# taz.de -- Künstliche Intelligenz als Suchmaschine: Besser als Google
       
       > Google war mal ein Geheimtipp, heute ist die Suchmaschine mit Anzeigen
       > und kommerziellen Inhalten überladen. Wie KI die Informationssuche
       > verändert.
       
 (IMG) Bild: Die Wunderkiste World Wide Web
       
       Internet-Veteran:innen erzählen manchmal aus einer Zeit Ende der 90er
       Jahre. Meistens geht diese Geschichte so: Man wurschtelte sich so durch, im
       immer noch recht neuen WWW. Dann kam plötzlich ein Freund oder eine
       Kollegin und sagte etwas wie: Hey, es gibt da diese neue Suchmaschine,
       damit findet man viel besser, was man sucht, probier die doch mal aus.
       
       Und auf einmal lag das Netz nicht mehr wie ein verwunschener Wald vor
       einem, in dem man mit Glück etwas finden konnte und sich mit Pech verirrte.
       Sondern klar, übersichtlich und sortiert. Dass die Bedienoberfläche dieser
       Suchmaschine ganz schlicht daherkam und sich als einzige Spielerei bunte
       Buchstaben erlaubte, passte ins Bild.
       
       Von diesem Google der Anfangsjahre ist heute – außer dem Namen – fast
       nichts mehr geblieben. Sie ist nicht mehr der Geheimtipp, sondern längst
       Marktführer unter dem Dach der Holding Alphabet. [1][Sogar den ikonischen
       Claim „Don’t be evil“ beerdigte das Unternehmen irgendwann
       stillschweige]nd.
       
       Und wer heute mit Google sucht, hat eher wieder das Gefühl, in einen Wald
       einzutauchen: einen Wald aus Anzeigen, Nonsens-Treffern, Bildern, mäßig
       transparent gekennzeichneten Werbeanzeigen, Buttons für mehr oder minder
       verwandte Suchanfragen und von der Suchmaschine selbst dazwischengemixten
       Fragen und Antworten.
       
       ## Niveau nicht zufriedenstellend
       
       „Studien zeigen ganz klar, dass Nutzer Anzeigen nicht als solche erkennen“,
       sagt Dirk Lewandowski, Professor an der Hochschule für Angewandte
       Wissenschaften Hamburg, der unter anderem zu Suchmaschinen forscht. Unter
       den ersten Suchtreffern platzierte Anzeigen und dass Google andere Dienste
       aus dem eigenen Haus bevorzuge, beeinflussten die Suchergebnisse
       maßgeblich.
       
       Das ist nicht unbedingt zum Vorteil der Nutzenden. „Das Niveau von Google
       ist ganz klar nicht zufriedenstellend“, sagt Janek Bevendorff. Er forscht
       an der Universität Weimar und hat mit drei Kollegen in einer Studie nach
       den Gründen für den gefühlten Qualitätsverlust gesucht.
       
       Dafür haben sie ein Jahr lang die Suchergebnisse für knapp 7.400
       Produktrezensionsanfragen ausgewertet. Gesucht wurden zum Beispiel die
       besten Kopfhörer oder das beste Buchstabenspielzeug. „Unsere Ergebnisse
       zeigen, dass alle Suchmaschinen erhebliche Probleme mit hochoptimierten
       (Affiliate-)Inhalten haben – mehr, als repräsentativ für das gesamte Web
       ist“, heißt es in der Studie.
       
       ## Ein Katz-und-Maus-Spiel
       
       Affiliate-Inhalte sind Links zu Hersteller:innen oder Händler:innen,
       über die die Nutzer:innen ein Produkt direkt bestellen können. Wer den
       Link auf seiner Seite einbaut, bekommt eine Provision für die Vermittlung.
       Traditionell sind solche Links eine Einnahmequelle zum Beispiel für
       Blogger:innen. Doch die Studie kommt zu dem Schluss: Von den Seiten mit
       Produktbewertungen nutze nur ein kleiner Teil Affiliate-Links. Allerdings
       seien diese Links in der Mehrzahl der ausgewerteten Suchergebnisse zu
       finden.
       
       Nutzer:innen finden also weniger hilfreiche Inhalte, vielleicht zur
       Stiftung Warentest, zu Technikmagazinen oder zu Blogger:innen, die auf
       bestimmte Produkte spezialisiert sind und diese umfangreich testen. Sondern
       eher zu Seiten, auf denen sich kurze Beschreibungen oder auch nur Eckdaten
       zu Produkten finden, kombiniert mit Affiliate-Links – und daneben oder
       darunter Texte, deren Nutzwert gering ist, die aber eine möglichst breite
       Spanne potenzieller Suchbegriffe abdecken sollen.
       
       Bei Google scheint man sich des Problems bewusst zu sein. Jedenfalls haben
       die Studienautoren im Verlauf des Jahres bemerkt, dass Google zwischendurch
       seinen Such-Algorithmus updatet, was zeitweilig für eine Verbesserung
       sorgt. Doch die Studie zeigt: Die Anbieter ziehen nach. Ein
       Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Suchmaschine verliere – so das Fazit der
       Studie. Und damit die Nutzer:innen.
       
       ## Google arbeite an besserer Qualität
       
       Darüber hinaus kommt es zu Kollateralschäden. Denn auch seriöse und
       hilfreiche Anbieter nutzen teilweise Affiliate-Links. So berichtete Ende
       Mai die BBC von einem Paar, das sich im Netz mit dem Testen von Luftfiltern
       einen Namen erarbeitet und auf der Basis ein kleines Unternehmen aufgebaut
       hat, das Luftfilter-Tests veröffentlicht.
       
       Einnahmen kamen auch hier durch die Affiliate-Links – 3 Prozent Provision
       können sich bei teuren Geräten schnell summieren. Eines der jüngsten
       Algorithmus-Updates habe die Webseite in den Suchtreffern nun nach unten
       verbannt. Durch die sinkende Zahl an Besucher:innen auf der Seite seien
       die Einnahmen durch die Affiliate-Links stark gesunken, einem Teil der
       Belegschaft sei daher gekündigt worden. „Wird Google das Netz retten oder
       zerstören?“, fragt BBC-Autor Thomas Germain.
       
       Das Unternehmen selbst verweist auf taz-Anfrage zu einem Blogbeitrag zu dem
       Thema. „Wir nehmen algorithmische Verbesserungen an unseren zentralen
       Ranking-Systemen vor, um sicherzustellen, dass wir die hilfreichsten
       Informationen im Web anzeigen“, schreibt Elizabeth Tucker, Leiterin des
       Produktmanagements, darin. Google arbeite daran, „neu aufkommenden
       Mechanismen entgegenzutreten, die darauf abzielen, unsere Ergebnisse mit
       Inhalten von geringer Qualität zu manipulieren“.
       
       ## Enge Partnerschaft mit Microsoft
       
       Die Qualitätsprobleme fallen in eine Zeit, in der sich die
       Suchmaschinen-Anbieter ohnehin mit einem potenziellen neuen Konkurrenten
       konfrontiert sehen: künstlicher Intelligenz. Wer etwa nach einem Rezept für
       eine bestimmte Auswahl an Zutaten sucht, das bitte vegetarisch und
       glutenfrei sein soll, ist heute schon bei ChatGPT besser aufgehoben als bei
       Google und Co.
       
       Ebenso, wer eine Empfehlung für einen gemeinsamen Filmabend möchte – und
       die cineastischen Präferenzen der Teilnehmenden eingibt. [2][Mit solchen
       komplexen Anfragen tun sich die klassischen Suchmaschinen schwer, große
       Sprachmodelle wie das hinter ChatGPT scheinen sie aber gut] zu bewältigen.
       
       Das Ausmaß der Verschiebung ist jetzt schon Gegenstand von Prognosen: Das
       Analyseunternehmen Gartner geht davon aus, dass der Traffic der
       Suchmaschinen bis 2026 um 25 Prozent zurückgehen wird – weil Menschen
       vermehrt KI und andere virtuelle Assistenten nutzen.
       
       Google und Bing halten dagegen mit einer Strategie der Umarmung:
       [3][Microsoft hat mit einer Investition in OpenAI] für eine enge
       Partnerschaft gesorgt und drückt seinen KI-Assistenten Copilot in den
       Markt. Und Google versucht, mit einem eigenen Sprachmodell Fuß zu fassen –
       bislang allerdings mit durchwachsenem Ergebnis.
       
       Und noch etwas ändert KI: Inhalte, als Text oder Bild, lassen sich mit
       deutlich geringerem Aufwand in deutlich größerer Menge erstellen. Schon
       jetzt ist bei den inhaltsarmen Texten auf vielen Affiliate-Link-Seiten
       unklar, ob sie von einem Menschen oder einer Maschine stammen.
       
       Das könnte zu einer paradoxen Situation führen. Denn die neuen
       [4][KI-Funktionen in Suchmaschinen] oder auch ChatGPT brauchen für das
       Training ihrer dahinter liegenden Sprachmodelle große Mengen Text. Den
       ziehen sie vor allem aus dem Internet. Nimmt die Menge an KI-generierten
       Inhalten dort zu, werden auch die Sprachmodelle vermehrt damit trainiert
       werden.
       
       ## ChatGPT als Torwächter
       
       Und es geht noch eine Stufe weiter: Je mehr mithilfe von KI nach
       Empfehlungen für Produkte oder Dienstleistungen gesucht wird, desto
       vehementer werden Unternehmen dafür sorgen wollen, dass sie von den
       KI-Modellen gut bewertet werden.
       
       Im Gegensatz zu Suchmaschinen, die auf der ersten Seite immerhin rund ein
       Dutzend Treffer ausspucken, generiert ChatGPT, nach Empfehlungen für ein
       Produkt gefragt, in der Regel eine Handvoll Ergebnisse. ChatGPT wirkt damit
       als Gatekeeper – also als eine Art Torwächter, der darüber entscheidet,
       welche Inhalte Nutzer:innen erhalten – noch stärker selektierend.
       
       Firmen, die es an diesem Torwächter vorbeischaffen wollen, müssen also das
       Netz, das die KI-Bots für die Trainingsdaten durchforsten, mit für sie
       vorteilhaften Texten inklusive Produktnennungen fluten. Und es ist gut
       möglich, dass auch ein guter Teil dieser Texte wieder mithilfe von KI
       generiert wurde. In dieser Logik sind die Nutzer:innen nur noch
       Datenquelle und Stichwortgeber:innen für das Generieren von
       kommerziell optimierten Inhalten.
       
       Gartner sagt übrigens voraus, dass KI eher zu besseren Suchmaschinen führen
       werde. Die Unternehmen würden menschengemachte Inhalte, etwa gekennzeichnet
       durch entsprechende Wasserzeichen, höher ranken. Bevendorff ist da
       pessimistischer: „Wenn Google da nicht massiv gegensteuert, wird die
       Qualität weiter sinken.“ Schließlich bleibe das Interesse der Anbieter: mit
       möglichst wenig Aufwand möglichst viel Sichtbarkeit schaffen.
       
       12 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Google-Gruender-treten-ab/!5643774
 (DIR) [2] /Suche-nach-der-perfekten-Serie/!6017688
 (DIR) [3] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/microsoft-openai-chatgpt-investition-101.html
 (DIR) [4] /Chatbots-und-Google/!5912238
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
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