# taz.de -- Haushaltskrise der Ampel: „Das geht so nicht“
       
       > Das Geld für die Preisbremsen stehe nicht mehr zur Verfügung, sagt der
       > Finanzminister. Der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, hält dagegen.
       
 (IMG) Bild: Fordert mehr Sicherheit bei Energiepreisen: Lars Klingbeil (SPD)
       
       Berlin dpa | Nach seiner Ankündigung eines vorzeitigen Endes der
       Preisbremsen für Strom und Gas steht FDP-Chef und Finanzminister Christian
       Lindner beim Koalitionspartner SPD in der Kritik. Der Co-Vorsitzende der
       Sozialdemokraten, Lars Klingbeil, sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung
       „Anne Will“: „Einseitig das Aus zu verkünden, ohne dass wir das gemeinsam
       besprochen haben, das geht so nicht.“ Die SPD wolle, dass es Sicherheit
       gebe, falls die Preise nach oben schießen, hob Klingbeil hervor. Das
       Finanzministerium sieht indes keine fehlende Absprache.
       
       Lindner hatte am Freitag in einem Interview gesagt, dass die staatlichen
       Preisbremsen für Strom und Gas schon mit dem Jahresende auslaufen und nicht
       erst Ende März, wie zuletzt geplant. Hintergrund ist das Haushaltsurteil
       des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November, durch das der Regierung
       Milliarden fehlen. Davon sind auch zahlreiche weitere Vorhaben betroffen.
       
       „Wir sollten nicht über einzelne Verkündungen von einzelnen Ministern jetzt
       diese schwierige Debatte in den nächsten Wochen führen“, mahnte Klingbeil.
       „Es braucht jetzt ein Gesamtpaket. Daran muss gearbeitet werden, und wenn
       das fertig ist, kann es verkündet werden.“
       
       Die Preisbremsen werden aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert.
       Der SPD-Politiker sagte, es sei völlig klar, dass dieser Fonds nach dem
       Urteil zum Jahresende auslaufen müsse; damit liefen automatisch auch die
       Preisbremsen aus. In der Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei aber nicht
       besprochen worden, wie danach Unsicherheiten bei Energiekosten abgesichert
       werden. „Das muss in der Regierung besprochen worden“, sagte Klingbeil.
       
       Das Bundesfinanzministerium reagierte inzwischen auf die Kritik vom
       Wochenende. „Lindner hat lediglich eine Notwendigkeit nach dem [1][Urteil
       des Verfassungsgerichts] ausgesprochen. Über alles besteht bereits seit
       Tagen mit Kanzler und Wirtschaftsminister Einigkeit“, hieß es aus Kreisen
       des Ministeriums. „Die interne Abstimmung bei SPD und Grünen kann
       möglicherweise verbessert werden.“
       
       ## Unklarheit bei Förderungen
       
       Auch bei Förderungen herrscht Verunsicherung. Vor Beratungen der
       Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern an diesem Montag
       warnt der [2][Ökonom Marcel Fratzscher] davor, bereits zugesagte
       Förderungen zurückzunehmen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung alle
       ihre eingegangenen Verpflichtungen ohne Ausnahme erfüllen wird. Denn wenn
       sie dies nicht tut, wird ein enormer wirtschaftlicher Schaden entstehen“,
       sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
       den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).
       
       Die Wirtschafts- und Energieminister der Länder sprechen mit Bundesminister
       Robert Habeck (Grüne) in Berlin über die Auswirkungen des Karlsruher
       Haushaltsurteils. Im Anschluss treten Habeck, der Vorsitzende der
       Wirtschaftsministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Hubert Aiwanger (Freie
       Wähler), und der Vorsitzende der Energieministerkonferenz, Sachsen-Anhalts
       Ressortchef Armin Willingmann (SPD), vor die Presse. Für Dienstag hat
       Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung angekündigt.
       
       Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine große Lücke in
       den Finanzen des Bundes. Das Gericht hatte eine Umwidmung von
       Corona-Krediten von 60 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2021 für nichtig
       erklärt. Seit der Entscheidung der Richter herrscht Unsicherheit – auch
       über die Folgen für die Länder. [3][Schleswig-Holstein etwa hatte nach dem
       Urteil eine Haushaltsnotlage für 2023 und 2024] festgestellt, denn das
       Bundesland arbeitet seit der Coronapandemie auch mit Notkrediten.
       
       Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sagte, es müsse
       beraten werden, wie notwendige Zuschüsse finanziert werden können. Es gelte
       in Bündnissen auch über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das
       müssten sich auch CDU und FDP im Bund auf den Zettel schreiben.
       
       Fratzscher sagte, ein erheblicher Teil der versprochenen Förderungen sei
       für Projekte in strukturschwachen Regionen, allen voran in Ostdeutschland.
       „Die Bundesregierung sollte umgehend eine Lösung präsentieren, die allen
       die Sicherheit gibt, dass ihre Versprechen erfüllt werden.“
       
       Auch der Zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft IG Metall, Jürgen
       Kerner, warnte davor, Förderungen auszusetzen. „Bei den Unternehmen
       entsteht eine große Verunsicherung mit der Folge, dass
       Zukunftsinvestitionen ausbleiben“, sagte er ebenfalls den Funke-Zeitungen.
       
       Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte am Sonntagabend in
       der ARD-Sendung „Anne Will“, dass sich Scholz nach dem Karlsruher Urteil
       sofort an ihn und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gewandt
       habe, um über die Förderungen für Investitionen in der Region zu sprechen.
       „Und er hat uns klar gesagt, dass er zu diesen Projekten steht und alles
       dafür tun wird, dass diese kommen. Und wir nehmen den Kanzler da beim
       Wort.“
       
       ## Debatte über Schuldenbremse
       
       Vor den Beratungen geht die Debatte über ein weiteres [4][Aussetzen der
       Schuldenbremse] weiter. Fratzscher sagte, die Bundesregierung solle diese
       auch im nächsten Jahr aussetzen.
       
       Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht Gründe, auch 2024 eine
       Haushaltsnotlage auszurufen. Auf Nachfrage, wie er die Notlage für 2024
       inhaltlich begründen wolle, nannte Mützenich in der ARD-Sendung „Bericht
       aus Berlin“ den Krieg in der Ukraine und die Lage in Nahost, von der unklar
       sei, ob sie sich zu einem Regionalkrieg entwickeln werde.
       
       Ähnlich äußerte sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD-Sendung
       „Anne Will“. Er warb für eine Reform der Schuldenbremse. Auch Haseloff
       sieht Möglichkeiten, eine Notlage zu begründen. Das
       Bundesverfassungsgericht habe eine klare Ansage zur Haushaltstechnik
       gemacht. „Aber bezüglich der politischen Feststellung, was ist eine
       Notlage, gibt es Spielräume.“
       
       Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch nannte die Schuldenbremse
       im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eine Investitionsbremse, die die
       Zukunft des Landes gefährde und die soziale Spaltung verschärfe.
       
       Der Koalitionspartner FDP steht nach Angaben ihres Fraktionschefs Christian
       Dürr dagegen zur Schuldenbremse. „Ich bin mir dessen bewusst, dass die FDP
       mit ihrer sehr klaren Haltung, die Schuldenbremse muss fest bleiben im
       Grundgesetz, eher alleine steht“, sagte er am Sonntagabend in der
       ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Es gebe im Bund und in den Ländern kein
       Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Die Bundesregierung werde nun
       darüber verhandeln, an welchen Stellen gespart werden könne.
       
       27 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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