# taz.de -- Gaza-Krieg polarisiert Unis in Schweden: Meinungsfreiheit wieder erlaubt
       
       > Nach tagelangen Protesten dürfen nun doch Studenten in Göteborg wieder
       > frei über Politik sprechen. Ein israelischer Militärkonzern steckte
       > dahinter.
       
 (IMG) Bild: Gebäude der Chalmers-Universität im schwedischen Göteborg
       
       Stockholm taz | Die umfassenden Proteste hatten Erfolg: Am vergangenen
       Freitagnachmittag hob das Rektorat der Technischen Hochschule Chalmers in
       Göteborg das vier Tage zuvor verhängte Verbot politischer
       [1][Meinungsäußerungen auf dem Campusgelände] wieder auf.
       
       Der Druck auf die Universitätsleitung war im Laufe der vorangegangenen Tage
       immer massiver geworden, beispielsweise hatten die Studentenorganisationen
       aller im Reichstag vertretenen Parteien – [2][mit Ausnahme der
       Schwedendemokraten] – gegen den „schockierenden Schritt“ protestiert. Sie
       warnten: Ein solches Verbot bedrohe die Demokratie.
       
       Für seinen Rückzug hatte Chalmers-Rektor Martin Nilsson Jacobi gleich
       mehrere Begründungen. Zum einen gestand er ein, seine Entscheidung
       reichlich überstürzt getroffen zu haben: Nicht einmal die Leitungsgremien
       der Hochschule seien vorab informiert worden. Zum anderen sei „die
       Situation“, wegen der er gemeint habe, diese Maßnahme anordnen zu müssen,
       mittlerweile vorbei.
       
       Außerdem behauptet er nun plötzlich, das Verbot sei von vornherein nur
       vorübergehend und für einen befristeten Zeitraum gedacht gewesen, nur habe
       er leider vergessen, das auch so zu kommunizieren. Rückblickend, gestand er
       zu, seien eine ganze Reihe Fehler gemacht worden.
       
       ## Verbot aufgrund einer einzelnen Veranstaltung
       
       Die „Situation“, aufgrund derer das Verbot also angeblich nur vorübergehend
       eingeführt werden sollte und die es mittlerweile nicht mehr gibt, war
       offenbar eine einzige an der Hochschule geplante Veranstaltung. Am Dienstag
       vergangener Woche, also wenige Stunden nachdem Jacobi seine umstrittene
       Maßnahme eingeführt hatte, fand bei Chalmers eine Jobmesse statt, auf der
       Firmen sich bei den StudentInnen als mögliche künftige Arbeitgeber
       präsentieren konnten.
       
       Eine der eingeladenen Firmen war Israels größter Militärkonzern [3][Elbit].
       Eine Firma, die sich unter anderem auf Überwachungstechnik zur Abwehr von
       Flüchtlingen spezialisiert hat und sich damit rühmt, ihre auch in Gaza
       eingesetzten Drohnen seien „kampferprobt“. Gegen ihre Auftritte gab es in
       der Vergangenheit in mehreren Ländern Proteste.
       
       Offenbar hatte man auch bei Chalmers mit Protesten gerechnet, nachdem es
       solche in Göteborg, wo Elbit vor einigen Monaten eine Filiale eröffnet hat,
       in jüngster Vergangenheit bereits mehrfach gegeben hatte.
       
       Letztendlich hatte sich das Chalmers-Verbot dann doch als überflüssig
       erwiesen, weil Elbit nach heftiger Kritik seitens StudentInnen und
       Chalmers-Personal in letzter Minute von der Teilnahme an der Jobmesse
       wieder ausgeladen worden war. Auf Rückfragen konnte der Hochschulrektor
       allerdings nicht erklären, warum er das Verbot dann nicht unmittelbar
       wieder zurückgenommen hatte, sondern sich dafür mehrere Tage Zeit ließ und
       erst nach weiteren Protesten reagierte.
       
       ## Demokratie-Räume statt No-go-Zone
       
       Dass Chalmers den Campus offenbar allein aus dem Grund zu einer No-go-Zone
       für politische Meinungsäußerungen erklärt hatte, um Proteste gegen einen
       höchst umstrittenen israelischen Miltärkonzern zu verhindern, den
       beispielsweise der staatliche schwedische Pensionsfonds schon vor Jahren
       aus seinem Portefeuille genommen hatte, ließ die Kritik an dieser Maßnahme
       nicht verstummen. Ganz im Gegenteil – es gab ihr eher zusätzliche Nahrung.
       
       Auch Bildungsminister Mats Persson wird kritisiert. Dieser hatte sich
       sofort hinter das Verbot politischer Meinungsäußerungen gestellt und
       erklärt, er „teile vollständig die Sicht von Chalmers“.
       
       Überrascht von dem, was hier passiert sei, könne man eigentlich nicht sein,
       heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der politischen
       Studentenvereinigungen: „Wir haben in Schweden ein enormes
       Demokratieproblem an unseren Hochschulen.“ Und das gerade in einer Zeit, in
       der sich immer weniger Menschen parteipolitisch engagieren wollen. „Damit
       die Demokratie unseres Landes erhalten bleibt, braucht es Menschen, die
       bereit sind, politische Rollen zu übernehmen“, und es brauche „Arenen, in
       denen Menschen Teil der Demokratie sein können“. Versuche wie die von
       Chalmers, diese Arenen auch noch verkleinern zu wollen, schadeten Schwedens
       Demokratie.
       
       21 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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