# taz.de -- Neues Album von US-Indieband DIIV: Gute, böse und kochende Frösche
       
       > Die New Yorker Indierockband DIIV geht auf ihrem neuen Album „Frog In
       > Boiling Water“ allerlei Verschwörungsmythen und US-Volkssagen nach.
       
 (IMG) Bild: Ordentlich Dioptrin unter der Haube: DIIV
       
       Im Allgemeinen machen wir uns wahrscheinlich wenig Gedanken über das
       Wohlbefinden von Fröschen. Dabei scheint es dem kleinen glitschigen Getier
       nicht besonders gut zu gehen. Okay, Frösche sind auf Verkehrswarnschildern
       zu sehen, das aber auch nur, weil sie überproportional oft von Fahrzeugen
       überfahren werden.
       
       Sie müssen seit 2016 zudem für die Alt-Right-Bewegung als Meme herhalten,
       und wenn sie mal geküsst werden, verwandeln sie sich in einen aufrecht
       gehenden Zweibeiner, der sich mit solch trivialen Dingen wie
       Steuererklärungen und Lohnarbeit befassen muss.
       
       Manchmal dient der Frosch auch als Grundlage für empirisch begründete
       Metaphern und kann damit wenigstens einen kleinen Gewinn im popkulturellen
       Feld für sich verbuchen. „Frog in Boiling Water“ heißt das neue,
       mittlerweile vierte Album der US-Shoegaze-Dreamgrungeband DIIV. Ob das
       seine Frösche glücklich macht? Man weiß es nicht. Obwohl, wenn sie das
       Album hören könnten, dann vielleicht schon.
       
       ## Roman von Ökoliterat Quinn
       
       DIIV, die Indieband aus dem New Yorker Stadtbezirk Brooklyn, bezieht sich
       nach eigenen Aussagen mit ihrem Albumtitel auf ein Kapitel des 1996
       erschienenen philosophischen Romans „The Story of B“ des Öko-Literaten
       Daniel Quinn.
       
       Die Metapher des Froschs im kochenden Wasser existiert aber schon länger
       und besagt, dass ein Frosch, der in kochendes Wasser gesetzt wird, alles
       unternehmen würde, um diesem zu entkommen. Setzt man einen Frosch
       allerdings in kaltes Wasser und bringt dieses langsam zum Kochen, dann
       verfällt er in eine Art Schockstarre und bleibt bis zu seinem Tod darin
       sitzen. So weit, so wenig subtil.
       
       Denn worauf DIIV damit hinauswollen, dürfte klar sein. Klimakatastrophe,
       Turbokapitalismus, Kriege. Und alle fallen in eine kollektive Schockstarre.
       
       ## Musik klingt nicht problembeladen
       
       Die Musik auf „Frog in Boiling Water“ klingt aber gar nicht problembeladen.
       Anders als seine Vorgängeralben, aber auch anders als der Titel es
       suggerieren würde. Es gibt nicht die großen Hits, wie „Blankenship“ oder
       „Doused“, aber die hat die Band ja auch schon geliefert. Das Album ist vor
       allem eines: [1][ein Referenzmonster, das klingt wie aus einem Guss.] Ob
       Film, Literatur oder Musik, es scheint, als haben die vier Künstler alles,
       was sie jemals an Kultur konsumiert haben, in die Songs eingewebt.
       
       So ist die Geisteshaltung des Protagonisten von „Everyone out“ [2][geprägt
       vom Willen nach einem gesellschaftlichen Umsturz, der es ihm ermöglicht,
       selbst die Macht an sich zu reißen. Ist damit etwa Trump gemeint?] DIIV
       verweisen im Songtext konkret auf Post-Humanismus und Akzelerationismus.
       
       Das erläutert die Band in ihrem eigenen Podcast „The DIIV Podcast“ (Warum
       ist denn hier niemand auf „Deep-DIIV“ als Titel gekommen?), in dem sie
       ohnehin viel Wissenswertes um die Musik herum mitteilt. Beispielsweise,
       dass einige Sounds des Songs mit einem Kasettenrekorder in der Wüste
       aufgenommen wurden. Ob das aber nun Froschlaute oder Vogelstimmen waren, da
       ist man sich Band-intern uneinig. Es klingt aber eher nach Vogelgezwitscher
       als nach Froschgequake.
       
       ## Vom Podcast zur Website
       
       Der Podcast ist nicht das einzige Begleitmaterial zu „Frog in Boiling
       Water“. Zur Vorabsingle „Soul-net“ hat die Band eine Website angelegt, die
       beim Ansteuern wirkt, als befinde man sich mitten in den tiefsten
       Gehirnwindungen eines Verschwörungsideologen, der zugleich auch noch
       Online-Marketing betreibt: kein schöner Ort. Und genau diese Themen
       behandelt der Songtext auch. Die Omnipräsenz von Werbung im Alltag und
       Verschwörungsmythen als Ersatzreligion.
       
       Wunderbar verkopft ist die Musik von DIIV und trotzdem entlässt sie die
       Hörerin beschwingt aus der Realität, obwohl es selbige zum Thema macht.
       Womöglich ist es das konsequenteste und demokratischste Album der 2011
       gegründete Band bis dato. An nahezu keiner Stelle überlagert ein Instrument
       das andere und auch der Gesang von Zachary Cole Smith ist darauf angelegt,
       sich in diese Entität zu integrieren.
       
       DIIV können zwar den Herd mit dem Topf voll kochendem Wasser nicht
       ausstellen, bauen dem Frosch, der darin sitzt, aber einen kleinen Hochsitz,
       auf dem er die Geschehnisse beobachten und in Ruhe „Frog in Boiling Water“
       hören kann. Die Amphibien werden es ihnen danken.
       
       21 Jun 2024
       
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