# taz.de -- Erdbeben-Gedenktag in der Türkei: In Hatay bricht sich die Wut Bahn
       
       > Am Jahrestag des Erdbebens kommt es in der Türkei zu Protesten gegen die
       > Regierung. „Mörder“ riefen wütende Teilnehmende in der Provinz Hatay.
       
 (IMG) Bild: Menschen protestieren gegen Regierungsbeamte in Hatay, Türkei, zum Gedenken an den einjährigen Jahrestag des verheerenden Erdbebens
       
       Istanbul taz | Bei einer Gedenkfeier am [1][Jahrestag der verheerenden
       Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens] ist es zu Tumulten
       gekommen. Wie die Deutsche Presseagentur und türkische Medien am Dienstag
       berichteten, wurde vor allem in Antakya, der Provinzhauptstadt der am
       härtesten betroffenen Region Hatay, massive Kritik an der türkischen
       Regierung und den Provinzbehörden laut.
       
       Tausende im völlig zerstörten Zentrum von Antakya versammelte Menschen
       buhten die Regierung aus. Als einige ranghohe Funktionäre vor der
       Versammlung sprechen wollten, skandierten einige Menschen „Mörder“, wütende
       Kundgebungsteilnehmer lieferten sich Handgemenge mit der Polizei.
       
       Aber auch Provinzbürgermeister Lütfü Savaş von der oppositionellen CHP
       wurde in Sprechchören zum Rücktritt aufgefordert. Insbesondere in der
       Provinz Hatay, im Südosten entlang der Grenze zu Syrien, wo es fast die
       Hälfte der insgesamt 53.300 Tote gab, sind die Menschen verzweifelt. Seit
       dem 6. Februar vor einem Jahr ist [2][wenig passiert, das ihre
       Lebenssituation wirklich verbessert hat].
       
       Schon bei der Schweigeminute um 4.17 Uhr in der Nacht, als vor einem Jahr
       der erste schwere Erdstoß Antakya erschütterte, riefen Teilnehmer: „Hört
       jemand unsere Stimmen?“ Dieser Satz ertönte tausendfach nach dem Beben, als
       Verschüttete auf sich aufmerksam machen wollten, vor allem in Hatay oft
       vergebens.
       
       Schon in den Tagen nach dem Beben hatte es massive Kritik an der Regierung
       gegeben, weil vor allem in Hatay tagelang keine staatliche Hilfe ankam.
       Überlebende und einige internationale Helfer, denen schweres Räumgerät
       fehlte, schafften es oft nicht rechtzeitig, die Verschütteten zu erreichen.
       Jetzt gehört Hatay wieder zu den Provinzen, in denen nach dem Empfinden der
       Betroffenen am wenigsten geschieht.
       
       Erdoğan besucht nur ausgewählte Orte 
       
       Es gibt wenig neu gebaute Häuser, die Qualität der Containercamps, in denen
       nun die meisten Betroffenen leben, ist im Vergleich zu anderen Regionen
       schlecht. Es hapert an der Grundversorgung, es gibt kaum Schulunterricht,
       und einen Job zu finden, durch den Überlebende wenigstens einen Teil ihres
       Unterhalts wieder selbst bestreiten können, ist nahezu unmöglich. Zu
       zerstört ist die gesamte Region.
       
       Am Samstag besuchte Präsident Recep Tayyip Erdoğan Hatay, allerdings nicht
       Antakya oder eines der Containerdörfer, sondern ein sorgfältig abgesperrtes
       Areal mit den ersten wenigen fertiggestellten Neubauten. Angesichts der
       [3][bevorstehenden Kommunalwahlen im März] brachte Erdoğan auch ziemlich
       unverblümt zum Ausdruck, warum es in Antakya und Hatay im Vergleich zu
       anderen Erdbebenregionen so schlecht vorangeht. Wer für die
       Kommunalverwaltung Vertreter anderer Parteien wähle als solche der
       Regierungspartei AKP, wird immer Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit
       haben, sagte er.
       
       Zum Gedenken am Dienstag reiste Erdoğan dann auch nicht nach Antakya,
       sondern nach Kahramanmaraş, eine ebenfalls stark betroffene Provinz, wo die
       Wiederaufbauarbeiten allerdings schon deutlich weiter gediehen sind als in
       Hatay. Kahramanmaraş ist eine Hochburg der AKP und auch bei der
       Präsidentschaftswahl im letzten Mai hat Erdoğan hier haushoch gewonnen.
       
       6 Feb 2024
       
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