# taz.de -- Deutschlands Migrationspolitik: Einmal mit Profis
       
       > Die Regierung verschärft ihre Asylpolitik immer weiter und die Zustimmung
       > für die AfD steigt. Leute, das ist doch keine gute Strategie.
       
 (IMG) Bild: Demonstration gegen Abschiebungen im Juni 2024 in Potsdam
       
       Lange dachte ich, Politik sei ein Geschäft von Profis. Dass ich also
       Überzeugungen eines Politikers nicht teilen muss, um anzuerkennen: Diese
       Forderung verfolgt eine politische Strategie und ist handwerklich gut, auch
       wenn ich nicht die Zielgruppe bin. So wie ich bei einer Schlagzeile in der
       Bild-Zeitung mitunter auch nicht sofort denke, dass sie moralisch
       verwerflich ist, sondern: Das ist eine gute Schlagzeile.
       
       Doch meine Überzeugung, es mit Profis zu tun zu haben, schwindet. Nehmen
       wir etwa an, man habe kein moralisches Problem mit [1][härterer
       Migrationspolitik]. Sollte man nicht trotzdem ins Grübeln kommen und bei
       der nächsten Sitzung des Parteivorstands sagen: Leute, das ist keine gute
       Strategie?
       
       In der Migrationspolitik gibt es nur eine Richtung, man kennt sie von der
       Band Scooter: schneller, härter, Ampel. Bezahlkarten, gemeinsames
       europäisches Asylsystem, Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan,
       Asylverfahren in Drittstaaten. Das Ergebnis: schlechte Wahlergebnisse, gute
       für die AfD, Geburtshilfe für [2][das BSW], das strengere Migrationspolitik
       will. Man kann auch noch in andere Länder schauen, nach Großbritannien
       etwa, wo voraussichtlich ein Ministerpräsident abgewählt wird, der seinen
       Bürgern versprochen hat, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern.
       
       Wenn meine Kinder beim Toben mit dem Kopf gegen die Wand rennen, schreien
       sie. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie den Fehler ein weiteres Mal
       machen. Nennt sich Lernen durch Versuch und Irrtum. Die Ampel dagegen
       reagiert mit der brillanten Analyse, [3][dass es jetzt schneller und härter
       gehen muss]. Das ist entweder strategisch doof. Oder die Regierung handelt
       aus Überzeugung. Ersteres wäre erschreckend, letzteres gruselig.
       
       Nun plant die Regierung, dass abgeschoben werden soll, wer Terror
       verherrlicht. Und das, so das erklärte Ziel, auch ohne Verurteilung. Dabei
       ist es nicht immer einfach, Terrorverherrlichung von freier
       Meinungsäußerung zu unterscheiden. Wenn zum Beispiel ein Hamburger
       Bürgermeister behauptet, bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in seiner
       Stadt habe es „keine Polizeigewalt gegeben“, ist das dann noch eine unwahre
       Meinungsäußerung oder schon Verharmlosung von Gewalt? Wie gut, dass Olaf
       Scholz einen deutschen Pass hat!
       
       Wenige Monate nach dem großen Aufstand gegen rechts, summt die Regierung
       [4][das Sylt-Lied] – man muss nur hinhören. Im Februar freute man sich,
       dass Scholz und sogar ein paar Unioner zu den Demokratiedemos kamen. Am
       Wochenende sind Proteste gegen den AfD-Parteitag geplant. Dort kann ich auf
       Vertreter demokratischer Parteien, die ausführen wollen, wovon drinnen
       geträumt wird, verzichten.
       
       Die Bild bezeichnete die Migrationspolitik in dieser Woche übrigens als
       „ABSCHIEBE-BLA-BLA“, was eine handwerklich gute Zeile ist. Denn sie fasst
       kurz und knapp zusammen: All die Ankündigungen sind rechtlich schwer
       umsetzbar, und wenn, dann Symbolpolitik.
       
       Wie wohltuend es wäre, würde sich Olaf Scholz hinstellen und sagen:
       Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft und liegt mitten in Europa.
       Es wird sich nicht ändern, dass viele Menschen zu uns kommen wollen. Wer
       Ihnen etwas anderes verspricht, der lügt. Auch Abschiebungen werden
       furchtbare Taten von Einzeltätern nicht verhindern.
       
       Wir können dankbar sein, dass immer noch viele Menschen kommen wollen, wir
       brauchen sie dringend. Denn nur über Fachkräftezuwanderung kommen nicht
       genug, dafür ist unsere Sprache zu blöd, unsere Verwaltung zu langsam und
       viele Mitbürger leider zu rassistisch. Damit das Zusammenleben besser
       gelingt, brauchen wir dringend massive Investitionen in Integration,
       Schulen, Wohnraum.
       
       Einen Versuch wäre es wert, oder?
       
       30 Jun 2024
       
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