# taz.de -- Nachruf auf Richard Serra: Das Erhabene und der Rost
       
       > Seine Skulpturen verändern den Maßstab der Wahrnehmung. Der Schöpfer
       > großer Skulpturen aus Stahl und Eisen ist gestorben.
       
 (IMG) Bild: Richard Serra bearbeitet eines seiner Kunstwerke im Jahr 1969
       
       Das Schlichte und das Erhabene, die minimalistische Form und die
       monumentale Ausführung – wie sich diese scheinbar gegensätzlichen Pole
       verbinden, das macht oft die Spannung in den Skulpturen von Richard Serra
       aus. Der US-amerikanische Bildhauer ist am Dienstag im Alter von 85 Jahren
       gestorben.
       
       In Berlin steht vor dem Eingang der Philharmonie [1][die „Berlin Junction“
       von Richard Serra], 1988 aufgestellt. Zwei hohe gebogene Stahlwände, in den
       Kurven leicht voneinander abweichend, bilden eine Schlucht, einen Gang. Der
       Wind klingt manchmal in den Wänden. Zwischen ihnen hört man zwar noch die
       Geräusche des Verkehrs, doch ist man für einen Moment auch aus dem Alltag
       ausgetreten. Der Blick nach oben, steil aufwärts, hat etwas von dem in
       einer Kathedrale. Aber auch in die Einsamkeit einer Schlucht kann man sich
       imaginieren.
       
       Richard Serra wurde 1938 als Sohn einer russischen Mutter und eines
       spanischen Vaters in San Francisco geboren. Er hatte Literatur studiert, in
       einem Stahlwerk und als Möbelpacker gejobbt. Stipendien brachten ihn nach
       Paris und Florenz, bevor er in den 1960er Jahren in New York mit Metall zu
       experimentieren begann. Zu seinen Freunden gehörte der Komponist Philip
       Glass: Beide verbindet ein Ansatz, der minimalistische Strukturen ins Große
       und Weite übersetzt.
       
       ## Etwas Verschwenderisches
       
       Viele von Serras Werken stehen im öffentlichen Raum, manchmal tatsächlich
       in der Weite einer Wüste, wie in Katar, öfter aber in Städten, wie in
       Basel, Amsterdam und Bilbao. Dort bringen sie etwas von der Landschaft in
       die Stadt, die Wahrnehmung verändert den Maßstab und versucht sich vom
       Nahen und Kleinteiligen zu lösen. Sie sind Landmarken, die in den bebauten
       Raum die Vorstellung von etwas anderem hineintragen. Das hat etwas durchaus
       Romantisches. Und auch Verschwenderisches im Umgang mit der Ressource Raum.
       
       [2][Die Debatten, die es um Serras Skulpturen im öffentlichen Raum gab, in
       New York 1981 zum Beispiel,] entzündeten sich teils an ihrer Größe, sie
       wurden als Störung wahrgenommen. Teils auch an dem Material Eisen, das
       rostet und Assoziationen zum Schrott erweckt. Für Serra gehörte der
       Verwitterungsprozess dazu, Teil der landschaftlichen Geste.
       
       Denkmale waren eigentlich nicht sein Genre, zu bestimmt ihre Funktion.
       Dennoch beteiligte er sich 1997 zusammen mit dem Architekten Peter Eisenman
       [3][an einem Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin]: Auf
       Serra geht die Idee eines Feldes aus Betonpfeilern zurück, das eine große
       Zäsur in der Stadt schafft und teils in die Tiefe führt. Aber nach
       Differenzen mit Eisenman zog Serra sich aus dem Projekt zurück.
       
       27 Mar 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
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