# taz.de -- Kommunalwahlen in der Türkei: Istanbul droht an die AKP zu fallen
       
       > Seit 2019 regiert in Istanbul die Opposition. Nun will die DEM-Partei
       > eine eigene Kandidatin aufstellen – was der AKP in die Hände spielen
       > würde.
       
 (IMG) Bild: Beliebt, aber möglicherweise nicht mehr lange im Amt: Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu
       
       Istanbul taz | Für den amtierenden Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem
       İmamoğlu, den wichtigsten und bekanntesten Politiker der türkischen
       Oppositionspartei CHP, wird es immer schwieriger, bei den Kommunalwahlen im
       März wiedergewählt zu werden. Nachdem bereits vor Wochen die
       rechtsnationale Iyi-Partei angekündigt hatte, in Istanbul einen eigenen
       Kandidaten aufzustellen, hat jetzt die kurdische DEM, die Nachfolgepartei
       der HDP, den gleichen Schritt verkündet. Nach intensiven Debatten mit der
       Istanbuler Stadtregierung habe man sich entschlossen, den WählerInnen einen
       eigenen Kandidaten zu präsentieren, sagte Parteisprecherin Ayşegül Doğan am
       Sonntagabend.
       
       „Wir als DEM-Partei haben entschieden, in Istanbul mit einem eigenen
       Kandidaten anzutreten, um die Wahlen zu gewinnen, nicht um andere
       Kandidaten gewinnen oder verlieren zu lassen“, sagte sie zu der Kritik,
       dass durch die Entscheidung İmamoğlus Wiederwahlchancen drastisch sinken
       würden.
       
       Dabei wird genau das der Fall sein: Die Grundlage für den Sieg İmamoğlus
       bei der Kommunalwahl in Istanbul vor fünf Jahren war zum einen eine
       Wahlallianz mit der Iyi-Partei und zum anderen die damalige Entscheidung
       der HDP, eigene Kandidaten nur auf Bezirksebene aufzustellen und ihre
       AnhängerInnen dazu aufzurufen, bei der Oberbürgermeisterwahl gegen den
       Kandidaten der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu
       stimmen.
       
       Der [1][Sieg İmamoğlus in Istanbul 2019 war der größte Erfolg] gegen den
       früheren Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Erdoğan seit dessen
       Amtsantritt im Jahr 2003. Für Erdoğan, dessen politische Karriere als
       Oberbürgermeister in Istanbul in den 90er Jahren begonnen hatte, war der
       Verlust Istanbuls, das seit Mitte der 90er Jahre von
       islamisch-konservativen Parteien regiert wurde, auch deshalb so
       schmerzlich, weil mit Istanbul die wichtigste Pfründe für die Versorgung
       eigener AnhängerInnen verloren ging. Die Rückgewinnung Istanbuls ist
       deshalb nach seiner Wiederwahl als Präsident im Mai letzten Jahres eines
       seiner wichtigsten politischen Ziele.
       
       Tritt Frau Demirtaş an? 
       
       Für die Opposition dagegen war der Gewinn Istanbuls Grundlage eines
       politischen Aufbruchs, der letztlich in einer Sechsparteienkoalition
       mündete, die bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im letzten Mai
       gegen Erdoğan antrat. Die [2][verlorenen Wahlen im Mai] sind denn auch der
       Hauptgrund dafür, dass in Istanbul nun die Erfolgskoalition von vor fünf
       Jahren nicht noch einmal zustande kommt.
       
       Der Frust ist groß und das Vertrauen in die früheren Partner erodiert. Die
       frühere kurdisch-linke HDP, gegen die immer noch ein Verbotsverfahren
       läuft, hat mittlerweile nicht nur ihren Namen in DEM (Demokratie und
       Gleichberechtigungspartei der Völker) geändert, sondern auch ihre
       politischen Positionen revidiert. Wollte die HDP früher eine enge
       Zusammenarbeit mit der türkischen Linken, hat sie sich jetzt wieder ganz
       auf ihre kurdische Basis zurückgezogen. Aus dieser Position heraus gab es
       offensichtlich für viele Parteimitglieder keinen Grund mehr, mit der CHP
       und İmamoğlu zu kooperieren.
       
       Als eigenen Kandidaten will sie nach noch inoffiziellen Informationen einen
       besonderen Clou verkünden. Der Kandidat soll eine Kandidatin werden – und
       zwar Başak Demirtaş, die Frau des inhaftierten früheren Parteichefs
       Selahattin Demirtaş, der immer noch äußerst populär ist. Sie könnte wohl
       etliche WählerInnen mobilisieren. „Sie gehört zu den Namen in der engeren
       Auswahl“, bestätigte Parteisprecherin Doğan am Sonntag.
       
       Weil bei den Kommunalwahlen in der Türkei immer der oder KandidatIn mit den
       meisten Stimmen gewinnt, wird eine zersplitterte Opposition vor allem dem
       Kandidaten der AKP nutzen: dem blassen Technokraten Murat Kurum.
       
       5 Feb 2024
       
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