# taz.de -- Indien nennt sich um: „Warum haben Sie das gemacht?“
       
       > Ein Schreiben von Indiens Präsidentin sorgte für Furore, weil darin von
       > Bharat statt Indien die Rede war. Der Name erinnere an die Kolonialzeit.
       
 (IMG) Bild: Cricket-Fans aus Indien alias Bharat
       
       Es ging nur um ein einziges Wort, aber das reichte, damit ein Schreiben von
       Indiens Präsidentin Droupadi Murmu Anfang der Woche für Furore sorgte: Auf
       der Einladung zum G20-Empfang stand als Absender „Präsidentin von Bharat“.
       Bharat gilt in Indien zwar als alternativer Landesname, aber das
       Staatsoberhaupt hatte sich offiziell noch nie so bezeichnet.
       
       Das irritierte viele. „Warum haben Sie das jetzt gemacht?“, fragt etwa die
       südindische Politikerin Kanimozhi Karunanidhi, ahnend, dass die regierende
       hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) etwas im Schilde führt.
       Droupadi Murmus Parteifreunde halten dagegen. „Das hätte schon früher
       passieren müssen“, wettert Bildungsminister Dharmendra Pradhan. Wer dem
       nicht zustimme, sei im Herzen gegen Indien beziehungsweise Bharat, meint
       Informationsminister Anurag Thakur.
       
       ## Verfassung lässt beide Namen zu
       
       Die Debatte ließ viele in die Vergangenheit zurückblicken: Der berühmte
       Satz „Indien, das heißt Bharat, soll ein Staatenbund sein“ aus dem Jahr
       1949 hatte diese Woche Hochkonjunktur. Schon bei der Gründung Indiens wurde
       leidenschaftlich über den künftigen Namen des Landes gestritten. Gegen
       „Indien“ sprach für viele Abgeordnete damals, dass es an das koloniale
       „Britisch-Indien“ erinnerte. Als Kompromiss enthielt die indische
       Verfassung beide Namen. Heute führen viele Institutionen „Indien“ in ihrem
       Namen, zum Beispiel die Eliteuniversität „Indian Institute of Technology“.
       Eine der staatlichen Ölfirmen heißt dagegen „Bharat Petroleum“.
       
       Mit der neuen Debatte verfolgt die BJP eine Strategie. Sie knöpft sich
       quasi alte Feinde vor: die einst in Indien herrschenden Moguln sowie die
       Briten. 76 Jahre nach der Unabhängigkeit gibt es jetzt Stimmen in der BJP,
       die laut eine „Abkehr vom Kolonialismus“ fordern. Indiens
       „zivilisatorisches Erbe“ solle zurückerlangt werden, heißt es.
       
       Einige Städte haben jetzt schon „indischere“ Namen, beispielsweise „Mumbai“
       (früher Bombay) oder „Prayagraj“ (ehemals Allahabad). Das ist die Linie von
       religiös-nationalistischen Hindu-Hardlinern. Raghavan Jagannathan von der
       rechtsgerichteten Zeitschrift Swarajya sieht hinter der Namensdebatte auch
       die Frage nach Indiens nationaler Identität.
       
       ## Koexistenz beider Namen zeugt von Vielfalt des Landes
       
       Der indische Premier Narendra Modi (BJP) betrachtet Indien als „Erben des
       antiken Königreichs Bharat“. Für die englischsprachigen, säkularen Eliten
       des Landes sei Indien hingegen eine „geografische Einheit“, die von
       Jawaharlal Nehru, dem ersten Präsidenten aus der konkurrierenden
       Kongresspartei, aufgebaut wurde. Die Koexistenz der beiden Namen präge eine
       „vielfältige Idee der Nation“, was für ihn die Stärke Indiens sei.
       
       Indiens Bürger sehen das eher pragmatisch, so wie Rajesh aus Delhi. Indien
       sei zwar ein kolonialer Name, den die Briten dem Land gegeben hätten, sagt
       er, doch „jeder sollte Indien so nennen können, wie er möchte, ob nun India
       oder Bharat. Warum sollte man das jemandem vorschreiben?“ Er sagt das auf
       Hindi. In einigen indischen Sprachen, die vor allem im Norden gesprochen
       werden, wird „Bharat“ verwendet. Im Süden und Nordosten dagegen wird
       „India“ bevorzugt.
       
       Manche sehen die Namensdebatte auch als einen [1][Seitenhieb auf die
       politische Opposition]. Diese hat gerade die „Indian National Developmental
       Inclusive Alliance“, kurz INDIA, ins Leben gerufen. Der Vorwurf an die
       Regierung lautet, sie wolle so die Opposition schwächen. Allerdings hatten
       schon die Parteivorgänger Modis „India“ als Markennamen gepflegt. 2004 warb
       die BJP-Regierung unter dem Motto „India Shining“ für die Parlamentswahl.
       Die Idee war, Indien international bekannter zu machen.
       
       Es gibt Spekulationen, die Regierung könne eine Sondersitzung im Parlament
       nutzen, um den Namen zu ändern. Ob sie wirklich so weit geht, wird sich
       noch zeigen. Denn nicht nur in Zeitungen ist die Meinung verbreitet, man
       solle die Namensdebatte endlich beenden und wie bisher beide Namen
       verwenden.
       
       8 Sep 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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