# taz.de -- Die Suche nach Wärme in kalter Zeit: Kaiser, Karl und Kai
       
       > Wie entkommt man dem ganzen Strudel aus schlimmen Nachrichten? Vielleicht
       > mit einer guten Dosis Nostalgie, oder einer Liebesgeschichte.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur der FC Bayern München gedenkt dem verstorbenen Ehrenpräsidenten Franz Beckenbauer
       
       Es soll Leute geben, die auch nach einer Woche Beckenbauer-Trauer nicht
       verstehen können, warum [1][so ein Bohei] um einen ehemaligen, noch dazu in
       Sachen Korruption nicht ganz hasenreinen Fußballer gemacht wird. Wenn die
       Kunstbanausen jung sind, okay. Aber wenn sie fragen, weshalb sogar die
       sonst jeder Monarchie abholde taz einem sogenannten Kaiser einen Titel und
       zwei Seiten gewidmet hat, obwohl wir heute doch ganz andere, viel
       wichtigere Sorgen haben, dann kann ich nur sagen: Ja, eben drum!
       
       Es ist natürlich die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die es nie
       gegeben hat, weder im Fußball noch im unbedeutenden Rest des Lebens, in der
       viele gerade wieder schwelgen, um sich von der niederschmetternden
       Gegenwart abzulenken, in der man kühler sein muss als die Temperaturen, um
       die Lage nicht als bedrohlich zu empfinden.
       
       Wenn Politiker der AfD und ihre rechtsextremen Helfershelfer euphemistisch,
       aber ernsthaft über eine rassistische „Remigration“ – also Deportation –
       von Millionen BürgerInnen reden, läuft es allen, die noch irgendetwas
       Menschliches fühlen, eiskalt den Rücken runter. Das Unwort des Jahres
       scheint damit schon im Januar festzustehen. Doch wer weiß, es kann noch
       schlimmer kommen, ein Blick auf die Umfragen genügt.
       
       Logisch, dass nun die Verbotsdebatte Fahrt aufnimmt. Auch wenn ein
       Verfahren riskant wäre und der AfD sogar helfen könnte. Ein Dilemma. Fürs
       Erste wäre es schon ein demokratieförderlicher Fortschritt, wenn es die
       Ampel endlich schaffen würde, kohärente Entscheidungen zu treffen, die
       länger als drei Tage gelten, und die eventuell, man wagt es kaum zu hoffen,
       wieder mehr Zuversicht und Zufriedenheit verbreiten könnten. Wie groß der
       Frust in den eigenen Reihen ist, demonstrierte gerade deprimierend deutlich
       Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der den ewigen Streit
       zwischen den Ampelpartnern erst „demokratiezersetzend“ nannte und direkt
       danach selbst neuen Streit anfachte, als er den Kompromiss beim Agrardiesel
       lautstark kritisierte. Es klang, wie die Verbotsrufe aus
       Regierungsparteien, hilflos und verzweifelt.
       
       Vielleicht könnten ja [2][Globuli] gegen Angstgedanken und die AfD helfen,
       wenn man ganz fest daran glaubt. Aber die wissenschaftliche Evidenz spricht
       leider eindeutig dagegen, weshalb die Kügelchen künftig nicht mehr [3][von
       den Krankenkassen bezahlt werden]. Falls es nach dem Bauernaufstand nicht
       noch eine Rebellion der Homöopathiefans gibt und die Ampel wieder
       einknickt.
       
       Womöglich hat Karl Lauterbach schon neue Widerstandssymbole
       heraufbeschworen, als er darauf hinwies, dass man auch den Klimawandel
       nicht mit Wünschelruten bekämpfen könne. Immerhin, der Gesundheitsminister
       hat trotz allem seinen Humor noch nicht verloren. Das finde ich, ganz im
       Ernst, tröstlich. Denn immer nur klagen und bibbern hilft ja auch nicht.
       
       Dann lieber zwischendurch in der seligen Vergangenheit schwelgen, um ein
       bisschen Kraft zu tanken. Mir wurde es, das gebe ich zu, ganz warm ums
       Herz, als ich noch einmal sah, wie es Franz Beckenbauer als Höhepunkt
       seiner Karriere schaffte, einen Ball sogar von einem Weißbierglas direkt in
       die Torwand des ZDF-Sportstudios zu schießen. So viel Glück machte damals
       niemanden neidisch. Sogar Bayern-Hasser lachten über seinen Kaiserschmarrn
       und seine Chuzpe, als er das Ergebnis eines Seitensprungs bei der
       Weihnachtsfeier kommentierte: Der liebe Gott freue sich [4][über jedes
       Kind.]
       
       An dieser Haltung scheinen sich jetzt Berlins Bürgermeister Kai Wegner und
       Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch zu orientieren, die trotz aller
       [5][Kritik an ihrer Liaison] weiter Kabinettstisch und Bett teilen. Die
       Frage, ob sie schon bei Günther-Wünschs Ernennung zusammen waren, ist zwar
       berechtigt, aber die geforderte Transparenz schwer zu erzwingen. Es sei
       denn, man möchte einen Untersuchungsausschuss, in dem wie bei Monica
       Lewinsky und Bill Clinton nach Oralverkehr und Spermaflecken gefragt wird.
       Das muss doch nicht sein. Oder wie Beckenbauer gesagt hätte: Der liebe Gott
       freut sich über jedes Liebespaar.
       
       14 Jan 2024
       
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