# taz.de -- Rafah zur Evakuierung aufgerufen: Israel bereitet Bodenoffensive vor
       
       > Mit Flugblättern und SMS fordert das israelische Militär die Bewohner im
       > Osten Rafahs zur Evakuierung auf. Die Hamas stimmt einem Waffenruhe-Deal
       > zu.
       
 (IMG) Bild: Vom Regen in die Traufe: ein palästinensisches Kind in Rafah am 6. Mai, das für eine Bodenoffensive geräumt werden soll
       
       Jerusalem taz | Die Kamera hält auf einen Strudel von Flugblättern, die vor
       einem wolkenverhangenen Himmel zu Boden segeln, und schwenkt dann über eine
       Häuserfront weiter nach unten auf eine Straße. Immer mehr Kinder kommen ins
       Bild, sie rufen und scheinen in Richtung des Orts zu laufen, wo die Blätter
       den Boden erreichen werden.
       
       Es ist eines von vielen Videos in den sozialen Medien, die wohl die
       Vorbereitungen für die israelische Bodenoffensive auf Rafah im Süden des
       Gazastreifens zeigen. Auf den Flugblättern werden die Bewohner des Ostens
       der Stadt aufgefordert, sich Richtung Norden zu begeben, in sogenannte
       humanitäre Zonen um das Dorf Al-Mawasi. Auch mit SMS und Medienansprachen
       auf Arabisch wurden die Menschen nach Angabe des israelischen Militärs zur
       Evakuierung aufgerufen.
       
       Nachdem das israelische Militär mit seiner Offensive ernst zu machen
       scheint, hat die Hamas nach eigenen Angaben einem Vorschlag für eine
       Waffenruhe in Gaza zugestimmt. Der Chef des Politbüros der Hamas, Ismail
       Hanija, soll die mit Israel im Geisel-Deal vermittelnden Staaten Ägypten
       und Katar am Montagabend darüber informiert haben. Der Deal sieht vor, dass
       im Tausch gegen Geiseln in Gaza palästinensische Gefangene aus israelischen
       Haftanstalten freikommen, und außerdem eine Gefechtspause vereinbart werden
       soll. Daran schieden sich bisher die Geister Israels und der Hamas: Die
       Terrogruppe bestand auf einen dauerhaften Waffenstillstand, Israel wollte
       sich lediglich auf eine temporäre Feuerpause einlassen.
       
       Der von der Hamas angenommene Vorschlag scheint für Israel allerdings nicht
       akzeptabel zu sein, berichtet die Nachrichtenagentur reuters. Es handle
       sich um einen „aufgeweichten“ ägyptischen Entwurf, in dem „weitreichende
       Schlussfolgerungen“ enthalten seien, denen Israel nicht zustimmen wolle,
       zitiert die Agentur einen israelischen Insider.
       
       ## Sorge um humanitäre Lage in Gaza
       
       In [1][Rafah] – eigentlich eine Stadt mit ca. 150.000 Einwohnern – haben
       seit Beginn des Krieges über eine Million Menschen Schutz gesucht, die aus
       dem restlichen Gazastreifen auf Aufforderung des israelischen Militärs nach
       Rafah geflohen waren. Was mit den Zivilistinnen und Zivilisten dort im
       Falle einer Offensive geschehen soll, war seit der ersten Ankündigung des
       israelischen Militärs vor Monaten ein Punkt großen Bedenkens – für
       [2][westliche Regierungen], wie auch für Hilfsorganisationen.
       
       Allein die Masse an Menschen erschwert eine Evakuierung. Und auch wenn die
       Menschen wieder flüchten, bleibt die Frage: Wohin? Große Teile der
       Infrastruktur und Gebäude des Gazastreifens sind zerstört, die Vereinten
       Nationen sprechen von 60 Prozent.
       
       Al-Mawasi, wohin die Menschen nun evakuiert werden sollen, ist der Aufnahme
       Hunderttausender Menschen noch weniger gewachsen als die Stadt Rafah. Auch
       das Hilfswerk Norwegian Refugee Council, das in den palästinensischen
       Autonomiegbieten aktiv ist, erklärte in einer Stellungnahme: „Das Gebiet
       ist bereits überfüllt und es fehlt an lebenswichtigen Infrastrukturen. Die
       Kapazitäten reichen nicht aus, um die Zahl der Menschen aufzunehmen, die
       derzeit in Rafah Zuflucht suchen.“
       
       Außerdem gebe es keine Garantie, dass die Menschen dort sicher seien. Auch
       der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die israelischen Pläne
       für Rafah. „Das Schlimmste“ sei zu befürchten, erklärte er auf X.
       
       ## Raketen aus Rafah auf israel
       
       Dass die israelische Regierung von einer Bodenoffensive in Rafah nicht
       ablassen würde, hatte sie mehrfach betont. Nach Angaben des Pressebüros der
       Regierung halten sich die vier noch verbliebenen Kampfbattalione der Hamas
       allesamt in Rafah auf. Ohne eine Eroberung der Stadt könne die
       Terrororganisation daher nicht besiegt werden. Schon in den vergangenen
       Tagen hatte Israel Soldaten an die Grenze zu Gaza verlegt.
       
       Dass es in der Stadt tatsächlich Kämpfer der Hamas gibt, hatten diese am
       Sonntagabend selbst bewiesen, als sie aus Rafah Raketen auf Soldaten nahe
       des Grenzübergangs Kerem Schalom zwischen Israel und Gaza abschossen, vier
       Menschen wurden getötet. Das israelische Militär bombardierte anschließend
       nach eigenen Angaben die Abschussstelle, dabei wurden nach
       palästinensischen Angaben mehrere Zivilistinnen und Zivilisten getötet,
       darunter auch Frauen und Kinder.
       
       Auch Ägypten scheint damit zu rechnen, dass die Offensive nun tatsächlich
       beginnt. Nach dem Aufruf des israelischen Militärs zur Evakuierung
       Ostrafahs hat das Land die Bereitschaft seines Militärs im nördlichen
       Sinai, der an Gaza grenzt, erhöht. Ägypten hatte mehrfach betont, dass es
       keine Evakuierung von Menschen aus Gaza auf sein Staatsgebiet zulassen
       werde.
       
       Hinweis: Nachdem die Hamas ihr Eingehen auf den Vorschlag zur Waffenruhe
       bekannt gab, haben wir einen entsprechenden Absatz im Text ergänzt.
       
       6 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Flucht-aus-Rafah-im-Gazastreifen/!5995717
 (DIR) [2] /Vereinigte-Staaten-im-UN-Sicherheitsrat/!5999635
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Schneider
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israel
 (DIR) Benjamin Netanjahu
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Gaza
 (DIR) Israel Defense Forces (IDF)
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Türkei
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Armee rückt auf Rafah vor
       
       Israel setzt Militäreinsatz in Rafah fort. Die Hamas soll Klauseln in einen
       Vermittlervorschlag eingefügt haben. Weiteres Treffen in Kairo geplant.
       
 (DIR) Israel schließt Büros von Al Jazeera: Regierung in „zweifelhaftem Club“
       
       Wegen „staatsgefährdender Aktivitäten“ wurde das Büro des TV-Senders in
       Ost-Jerusalem geräumt, Equipment beschlagnahmt. Kritik folgte prompt.
       
 (DIR) Krieg im Gazastreifen: Israel wehrt sich gegen Boykott
       
       Die Türkei will den Handel mit Israel so lange stoppen, bis die israelische
       Regierung einem Waffenstillstand im Gazastreifen zustimmt.
       
 (DIR) Geisel-Deal zwischen Israel und Hamas: „Bring them home“ – aber wie?
       
       Die Verhandlungen um Geiseldeal und Waffenstillstand geraten erneut ins
       Stocken. Denn was für Israel eine rote Linie ist, ist für Hamas Bedingung.