# taz.de -- Festival für Objekttheater: Ein Besen macht Furore
       
       > Alltagsgegenstände und Reinigungsgeräte werden beim „Theater der Dinge“
       > zu Stars. Das Festival in der Schaubude legt den Fokus auf unbelebte
       > Objekte.
       
 (IMG) Bild: Besen spielen die Hauptrolle in „Scoooootch“
       
       Besen, Besen über alles! [1][Dass ein „Festival der Dinge“ den Fokus weg
       vom Menschen hin zum unbelebten Wesen verschiebt], ist klar. Die sinnliche
       Beweisführung gibt es jedes Jahr im November in der Schaubude. Bis jetzt
       hat sich noch keine Festivalausgabe explizit den Reinigungsgeräten
       gewidmet, aber immer wieder tauchen sie doch unverhofft auf.
       
       So ist der Rezensentin ein äußerst eigenständiger, fast subversiver
       Staubsauger in lebendiger Erinnerung sowie eine toll gewordene
       Waschmaschine, die sich selbst zerlegt und ihre Trommel in die Freiheit
       entlässt. Und dieses Mal ist es der Besen, der Furore macht. Und zwar nicht
       der wilde Reisigbesen, auf dem bekanntlich Hexen durch die Lüfte brettern,
       sondern sein biederes Baumarkt-Äquivalent mit den kurzen harten Borsten.
       
       Besen sind zum Kehren da. Genau das macht ein Besen in „Calle
       Sombra/Schattenstraße“ (David Espinosa, Katalonien). Da er aber
       gleichzeitig als Schatten existiert, der im Stil einer Laterna Magica auf
       der Leinwand kreist, verliert er hier seine irdische Schwere und scheint zu
       fliegen.
       
       In „Scooooootch“ (Les Nouveaux Ballets du Nord-Pas de Calais & Synthèse
       Additive, Kanada) stehen Besen einsam auf ihren Borsten rum, als würden sie
       frieren. Um dann plötzlich von halbstarken Frauenfiguren durch die Luft
       gewirbelt zu werden. Sie stehen wirklich die ganze halbe Stunde, die dieses
       wunderbare Stück Kindertheater dauert, auf der Bühne.
       
       Fruchtbare Symbiose 
       
       Vorhang auf also für eine ganze Besenfamilie, die sich die Aufmerksamkeit
       der Zuschauenden nur mit ein paar Klebebändern teilen muss. Schnell
       entwickelt sich aus dieser Bühnen-Koexistenz eine fruchtbare Symbiose, die
       ihren Höhepunkt in einer maibaumartigen, etwa drei Meter großen
       Besenskulptur hat, die da steht wie eine Eins.
       
       Auch bei der tschechischen Compagnie „Error Cult“ darf die Borste mit dem
       Holzstiel nicht fehlen, denn es fällt – ganz profan – ziemlich viel Asche
       an. Der Besen ist neben dem Räucherstäbchengefäß das einzige Element auf
       der Bühne, das Materie hat. Das füllt ihn mit Bedeutung auf, wenn man ihn
       sieht.
       
       Meistens aber ist es bei „Z Popela/Aus der Asche“ stockdunkel im Raum.
       Lichtpunkte fahren herum, Pyrotechnik mit einem eigenartigen Linksdrall
       wird entzündet, und als Höhepunkt wird ein Feuer kreiert, in dem die Asche
       zu einer eigenartigen Skulptur emporwächst, die als Schattentheater auf der
       Bühnenrückwand erscheint, das Feuer aber nicht.
       
       Die drei Produktionen nehmen das Festivalmotto „Spielräume“ als Einladung,
       den Spielraum von Objekttheater zu erweitern. David Espinosa beschleunigt
       das Schattentheater. „Scooooootch“ schafft es, dramaturgisch drei Ebenen zu
       bespielen. So verknüpft sich Lautmalerei mit Kreativität am Objekt. Und das
       Besen-Wrestling mit seiner leichtfüßigen Ironisierung sämtlicher
       Siegerposen sorgt für den pädagogischen Mehrwert.
       
       „Z Popela“ ist zeitweise etwas langatmig, definitiv interessant ist aber
       der Versuch, sich an einem Theater der materienfreien Elemente zu
       versuchen. Spannend ist auch, dass „Calle Sombra“ und „Z popela“ ganz ohne
       Sprache auskommen. Sie komponieren Bilder, die jeder für sich lesen kann.
       
       Besondere Poesie 
       
       Auch „Rebetiko“ (Anime Théàtre Frankreich) braucht das gesprochene Wort
       nicht, erzählt aber mit extrem komplexen Bildern – indem mit Projektionen,
       Spiegelungen, Gliederpuppen etc. gearbeitet wird – eine dramatische
       Fluchtgeschichte. Eine besondere Poesie durchzieht die Bildkompositionen
       auf dem Meer. Als wären es bewegte Turner-Gemälde. Und als die beiden
       Puppen langsam untergehen und Wasserblasen das Bild durchziehen, ist es,
       als wäre die vierte Wand zwischen Bild und Materie aufgehoben.
       
       Zwölf Inszenierungen haben [2][Tim Sandweg und sein Schaubuden-Team]
       eingeladen. Den weitesten Weg nach Berlin hat „Uncertain Studio“. Sie haben
       aus Taiwan ein politisches Table-top-Spiel mitgebracht: „How to F*** the
       Revolution“. Und mit „The Collection of time in the Polymer Age“ eine
       Inszenierung, die sich mit Umweltschutz versus Bodenressourcen in Taiwan
       auseinandersetzt.
       
       Nach „Scooooootch“ sitzen viele Kleinkinder auf der Bühnenfläche des
       Theater Strahl und tasten sich an die Gegenstände heran, die gerade noch
       „Theater“ waren. Über der großen Tür hängt eine alte verstaubte Uhr.
       Stoisch behauptet sie: Es ist 10.15 Uhr und sieht auf die Besenpyramide und
       das hergelaufene Volk herab. Die Besen haben ihre 15 Minuten Ruhm in
       doppelter Dosis bekommen und warten trotzdem schon auf den nächsten
       Auftritt. Ein Besen ist ein Besen. Und er ist ein Star.
       
       7 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Figurentheater-in-Muenchen-und-Berlin/!5722681
 (DIR) [2] /Theaterfestival-Figure-It-Out/!5935929
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katja Kollmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Theater Berlin
 (DIR) Theater
 (DIR) Bühne
 (DIR) Festival
 (DIR) Theater
 (DIR) Theater
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Festival für Objekttheater: Neujustieren in Echtzeit
       
       KI, Roboter und Kleinstelektronik dominieren beim Festival der Dinge. 16
       Objekttheater-Produktionen waren rund um die Berliner Schaubude zu sehen.
       
 (DIR) Inklusives Theater: Zirkus der Luftgeister
       
       Das Theater RambaZamba bespielt seinen „Aerocircus“ im Haus der Berliner
       Festspiele. Dabei denkt es über das Verschwinden des Menschen nach.