# taz.de -- Todestag von Walter Lübcke: Ein Vorbild – gerade heute
       
       > Vor fünf Jahren wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke
       > erschossen. Seine Familie appelliert, neuem Hass entgegenzutreten.
       
 (IMG) Bild: Mit bunten Ballons für die Demokratie: Gedenkfeier für Walter Lübcke vor der Martinskirche in Kassel
       
       Kassel/Berlin taz | Erst vor wenigen Tagen meldete sich [1][die Familie von
       Walter Lübcke] zu Wort. „Mit Entsetzen“ schaue sie auf die [2][aktuellen
       Angriffe auf Politikerinnen und Politiker], auf Drohungen im Internet oder
       Gewalttaten, teilte ihr Sprecher mit. „Gerade, weil die Familie Lübcke
       erlitten hat, wie aus Worten Taten werden.“ Es müsse „deutlich mehr“ für
       den Schutz der politisch Engagierten getan werden, der Rechtsstaat „mit der
       notwendigen Härte gegen die Täter vorgehen“, appellierte die Familie.
       „Leidvoll“ habe man erfahren, wie es sei, wenn dieser Schutz nicht gegeben
       sei. Und die Familie appellierte auch an die Bedrohten: Sie sollten sich
       „nicht von den Angriffen einschüchtern zu lassen“. „Sie sind nicht allein.“
       
       Am Sonntag nun saß die Familie von Walter Lübcke – seine Witwe Irmgard
       Braun-Lübcke, seine beiden Söhne Christoph und Jan-Hendrik – in der
       Martinskirche in Kassel, zur Gedenkfeier an den Mord an ihrem Vater vor
       fünf Jahren, [3][in der Nacht zum 2. Juni 2019]. Der Rechtsextremist
       Stephan Ernst hatte Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen
       Istha bei Kassel erschossen, womöglich mit einem Komplizen. Er handelte aus
       aufgestautem Hass, nachdem sich der CDU-Politiker als Kasseler
       Regierungspräsident für Geflüchtete eingesetzt hatte.
       
       Die Tat ist bis heute ein Fanal – und fällt in eine [4][Zeit, in der wieder
       Wahlkämpfende bedroht und angegriffen werden]. Darin erinnerte in der
       Martinskirche auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor mehreren
       hundert Anteilnehmenden. Lübcke habe in einer damals aufgeheizten Stimmung
       die Mitmenschlichkeit und Grundwerte verteidigt, er würde es auch heute
       tun, erklärte Steinmeier. Er sei „ein Held des Tuns“. Der Mord an Lübcke
       sei Terror gewesen. Ob er hätte verhindert werden können, wisse man nicht.
       Aber der Staat habe „nicht genug getan, um die Gefahr abzuwenden“, räumte
       Steinmeier ein. Es sei ein „Versäumnis des Staates, die furchtbare Gefahr
       des Rechtsterrorismus in ihrer ganzen Dimension zu erkennen“.
       
       Steinmeier appellierte, auch heute brauche es „Geschlossenheit im Kampf
       gegen den rechten Terror“ und Widerspruch im Alltag. Rechtsextremismus sei
       „[5][salonfähig, ja partyfähig geworden]“, er reiche bis in die Parlamente.
       An Gewalt in der politischen Auseinandersetzungen „dürfen wir uns nicht
       gewöhnen“. Die Bedrohten verdienten „jeden möglichen Schutz“. Auch brauche
       es politische Bildung, einen „reaktionsschnellen“ Rechtsstaat und
       Zusammenhalt der Gesellschaft. Walter Lübcke wäre heute hier „dabei
       gewesen“, erklärte Steinmeier. „Wir bräuchten ihn jetzt hier unter uns.
       Nehmen wir ihn uns zum Vorbild.“
       
       ## Auch Scholz fordert Widerspruch gegen Hetze ein
       
       Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte am Sonntag, der Mord an
       Lübcke erschüttere ihn bis heute. Und auch er mahnte angesichts der zuletzt
       vom Bundeskriminalamt gezählten [6][gut 60.000 politischen Straftaten im
       Jahr 2023], dass solche Taten konsequent verfolgt und „überall auf
       Widerspruch stoßen“ müssten. Die Mehrheit der Anständigen müsse
       „unüberhörbar“ sein.
       
       Die Familie von Walter Lübcke sprach am Sonntag in der Martinskirche nicht.
       Aber sie hatte ihr Botschaft schon vorher veröffentlicht. Es gebe keinen
       Tag, an dem die Gedanken der Familie nicht bei Walter Lübcke seien,
       erklärte ihr Sprecher. Doch das Leben gehe weiter, es gebe inzwischen fünf
       Enkel. Die Familie lebe weiter im Haus in Istha, weil sie sich in der
       Dorfgemeinschaft geborgen fühle.
       
       Und auch das Vermächtnis von Walter Lübcke lebt weiter. Nach der
       Gedenkfeier wurde vor der Martinskirche ein Demokratiefest gefeiert, 500
       bunte Luftballons stiegen in den Himmel. In der Kirche sprachen zuvor auch
       Schüler*innen der umbenannten Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen. Dort
       werden nun Demokratietage begangen. Und in der Stadt Wolfhagen, zu der der
       Ortsteil Istha gehört, wird demnächst ein Theaterstück aufgeführt zu Walter
       Lübcke. Der Titel: „Man muss für seine Werte eintreten“.
       
       2 Jun 2024
       
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