# taz.de -- Bauern versus Fahrradwege: Keine Kuh hat was gegen Peru
       
       > AfD und CSU kritisieren die Ampelregierung, lieber Fahrradwege in Lima
       > als deutsche Bauern zu finanzieren. Radler in Peru sind empört.
       
 (IMG) Bild: Straßenszene in Lima 1996. Die Lage für Fahrradfahrer hat sich seitdem nicht verbessert
       
       Lima taz | Selten ist Peru so prominent in der deutschen Öffentlichkeit
       vertreten wie dieser Tage. Die [1][ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete
       Joana Cotar] warf der Ampel-Regierung vor, falsche Schwerpunkte zu setzen,
       unter anderem „315 Millionen Euro für Busse und Fahrradwege in Peru“
       auszugeben.
       
       Tatsächlich, so ließ das Entwicklungsministerium Mitte Januar wissen, habe
       die Bundesregierung 44 Millionen Euro zugesagt, um Radschnellwege in der
       peruanischen Hauptstadt Lima zu finanzieren, und 155 Millionen Euro für das
       Bussystem. Allerdings seien das Kredite. Deutschland würde daran verdienen.
       
       In rechten Kreisen sorgte diese Richtigstellung nur für noch mehr
       Aufregung. Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber schrieb am16. Januar auf
       X: „Die Ampel verteilt Geld in aller Welt, aber für unsere hart arbeitenden
       Bäuerinnen und Bauern ist angeblich kein Geld da? Das geht so nicht!“
       
       Da musste dann ausgerechnet ein FDPler entgegnen: „Diese Radwege sind
       blauweiß.“ Damit meinte er, dass die Ampel-Regierung nur das fortführe, was
       unter CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller beschlossen worden war.
       Angesichts dieses lustigen Durcheinanders [2][fragte ein Kolumnist der taz]
       „Wie mag es sich in Peru so radeln? Weiß das jemand?“
       
       Wenn es um mit deutschen Geldern erbaute Fahrradwege in Peru geht, die der
       deutschen Kuh angeblich den Garaus machen, bin ich Expertin. Seit mehr als
       20 Jahren bewege ich mich in Lima mit dem Fahrrad durch die
       10-Millionen-Einwohner-Stadt. Es ist bei weitem meine riskanteste
       Unternehmung hier, gefährlicher als Recherchetouren bei illegalen
       Goldschürfern oder im Regenwald bei Kokabauern.
       
       Denn für Limas Autofahrer existiere ich als Radlerin praktisch nicht und
       kann deshalb angehupt, mit 10 Zentimeter Abstand überholt und beim
       Rechtsabbiegen geschnitten werden. Bin ja selber schuld, wenn ich nicht
       ausweiche, der Autofahrer hat ja vorher gehupt. Auf den Straßen Limas ist
       der mit dem fettesten Auto der Stärkste. Radfahrer und Fußgänger stehen
       ganz am Ende der Nahrungskette. Viel zu viele Polizisten fühlen sich
       außerdem nur für Autos zuständig. Fahrradwege waren bis vor wenigen Jahren
       eine Seltenheit.
       
       Dabei hätte Lima das Zeug, zum Amsterdam Südamerikas zu werden: Die Stadt
       ist weitestgehend flach, es regnet nie und die Temperaturen gehen auch im
       Sommer nicht über 30 Grad und im Winter nicht unter 12. Der öffentliche
       Nahverkehr besteht vor allem aus überfüllten Bussen, die ebenso wie die
       Masse der Pkws stundenlang im Stau stehen. Fahrrad fahren in Lima wäre
       wirklich eine Alternative, um im Nahverkehr schneller voranzukommen, gerade
       auch für die Bewohner Limas, die in den ärmeren und weiter entfernten
       Vierteln wohnen.
       
       Doch die meisten haben Angst, sich mit dem Fahrrad ungeschützt in den
       chaotischen Verkehr Limas zu stürzen. Deswegen sieht man hier auch keine
       Schulkinder auf Fahrrädern. Während der Coronapandemie hat sich für
       Fahrradfahrer einiges zum Guten verändert: Die Zahl der Radfahrer nahm
       sprunghaft zu; die Stadt hat Pop-up-Fahrradwege eingerichtet, Fahrradspuren
       auf die Straße gemalt und Poller aufgestellt. Einige von ihnen haben Corona
       überlebt, andere werden bereits wieder von den Autos in Beschlag genommen.
       Wir Fahrradfahrer müssen um jeden Fahrradweg kämpfen, damit er erhalten
       wird.
       
       Vor ein paar Wochen sah ich zum ersten Mal in 20 Jahren, wie ein Polizist
       einen Autofahrer zurechtwies, der auf einem Radweg parken wollte. Ich habe
       mich gefreut wie eine Schneekönigin.
       
       Warum nun gerade Deutschland die Fahrradwege in Peru bezahlen soll? Sicher
       kommt es auch dem Klima zugute – und damit letztlich auch uns allen –, wenn
       weniger Menschen in Peru Auto fahren.
       
       Mal abgesehen davon, dass die deutsche Bundesregierung an den Krediten für
       die Fahrradwege verdienen wird: Dass Solidarität nicht an der deutschen
       oder EU-Grenze aufhört, ist ein Grundpfeiler unserer westlichen Werte. Wenn
       wir den aufgeben, können wir gleich Trump wählen: Germany first.
       
       Wenn es der deutschen Kuh schlecht geht, dann sicher nicht, weil die
       deutschen Steuerzahler ein paar Millionen Euro für Fahrradwege in Peru
       ausgeben, sondern weil sie seit Jahrzehnten Milliarden in eine falsche
       Agrarpolitik gesteckt haben. Wir Fahrradfahrer in Peru sind dafür der
       falsche Sündenbock.
       
       22 Jan 2024
       
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