# taz.de -- Angst vor dem Clubsterben: Ganz Hamburg liebt das Molotow
       
       > Dem „Molotow“ in St. Pauli droht das Aus, weil es einem Hotel weichen
       > soll. Von den Punks bis zur CDU sind sich alle einig, den Club retten zu
       > wollen.
       
 (IMG) Bild: Erlebt eine große Solidaritätswelle: Demo für den Erhalt des „Molotow“
       
       Fast alle Hamburger Politiker:innen lieben das Molotow. Das wurde am
       Mittwoch im Hamburger Parlament, der Bürgerschaft, deutlich, als sie sich
       in ihren Lobeshymnen auf den [1][vom Aus bedrohten Musikclub] gegenseitig
       überboten. Sympathiebekundungen aus diesen Mündern erhöhen zwar sicher
       nicht den Coolness-Faktor eines Clubs, doch sind Sozis,
       Christdemokrat:innen, Grüne und Linke nicht allein.
       
       Auch Granden der Musikszene, für die der Club auf der Reeperbahn schon seit
       langer Zeit viel zu klein geworden ist, zeigten sich empört. Bela B. von
       den Ärzten etwa wütete jüngst in einem Video über das drohende Aus der
       vergangenes Wochenende auch noch zum Hamburger „Club des Jahres 2023“
       gekürten Institution.
       
       Das Molotow bewegt derzeit aber nicht nur Politik und die Musikszene – wird
       es doch zum Symbol für ein befürchtetes (manche sagen: längst
       stattfindendes) Clubsterben in der Stadt, die Metropole sein will.
       [2][Gleich fünf etablierte Clubs vom kleinen Indierock-Schuppen bis zum
       Techno-Club hatten zum Jahresende dichtgemacht].
       
       Zeitgleich kam die nächste Hiobsbotschaft in Form des Kündigungsschreibens
       für das Molotow. Das empfanden viele als besonders bitter, hatte der Club
       doch seinen Ruf als Sprungbrett für später große Bands über viele Jahre
       erarbeitet.
       
       ## Boutique Hotel statt Livestätte
       
       Es ist unklar, ob alle Clubs eine neue Bleibe finden. Ohne Unterstützung
       aus der Politik, beklagen Clubbetreiber:innen, lassen sich die Mieten in
       neuen Räumen schlicht kaum stemmen. Einen ganz kleinen, ersten Erfolg
       konnte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) immerhin am Mittwoch vorweisen,
       als er verkündete, dass durch Gespräche mit dem Eigentümer die
       Kündigungsfrist für das Molotow um sechs Monate verlängert werden konnte.
       Damit sei bis Jahresende Zeit gewonnen worden, um neue Räume zu finden.
       
       Das beruhigt die Lage ein wenig, denn dass das Molotow ausgerechnet Platz
       für den Neubau eines Boutique-Hotels machen muss, brachte viele im an
       Gentrifizierung ja schon gewöhnten St. Pauli in Rage: Bis zu 5.000 Menschen
       gingen auf die Straße, um für den Erhalt des wohlgemerkt
       privatwirtschaftlich betriebenen Clubs zu demonstrieren. Sogar der
       Hamburger Tourismusverband, der sonst ohne Unterlass nach neuen Hotels
       ruft, findet das alles ein bisschen unglücklich.
       
       Das Molotow hatte schon vor dieser neuesten Wende im Laufe des vergangenen
       Jahrzehnts eine große Leidensgeschichte mit seinen Vermietern. Bis 2013 war
       der Club [3][im Keller der Esso-Häuser am anderen Ende der Reeperbahn
       untergebracht] – und glücklich. Doch ein Investor hatte den Gebäudekomplex
       gekauft, in dem auch viele ärmere Menschen wohnten, kümmerte sich kaum mehr
       um die Instandsetzung des 60er-Jahre-Baus – bis die Polizei wegen akuter
       Einsturzgefahr das gesamte Gebäude evakuieren musste. Nicht nur das
       Molotow, auch 90 Bewohner:innen waren kurzerhand obdachlos.
       
       Erst fand sich eine Übergangslösung in einem leerstehenden Möbelgeschäft,
       dann konnte der Club in den jetzigen Räumen am Nobistor unterkommen. Doch
       die Politik hatte versprochen, dass er eines Tages wieder an seine
       ursprüngliche Stätte zurückkehren dürfe: Mit dem Investor des
       Esso-Häuser-Areals wurde vereinbart, dass er Platz im Neubau bekommt. Doch
       seither geschah: nichts. Vergangenen Sommer verkündete der Investor gar,
       dass er vorerst nicht beabsichtige zu bauen.
       
       Die Liebesschwüre der Hamburger Politiker:innen zeigen also auch ihre
       Mutlosigkeit. Viel mehr als flehende Worte glauben sie nicht zu haben
       angesichts der Tatsache, dass ein Immobilieneigentümer mit seiner Immobilie
       grundsätzlich machen kann, was er will.
       
       2 Feb 2024
       
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