# taz.de -- Radio-Redakteur vor Gericht: Kann ein Link strafbar sein?
       
       > Radio Dreyeckland hat 2022 in einem Artikel die Archivseite der
       > verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia verlinkt. Nun steht der
       > Redakteur vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Redaktion von Radio Dreyeckland ohne durchsuchende Polizei
       
       Am Landgericht Karlsruhe beginnt heute der Prozess gegen [1][Fabian
       Kienert]. Der Redakteur des Freiburger Alternativsenders Radio Dreyeckland
       (RDL) soll durch den bloßen Internetlink die Fortführung einer verbotenen
       Vereinigung unterstützt haben. Ein Freispruch ist wahrscheinlich.
       
       Kienert hatte im Juli 2022 auf der RDL-Webseite einen Artikel
       veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale
       Agitations-Plattform [2][linksunten.indymedia] ging. Der Text endet mit dem
       lapidaren Satz: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als
       Archivseite.“ Dabei war die Archivseite auch verlinkt.
       
       Wegen dieses Links hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bereits im April
       2023 Anklage gegen Kienert erhoben. Er habe durch den Link die Fortführung
       der verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia unterstützt, was laut
       Paragraf 85 des Strafgesetzbuches strafbar ist. Kienert drohen laut Gesetz
       bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.
       
       Die Anklage wurde vom Landgericht Karlsruhe im Mai 2023 zunächst nicht
       zugelassen. Es sei nicht belegt, dass linksunten.indymedia fortbestehe und
       aktiv sei. Außerdem habe Kienert nur kritisch über das Verbot berichtet,
       aber die Vereinigung nicht in strafbarer Weise unterstützt.
       
       ## Sachverhalt im Kern nicht umstritten
       
       Doch das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ließ die Anklage im Juni 2023
       zu. Dass linksunten.indymedia trotz Verbot fortgeführt wurde, zeige schon
       das 2020 hochgeladene Archiv der Plattform. Kienerts Link auf das Archiv
       sei eine Unterstützung der Organisation, weil es ihm nicht um Information,
       sondern um Propaganda gegangen sei.
       
       Nun findet der Prozess gegen Kienert also statt. Am 18. April wird zunächst
       die Anklage verlesen. Das Landgericht hat insgesamt neun Verhandlungstage
       terminiert. Das ist erstaunlich, da der Sachverhalt im Kern nicht
       umstritten ist. Kienert hatte den Artikel mit seinem Kürzel FK
       gekennzeichnet. Im Januar 2023 räumte er gegenüber der Polizei auch ein,
       dass er der Autor ist – und wendete so eine Durchsuchung der
       RDL-Redaktionsräume ab.
       
       Im Prozess stellen sich vor allem rechtliche Fragen. Kann ein bloßer Link
       in einem journalistischen Text bereits als Unterstützung einer verbotenen
       Vereinigung gelten. Dass hier die Pressefreiheit berührt ist, liegt auf der
       Hand. Wo endet Information, wo beginnt Propaganda? Das OLG Stuttgart
       stellte darauf ab, dass Kienerts Text als Aufforderung und Ermunterung
       gewirkt habe, sich mit linksunten.indymedia zu solidarisieren.
       
       Ausdrückliche Formulierungen dieser Art finden sich freilich nicht im Text.
       RDL kritisierte denn auch, dass es möglich sein müsse, kritisch über ein
       Vereinsverbot zu berichten. Umstritten ist aber auch die Frage, wie eine
       verbotene und nicht mehr aktive Plattform überhaupt unterstützt werden
       kann. Das OLG Stuttgart sieht in der Veröffentlichung ein „Denkmal“ mit
       Dauerwirkung. Dass die Vereinigung derzeit nicht aktiv ist, habe vor allem
       taktische Gründe.
       
       ## Etwa eine Woche Arbeit
       
       Das Landgericht Karlsruhe ist an die Rechtsauffassung des OLG Stuttgart
       zwar nicht gebunden. Allerdings dürfte die Karlsruher Staatsanwaltschaft,
       die sich in diesem Verfahren stark engagiert, im Fall eines Freispruchs
       wohl in Berufung gehen und dann wäre wieder das OLG Stuttgart zuständig.
       
       Doch vielleicht kommt es auf die bisher diskutierten Fragen gar nicht an.
       Denn das Landgericht Karlsruhe hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen
       Ergebnis auch die Staatsanwaltschaft und das OLG beeindrucken könnten.
       
       Der Diplominformatiker York Yannakos vom Fraunhofer-Institut für sichere
       Informationstechnologie kam zum Ergebnis, dass jeder, der etwas
       programmieren kann, ein Archiv der Artikel veröffentlichen kann, die bis
       2017 auf linksunten.indymedia veröffentlicht wurden. Dies könne nicht nur
       die Gruppe selbst, sondern auch eine fremde Einzelperson. Man musste nur
       rechtzeitig vor dem Verbot anfangen, die rund 830.000 Texte zu sichern. Für
       die Einrichtung des Archivs sei etwa eine Woche Arbeit erforderlich
       gewesen. Die Aufrechterhaltung des Archivs, das sich inhaltlich ja nicht
       mehr ändert, sei kein großer Aufwand.
       
       Vor dem Hintergrund dieses Gutachtens dürfte die Existenz des Archivs nicht
       einmal ein Indiz für das Fortbestehen der Vereinigung sein. Wenn es aber
       keine Hinweise für die Fortführung der Vereinigung linksunten.indymedia
       gibt, dann kann sie auch nicht unterstützt werden, schon gar nicht mit
       einem bloßen Link. Ein Freispruch liegt also nahe.
       
       18 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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