# taz.de -- Anti-Initiativen-Gründer zur Stadtbahn: „Fließenden Verkehr nicht stören“
       
       > In Hamburg träumen viele vom Revival der Straßenbahn. Für Andreas
       > Wagener, der sie 2010 per Volksinitiative stoppte, käme es auf die
       > Linienführung an.
       
 (IMG) Bild: Straßenbahn in Hamburg: Bislang nur mal auf der Durchfahrt auf einem LKW am Jungfernstieg
       
       taz: Herr Wagener, in Hamburg gibt es wieder eine Diskussion um den Bau
       einer Straßenbahn. Wie kam es dazu, dass Sie 2011 mit einer Volksinitiative
       [1][Hamburgs Straßenbahnpläne] verhinderten? 
       
       Andreas Wagener: Meine Lebensgefährtin hatte damals einen Laden am
       Winterhuder Markt.
       
       Der, wo es früher schöne Kleider aus Indien gab? 
       
       Genau. Das war 2009, da bekam ich einen Anruf. „Die wollen euch eine
       Straßenbahn vor den Laden legen.“ Da bin ich sofort in das Büro der Grünen
       und sprach mit dem damaligen Bezirksabgeordneten Martin Bill. Was der mir
       sagte, hat mich erschreckt. Die Straßenbahn sollte über die enge Ohlsdorfer
       Straße zu uns Richtung Winterhuder Marktplatz führen.
       
       Was wäre daran schlimm gewesen? 
       
       Na, allein schon die langen Bauarbeiten. Ich fragte: „Was ist, wenn dann
       keiner mehr hält und zu den kleinen Läden kommt?“ Die können bei
       Bauarbeiten pleite gehen, das habe ich schon mal erlebt. Da hieß es, wenn
       ein Selbstständiger während Baumaßnahmen in Konkurs ginge, wäre es sein
       Problem. Die arrogante Art hat mich wütend gemacht. Da sagte ich: Alles
       klar, ihr werdet sie nicht bauen! Und eine halbe Stunde später hatte ich
       einen Zettel aufgehängt. Daraufhin kamen die ersten Mitbürger zu uns. Von
       da an war das ein Selbstgänger.
       
       Wieso Selbstgänger? 
       
       Weil das Ganze in kurzer Zeit einen großen Zulauf bekam, gründeten wir
       [2][eine Bürgerinitiative] „Gegen den Bau einer Stadtbahn“. Der Marktplatz
       ist ein Nadelöhr, das macht es keinen Sinn, dort eine Straßenbahn
       durchzuführen. Was wir in Hamburgs Norden brauchen, ist eine Bahnverbindung
       von Ost nach West. Also von der Großsiedlung Steilshoop im Osten rüber nach
       Hagenbeck und zum HSV-Stadion, weiter Richtung Elbe. Das kann eine
       Straßenbahn, eine U-Bahn oder von mir aus auch eine Schwebebahn sein.
       
       Also sind Sie nicht grundsätzlich gegen eine Straßenbahn? 
       
       Nein. Sie könnte zum Beispiel über den Ring 2 und oder den Ring 3 führen.
       In der Diskussion kam damals die Frage auf, warum die Strecke nicht über
       den breiten Ring 2 führen kann. Aber da sagten die damals, das ginge nicht.
       Angeblich käme die Straßenbahn nicht unter einer dort befindlichen
       U-Bahn-Brücke durch. Uns hatte das nicht überzeugt.
       
       Was sprach denn für diese Strecke durchs „Nadelöhr“? 
       
       Es ging den Grünen nach unserem Eindruck darum, den Autoverkehr
       auszubremsen und zu verdrängen. Die Streckenführung hätte den Autofahrern
       den Weg durch Winterhude in die Stadt erschwert. Diese Haltung zeigt keine
       Empathie für die Menschen, die auf ihre persönliche Mobilität angewiesen
       sind, die nicht anders zur Arbeit kommen mit vertretbarem Zeitaufwand.
       
       Sind Sie nicht von der Notwendigkeit der Verkehrswende überzeugt? 
       
       Der Klimawandel ist ganz klar ein Problem, über das wir seit den 1970ern
       Bescheid wissen. Aber ich frage mich, ob wir mit solchen Maßnahmen die
       globale Entwicklung beeinflussen können? Es wäre sinnvoller gewesen,
       klimaschonende Technik in andere Länder zu exportieren.
       
       Man kann immer noch beides tun. 
       
       Dabei stellt sich aber die Frage von Aufwand und Ertrag.
       
       Sind Sie schon mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren? 
       
       Sehr häufig. Ich habe meine erste Ausbildung sogar bei einem
       Bahnunternehmen gemacht als Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenbahnverkehr.
       Aber ich brauchte damals zur Arbeit von Finkenwerder südlich der Elbe nach
       Kaltenkirchen nördlich von Hamburg 2,5 Stunden. Deshalb war ich sehr froh,
       als ich mit 18 meinen Führerschein hatte und nur noch halb so lang fuhr.
       
       Wie ging es mit der Volksinitiative weiter? 
       
       Wir hatten einen enormen Zuspruch und nahmen locker die erste Hürde der
       10.000 Unterschriften. Damals kriselte es ja in der schwarz-grünen
       Regierung – CDU-Bürgermeister Ole von Beust trat zurück und es gab
       Neuwahlen.
       
       Hatten Sie nicht auch ein Gespräch mit SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz? 
       
       Ja. Er lud uns damals zu einem Gespräch ein. Wir sagten dem
       Bürgermeisterkandidat, dass Hamburg eine äußere Ringbahn bräuchte und dass
       er, wenn es schnell gehen muss, vorerst die Busse öfter und schneller
       fahren lassen soll.
       
       Scholz [3][hat auf Sie gehört] und als Bürgermeister die Stadtbahn-Pläne
       [4][eingestellt]. Und seither [5][plant die Stadt eine U-Bahn]. Durch deren
       Bau [6][wird die Bevölkerung beeinträchtigt]. 
       
       Ja. Diese Pläne sehe ich auch kritisch. Die neue U5 soll wieder ganz tief
       rein mitten durch die Innenstadt führen. Dabei ist die Innenstadt eh tot.
       Da will kaum einer mehr hin. Ich sag es noch mal: Wir brauchen eine
       Ost-West-Verbindung.
       
       Und Sie sagen, das darf auch eine Straßenbahn sein, solange sie die Autos
       nicht stört? 
       
       Solange sie den fließenden Verkehr nicht stört. Woran ich mich stoße, ist
       die Haltung des jetzigen grünen Verkehrssenators. Ihm fehlt
       Fingerspitzengefühl und die Empathie für die Bürger. Er setzt auf Fahrräder
       und diese Scooter-Roller und nimmt damit die Spaltung der Gesellschaft in
       Kauf. Von einem Verkehrssenator erwarte ich, dass er versucht, die Bürger
       zu einen, statt sie vorsätzlich gegeneinander auszuspielen. Der rot-grüne
       Senat hat sogar [7][extra die Ampeln im Ring 2 so geschaltet], dass
       häufiger Rot ist und weniger Autos fahren können. Das fördert Staus und
       nimmt den Menschen ihre private Zeit.
       
       Mit einem [8][guten Straßenbahnnetz] kämen die Menschen auch zügig von A
       nach B. 
       
       Ja, ich habe Freunde, die wohnen südlich der Elbe in Harburg. Harburg
       gehört zu Hamburg und wird oft vergessen. Die wären froh über eine
       Straßenbahnverbindung in den Norden. Oder auch eine S-Bahn-Röhre im Westen
       parallel zum A7-Elbtunnel. Das würde den Individualverkehr mit Sicherheit
       minimieren.
       
       Aber über der Straßenbahn schwebt das Damoklesschwert des Bürgerprotestes.
       Angenommen, die [9][Stadt greift die Straßenbahn-Pläne] von 2009 wieder
       auf. Was tun Sie? 
       
       Ginge es wieder über die Ohlsdorfer Straße und den Winterhuder Marktplatz,
       würde ich versuchen, die Volksinitiative zu reaktivieren. Die
       Streckenführung bleibt ein No-Go.
       
       Und wenn es andere Strecken wären? 
       
       Dann würde ich es mir angucken.
       
       10 Aug 2023
       
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