# taz.de -- Prozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß: Dritter Prozess gegen Truppe Reuß​
       
       > Am Oberlandesgericht München startet der Prozess gegen die
       > Verschwörertruppe. Mit dabei: ein Automechaniker, Juristen und eine
       > Astrologin.
       
 (IMG) Bild: Ein mutmaßliches Mitglied der Verschwörergruppe am 18. Juni im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts München
       
       München taz | Nach den beiden Verfahren in Frankfurt und Stuttgart hat nun
       vor dem 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München auch der dritte
       Prozess gegen die Verschwörertruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen.
       Die Männer und Frauen hatten nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft den
       Staatsumsturz geplant, wollten unter anderem den Bundestag stürmen. Nachdem
       sie aufgeflogen waren, wurden 26 Mitglieder der Terrorgruppe bei einer
       internationaler Razzia im Dezember 2022 festgenommen. Acht von ihnen, sechs
       Männer und zwei Frauen, müssen sich seit Dienstag in München vor Gericht
       verantworten.
       
       Die Angeklagten werden allesamt in Handschellen vorgeführt. Der Prozess
       findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Sitzungssaal A 101 statt. Er
       wird in der Regel bei Verfahren von besonderem medialen Interesse gewählt,
       auch der NSU-Prozess wurde hier verhandelt. Es ist der größte Saal, den das
       Münchner Justizzentrum zu bieten hat. Trotzdem wird es ganz schön eng: Es
       drängen sich rund fünf Dutzend Menschen im Saal – Zuschauer nicht
       mitgerechnet.
       
       Bevor die Generalbundesanwaltschaft mit der Verlesung der Anklageschrift
       beginnen kann, müssen Justizbeamte erst einen Mann von der Zuschauertribüne
       entfernen, der plötzlich wüste Beschimpfungen in den Saal brüllt, von denen
       allerdings nur ein paar derbe Wortfetzen zu verstehen sind.
       
       Die Liste der Straftatbestände, die die Generalbundesanwaltschaft den
       Angeklagten vorwirft, ist lang und hat es in sich: Gründung und
       Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Bildung einer
       kriminellen Vereinigung, Vorbereitung eines hochverräterischen
       Unternehmens, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat,
       diverse Verstöße gegen das Waffengesetz.
       
       ## Reichsbürger und QAnon
       
       Auf der Anklagebank scheint die Stimmung aber dennoch eher gut zu sein.
       Christian W. etwa aus dem sächsischen Olbernhau, der als „Waffen- und
       Zeugmeister“ der Gruppe fungiert haben soll, lacht immer wieder, schüttelt
       auch mal den Kopf oder tauscht Blicke mit Thomas M. aus. Die übrigen
       Angeklagten verfolgen die Verlesung der Anklageschrift zwar ohne
       offensichtliche Reaktionen, tuscheln aber von Zeit zu Zeit ebenfalls mit
       ihren Verteidigern und wirken alles in allem eher entspannt.
       
       Es ist eine recht bunte Truppe, die da zwischen den vielen Anwälten in
       ihren schwarzen Roben Platz genommen hat. Vom Juristen über den
       Kfz-Mechaniker, die Ärztin und den Softwareentwickler bis hin zur
       Astrologin. Einer trägt einen dunkelblauen Anzug und lässt seinen Anwalt
       zuallererst klären, wie er trotz Sicherheitsvorkehrungen zu einer Packung
       Minz-Bonbons gelangen kann, ein anderer sitzt im kurzärmligen,
       rot-weiß-karierten Hemd da und putzt seine Brille.
       
       Alle Angehörigen der Vereinigung habe eine abstruse Ideologie verbunden,
       führen die Vertreter der Generalbundesanwaltschaft aus. Basiert habe sie
       auf Reichsbürger-Gedankengut und QAnon-Narrativen. Sie hätten an den „Deep
       State“ geglaubt, pädophile Eliten, die die Welt beherrschten und auch in
       Deutschland die staatlichen Institutionen unterwandert hätten. In
       unterirdischen Tunnelkomplexen hielten sie Kinder gefangen, um aus deren
       Körpern ein Verjüngungselixier zu gewinnen.
       
       Um den „Deep State“ zu stürzen, plante die Gruppe nun offenbar, mit einer
       bewaffneten Gruppe den Bundestag zu stürmen und Abgeordnete, möglichst auch
       Mitglieder der Bundesregierung festzunehmen. Dabei sollen die Mitglieder
       der Gruppe in Kauf genommen haben, Menschen zu verletzen und zu töten. Das
       Ganze waren aber nicht nur absurde Gedankenspiele. Um sich auf den Einsatz
       in Berlin vorzubereiten, habe man auch schon Mitglieder der Gruppe bei
       einem Schießtraining auf einer ehemaligen Standortschießanlage der
       Bundeswehr in Goldkronach ausgebildet.
       
       Bei Thomas T. aus Franken, der rechten Hand von Prinz Reuß, soll Ende Juli
       2021 die Gründungsversammlung der Gruppe stattgefunden haben. Reuß hätte
       nach dem Plan der Vereinigung nach einem Umsturz Oberhaupt eines wie auch
       immer gearteten Staates werden sollen. Er steht derzeit mit den anderen
       mutmaßlichen Rädelsführern in Frankfurt vor Gericht.
       
       ## Astrologische Eignungsprüfung
       
       So hatte jeder seine Funktion. Ein weiterer Angeklagte habe in einer neuen
       Regierung die Militärgerichtsbarkeit übernehmen sollen. Bei den erwarteten
       Urteilen gegen die Repräsentanten des „Deep State“ habe auch die
       Todesstrafe zum Einsatz kommen sollen. Tim Paul G. habe so etwas wie
       Außenminister werden und erstmal alle völkerrechtlichen Verträge kündigen
       sollen, Melanie Andrea R. wäre für das Ressort Gesundheit zuständig
       gewesen. Vor ihren Mitstreitern hielt sie regelmäßig Vorträge über Corona,
       etwa über die angebliche Auswirkung der Coronaimpfung auf den vorderen
       Hirnlappen.
       
       Ruth Hildegard L. ihrerseits soll sehr fleißig bei der Rekrutierung neuer
       Mitglieder gewesen sein. Dass die angeklagte Astrologin auch dafür
       zuständig gewesen sein soll, anhand von Geburtsdaten und ähnlichen
       Kriterien die spirituelle Eignung des Führungspersonals zu überprüfen,
       klingt ja noch lustig oder zumindest skurril. Dass die Truppe es ernst
       meinte, ergibt sich jedoch beispielsweise aus dem Waffenarsenal, das die
       Polizei sicherstellte. Die Zahl der Waffen geht zumindest in die Hunderte.
       
       Allein beim Angeklagten Frank R. fand man eine Bockflinte Mercury Light,
       ein Gewehr vom Typ 308 Winchester Bergara BA 13 TD, eine Repetierbüchse
       Carl Gustafs 1915, zwei Revolver, ein Bajonett, diverse Bleikugelgeschosse,
       drei Vorderladergewehre, eine Vorderladerpistole und ein Federdruckgewehr.
       Harald P. wiederum hielt für den Angriff auf den Bundestag stets eine
       „Einsatztasche“ bereit. Inhalt: eine schwarze Uniform, zwei Sturmhauben,
       ein Gefechtshelm, eine schusssichere Weste, ein Pistolenholster, zwei
       Messer und zehn Kunststoffhandschellen.
       
       Für den Mammutprozess hat das Gericht Termine bis Januar anberaumt. Eine
       Verlängerung ist möglich.
       
       19 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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