. Wasserstoff wird in dieser Anlage per Elektrolyse aus
       Wasser gewonnen und soll in Form von Ammoniak nach Europa verschifft
       werden.
       
       Pro Jahr sollen also zwei Millionen Tonnen dieser hochgiftigen Substanz in
       einem der kostbarsten Naturschutzgebiete des südwestlichen Afrika
       hergestellt werden, das dadurch in eine industrielle Wüste verwandelt wird.
       
       Die Zerstörung eines einzigartigen Nationalparks könnte nicht das einzige
       drohende Verbrechen der deutschen Investoren sein. Für den Export des
       Ammoniaks nach Europa soll auf der Halbinsel „Shark Island“ ein großer
       Hafen entstehen – nach Angaben von Menschenrechtlern auf dem Gelände eines
       längst zerstörten ehemaligen deutschen Konzentrationslagers, wo bis heute
       die Gebeine von 1.000 bis 3.000 Afrikanern begraben liegen.
       
       ## Schändung der Gräber von Herero und Nama
       
       Vertreter der Nama und Herero haben an die deutschen Grünen appelliert, die
       Schändung der Gebeine ihrer Ahnen zu stoppen und auch den vorliegenden
       Abkommensentwurf zwischen Deutschland und Namibia über die Anerkennung des
       Völkermords zu revidieren. Die Grünen-Abgeordnete Deborah Dühring hat
       daraufhin gesagt, es sei wichtig, „die Bedenken und Kritik der direkten
       Nachfahren der betroffenen Herero und Nama ernstzunehmen“.
       
       Ihr Parteifreund Ottmar von Holz fügte hinzu, es bestehe in Deutschland
       immer noch ein Mangel an Reflexion über die Auswirkungen der eigenen
       kolonialen Vergangenheit.
       
       Nach neun Jahren Verhandlungen über ein Versöhnungsabkommen zwischen
       Deutschland und Namibia kann heute festgestellt werden, dass weder Namibias
       Regierung noch die Nachfahren der Überlebenden des Völkermordes auch nur
       einen Cent Wiedergutmachung erhalten haben. Dafür aber haben deutsche
       Unternehmen begonnen, Namibias natürliche Ressourcen auszubeuten. „Grüne
       Energie“ für Deutschland bedeutet, in Namibia Opfer zu bringen.
       
       Das erste Opfer ist der Nationalpark Tsau-Khaeb, dem droht, in ein
       Industriegebiet verwandelt zu werden, wo giftiges Ammoniak hergestellt
       wird, das die lokale Flora und Fauna töten und die Küstengewässer
       verseuchen könnte.
       
       ## Namibier müssten Miteigentümer sein
       
       Das zweite Opfer sind die sterblichen Überreste der Herero und Nama auf
       Shark Island. Statt auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers
       eine Gedenkstätte zu errichten, erweitern die Deutschen den Hafen für den
       Ammoniakexport. Berlin spricht von Wiedergutmachung für den Völkermord,
       aber setzt ihn fort, indem es Gräber für Profit zerstört.
       
       Können wir das hinnehmen? Wird das namibische Volk den Deutschen erlauben,
       ihre Verbrechen fortzusetzen? Werden die Völker Afrikas weiter hinnehmen,
       dass ihr Reichtum zugunsten Europas geplündert wird? Niemand wird sich um
       Afrika kümmern, wenn Afrikaner es nicht selbst tun.
       
       Nötig wäre jetzt, den Bau von Industrieanlagen im Nationalpark zu stoppen,
       ebenso die Zerstörung von Herero- und Nama-Gräbern. Die Nachfahren der
       Völkermordopfer müssen eine gerechte Entschädigung erhalten und [3][vor
       allem das Land zurückerhalten, das ihnen damals genommen wurde und bis
       heute weitgehend im Besitz deutscher Siedler ist.]
       
       Deutsche Investoren sollten darüber hinaus verpflichtet werden, Namibiern
       einen fairen Anteil an all ihren Investitionsprojekten in Namibia zu
       gewähren. Namibier sollten Miteigentümer sein, nicht billige Arbeitskräfte.
       Und Industrieanlagen auf namibischem Boden sollten unabhängig auf mögliche
       ökologische Auswirkungen überprüft werden. Saubere Meere, sauberes Land und
       saubere Luft sind das Erbe, das unser Volk seinen Kindern und Enkelkindern
       hinterlassen muss.
       
       26 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alfred Shilongo
       
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