# taz.de -- Milliardenhilfe für die Ukraine: Brüssel ringt um seine Kriegskasse
       
       > Ein EU-Sondergipfel will 50 Milliarden Euro für die Ukraine freigeben.
       > Doch der ungarische Ministerpräsident Orbán blockiert eine Einigung.
       
 (IMG) Bild: Ihm gefällt der EU-Kurs nicht: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán
       
       Brüssel taz | Die EU hat zunehmend Mühe, ihre Versprechen gegenüber der
       Ukraine einzulösen. Geld, Waffen, Munition – überall hakt es. Deutschland
       könne die Probleme nicht alleine lösen, warnte Kanzler Olaf Scholz (SPD)
       kurz vor einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag
       in Brüssel. Auch Ratspräsident Charles Michel schlägt Alarm. Der Gipfel
       dürfe nicht scheitern, schrieb Michel in seiner Einladung für das
       Krisentreffen. „Eine Einigung sicherzustellen ist für unsere
       Glaubwürdigkeit von entscheidender Bedeutung“, so der Belgier. Beim
       letzten, regulären EU-Gipfel im Dezember war die Einigung am ungarischen
       Regierungschef Viktor Orbán gescheitert.
       
       Dem Rechtspopulisten Orbán passt die ganze Richtung nicht. Erst wollte er
       die [1][EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine] verhindern, was ihm
       allerdings nicht gelang: In einem als „Kaffeepause“ deklarierten günstigen
       Moment gaben seine Amtskollegen damals kurzerhand grünes Licht. Kurz darauf
       legte Orbán prompt sein Veto gegen eine 50 Milliarden Euro schwere
       Finanzhilfe für die Ukraine ein.
       
       Der Sondergipfel soll nun den Weg für die außerplanmäßige Geldspritze aus
       dem EU-Budget frei machen. Es gehe nicht nur um die Ukraine, sondern um die
       Sicherheit in ganz Europa, heißt es zur Begründung in Brüssel. Orbán dürfe
       die EU nicht länger blockieren. Um seinen Widerstand zu brechen, greifen
       die Europäer zu radikalen Mitteln.
       
       So wurde kurz vor dem Gipfel ein EU-Dokument an die Financial Times
       durchgestochen, in dem Ungarn eine schwere Wirtschaftskrise prophezeit
       wird, falls Orbán nicht endlich einlenken sollte. Das Europaparlament droht
       gar mit der Sperrung aller EU-Gelder. Einige Abgeordnete möchten Ungarn
       auch noch das Stimmrecht entziehen.
       
       So viel Drama hat Brüssel lange nicht mehr erlebt. Insider fühlen sich an
       die schlimmsten Zeiten der Eurokrise erinnert, als Griechenland der
       Rauswurf aus der Union drohte. Doch bisher hat der massive Druck seine
       Wirkung verfehlt. Der ungarische Regierungschef will, wenn überhaupt, nur
       12,5 Milliarden Euro für Kyjiw bewilligen – und dann jedes Jahr neu
       entscheiden. Ein möglicher Kompromissvorschlag, der am Mittwoch die Runde
       machte, sieht nun jährliche Beratungen über die Verwendung der Mittel vor –
       Ungarn könnte dann zwar Bedenken äußern, aber kein Veto einlegen.
       
       ## Zur Not ohne Ungarn?
       
       Für die meisten anderen Staaten sei das „inakzeptabel“, sagte ein
       EU-Diplomat. Wenn Orbán nicht einlenken sollte, werde man die Ukraine-Hilfe
       zur Not auch ohne Ungarn auf den Weg bringen. Allerdings würde dies die EU
       in eine schwere Krise führen. Denn nach den gültigen Regeln kann über das
       Budget nur einstimmig entschieden werden.
       
       Streit gibt es auch über die Waffenhilfe. Kanzler Olaf Scholz (SPD)
       fordert, die bilaterale deutsche Hilfe für die Ukraine in Höhe von von 7
       Milliarden Euro auf die gemeinsame Kriegskasse der EU auch für Einsätze
       etwa in Afrika anzurechnen – es wäre also eine Umverteilung zugunsten der
       Ukraine. Scholz will auch mehr Einsatz der Partner. Die EU müsse ihre
       „Anstrengungen verdoppeln“, heißt es in einem Brief von Scholz und vier
       weiteren Regierungschefs aus Dänemark, Tschechien, Estland und den
       Niederlanden.
       
       Der Bundeswehr selbst drohen allerdings bald Lieferschwierigkeiten: Laut
       einer internen Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums, aus der
       am Mittwoch der Spiegel zitierte, könnten ab 2028 rund 56 Milliarden Euro
       im Wehretat fehlen. Grund ist ein [2][auslaufendes
       100-Milliarden-Euro-Sondervermögen], aus dem zuletzt auch Munition und
       Gerät für die Ukraine beschafft wurde.
       
       Die meisten EU-Staaten haben derzeit schlicht nicht die Mittel, um ihre
       Waffenhilfe aufzustocken. Außerdem blockiert Scholz in Brüssel seit Wochen
       eine Einigung über die Reform der sogenannten Friedensfazilität, der
       gemeinsamen Kriegskasse der EU. Mit einer Einigung rechnen EU-Diplomaten
       erst im März.
       
       Überschattet wird der Gipfel zudem von Problemen bei der
       Munitionsbeschaffung. Die EU hatte der Ukraine versprochen, bis Ende März
       eine Million Artilleriegeschosse zu liefern. Bisher wurden nach EU-Angaben
       aber nur rund 300.000 Geschosse geliefert. Besserung sei erst zu Ende des
       Jahres in Sicht, hieß es bei einem Treffen der Verteidigungsminister.
       
       31 Jan 2024
       
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