# taz.de -- Anklage gegen Österreichs Ex-Kanzler: Kurz droht Haftstrafe
       
       > Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Altkanzler
       > erhoben. Der Vorwurf lautet: Falschaussage im
       > Ibiza-Untersuchungsausschuss.
       
 (IMG) Bild: Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat ein ernsthaftes juristisches Problem
       
       Wien taz | Sebastian Kurz ist zwar seit zwei Jahren nicht mehr
       österreichischer Bundeskanzler, doch er beschäftigt weiterhin Justiz und
       Medien. Die Gerüchteküche in Wien hat wochenlang gebrodelt, am Freitag war
       es nun so weit: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA)
       gab bekannt, Anklage gegen den ehemaligen Spitzenpolitiker zu erheben. Im
       Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.
       
       [1][Kurz] war Ende 2021 wegen mehrerer Skandale, unter anderem des
       mutmaßlichen Kaufs von vorteilhafter Berichterstattung, [2][von allen
       politischen Ämtern zurückgetreten]. Selbst sprach er davon, mehr Zeit für
       seine Familie haben und in die Privatwirtschaft wechseln zu wollen.
       
       Vorgeworfen wird ihm eine Falschaussage vor dem parlamentarischen
       [3][Ibiza-]Untersuchungsausschuss im Juni 2020. Dort hatte der Altkanzler
       angegeben, sich nicht in die Vorsitzbestellung der Staatsholding Öbag
       eingemischt zu haben. Der Posten ging an Thomas Schmid, einen engen
       Vertrauten von Sebastian Kurz. Der will in diese Personalie eingeweiht
       gewesen sein, gibt aber an, nichts mit der Bestellung zu tun gehabt zu
       haben.
       
       Auch ein speziell auf Schmid zugeschriebener Ausschreibungstext wird Kurz
       vorgeworfen. Schon nach Bekanntgabe der Ermittlungen bestritt Kurz all das
       vehement. Die Opposition habe ihm im Untersuchungsausschuss „das Wort im
       Mund umgedreht“ und „Suggestivfragen“ gestellt.
       
       ## Unschuldsvermutung gilt
       
       Die Staatsanwaltschaft sieht das anders, ihre Anklageschrift umfasst rund
       100 Seiten. Neben Kurz selbst werden auch sein früherer Kabinettschef
       Bernhard Bonelli und seine frühere Stellvertreterin als ÖVP-Chefin Bettina
       Glatz-Kremsner wegen Falschaussage angeklagt. Auch sie sollen falsch vor
       dem Untersuchungsausschuss ausgesagt haben. Für alle Genannten gilt die
       Unschuldsvermutung.
       
       Kurz selbst nahm wenige Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe die Anklage
       vorweg. „Die Vorwürfe sind falsch und wir freuen uns darauf, wenn nun
       endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor
       Gericht als haltlos herausstellen“, schrieb er auf X (vormals Twitter).
       Dass die WKStA „trotz 30 entlastender Zeugenaussagen“ entschieden habe,
       einen Strafantrag zu stellen, überrasche ihn nicht. Näher begründete er
       dies nicht.
       
       Noch in seiner aktiven Amtszeit war die WKStA das erklärte Feindbild des
       Altkanzlers. In vertraulichen Hintergrundgesprächen mit Journalisten schoss
       Kurz scharf gegen sie, unterstellte den Korruptionsermittlern
       parteipolitische Motive. Viele hochrangige Vertreter der ÖVP taten es ihm
       gleich.
       
       Die Justiz sah sich unter Kurzens Kanzlerschaft zuvor ungeahnten Angriffen
       ausgesetzt. „Die Justiz wird zum Spielball der Politik. Das halte ich für
       kritisch“, sagte Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, auf
       dem Höhepunkt dieser Angriffe im Mai 2021 dem Standard. Auch die
       schwarz-grüne Regierungskoalition kam durch diese Angriffe gehörig unter
       Druck, hielt aber bis heute – unter einem anderen Kanzler – stand.
       
       ## Glücksfall für Ermittler
       
       Die Hauptverhandlung vor dem Straflandesgericht Wien ist für den 18., 20.
       und 23. Oktober angesetzt. Aussagen wird neben dem früheren Vizekanzler
       [4][Heinz-Christian Strache] unter anderem auch Schmid selbst, der bereits
       im vergangenen November Kronzeugen-Status beantragt hat.
       
       Bereits vor einem Jahr war Schmid in dieser Causa umfassend von der WKStA
       einvernommen worden. Als Glücksfall für die Ermittler erwiesen sich
       Hunderttausende WhatsApp-Nachrichten an Spitzenbeamte und
       Regierungsmitglieder auf seinem sichergestellten Handy. Die Chats haben
       eine wesentliche Rolle bei den aktuellen Ermittlungen gespielt.
       
       Auch in anderen Causae rund um Kurz wird weiter ermittelt, auch hier gilt
       die Unschuldsvermutung: Unter anderem geht es um seine Rolle bei dubiosen
       Inseratengeschäften – die Manipulation von Meinungsumfragen und gekaufte
       Berichterstattung. Auch die Bestellung des Vorstands der Casinos Austria AG
       ist noch Gegenstand von Ermittlungen. All diese Ermittlungsstränge sind ein
       Nachspiel des Ibiza-Skandals vom Mai 2019. Ob er ein reinigendes Gewitter
       gewesen sein wird, werden auch die gesprochenen Urteile zeigen.
       
       18 Aug 2023
       
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