# taz.de -- Prekäre Unterbringung von Geflüchteten: „Gegen das Grundgesetz“
       
       > Geflüchtete leben in Hamburg mitunter jahrelang in Unterkünften ohne
       > Privatsphäre. Am Mittwoch demonstrierten sie für eine bessere
       > Unterbringung.
       
 (IMG) Bild: Demo gegen prekäre Unterbringung: Plakat vor der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde
       
       Hamburg taz | Rund 50 Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen haben am
       Mittwochnachmittag vor der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und
       Wohnen im Stadtteil Wilhelmsburg mehr sozialen Wohnungsbau und eine bessere
       Unterbringung von Geflüchteten gefordert. Unter dem Tenor „Hamburg ich
       brauche eine Wohnung von dir“ hatte die feministische Gruppe „NINA – Frauen
       in Aktion e. V.“ (Nina) zu der Kundgebung aufgerufen.
       
       Gerade kommt die Sonne heraus, als Ute Tschirner von Nina für einen
       Redebeitrag zum Mikrofon eilt. Hin und wieder bleiben Passanten stehen,
       die vom S-Bahnhof kommen. Die Demonstrierenden haben einen Brief an
       Senatorin Karen Pein (SPD) vorbereitet und wollen ihr diesen überreichen.
       
       Warum sie nicht nur eine bessere Unterbringung Geflüchteter fordern,
       sondern auch generell mehr sozialen Wohnungsbau, erklärt Tschirner in ihrer
       Rede: Zum guten Leben gehöre auch eine gute Wohnsituation. Die [1][Realität
       in Hamburg] sehe jedoch anders aus. Viele hätten kaum Raum und keine Ruhe.
       Beim Wohnen gehe es immer auch um die Würde des Menschen.
       
       Die Geflüchteten, die vor der Behörde demonstrieren, leben selbst in
       Turnhallen, Containern und anderen provisorischen Unterkünften. Im Brief an
       die Senatorin schreiben sie, dass einige von ihnen „seit 3, 5, 8 oder sogar
       12 Jahren in Unterkünften ohne Privatsphäre“ leben. Sie beklagen, dass es
       keinen Raum gebe zum Lernen und für ein Familienleben. Das sei vor allem
       für Kinder keine tragbare Situation und auch „mit dem Grundgesetz nicht
       vereinbar“, schreiben sie.
       
       ## Leben in Turnhallen und Containern
       
       Eine kurdische Irakerin erzählt während der Kundgebung, dass sie eine
       siebenköpfige Familie hat und schon seit 12 Jahren in einer
       Geflüchtetenunterkunft im Stadtteil Bergedorf lebt. Zur Kundgebung sei sie
       in der Hoffnung gekommen, ihre Situation verbessern zu können. Zwei andere
       Kurdinnen beklagen vor allem die Situation schwangerer Frauen. Beide
       erwarten ein Kind. Sie lebten schon jetzt auf sehr wenig Raum und hätten
       nur 200 Euro monatlich zur Verfügung.
       
       Sadia aus Somalia erzählt, dass sie in einem Lager in Mecklenburg gelebt
       hat, bevor sie nach Hamburg zog und bei Nina aktiv wurde. Sie habe von der
       feministischen Gruppe gehört und erst gar nicht gewusst, wofür sie steht.
       Von den „jungen Frauen, die helfen wollen“, sei sie aber schnell überzeugt
       gewesen.
       
       Die Gruppe geflüchteter, deutscher und migrantischer Frauen* gibt es seit
       acht Jahren. Simone ist von Anfang an dabei. In Sachen Wohnungsfrage habe
       es seit der Gründung keine Besserung gegeben, sagt sie. Im Gegenteil:
       Unterm Strich gebe es heute weniger Sozialwohnungen. Bereits 2018 hätten
       sie Briefe an alle Abgeordneten im Rathaus geschrieben und mit Aktionen auf
       das Thema aufmerksam gemacht, erzählt sie. So wurde im April 2018 ein Zelt
       in der Größe eines Zimmers einer Geflüchtetenunterkunft am Rathaus
       aufgebaut und begehbar gemacht.
       
       Die Bürgerschaftsfraktion der Linken unterstützt die Kundgebung. Deren
       flüchtlingspolitische Sprecherin Carola Ensslen betont in einer
       Stellungsnahme den psychischen Druck, der mit der langjährigen
       „Unterbringung in Massenunterkünften“ verbunden sei. Es handele sich um
       „eine familien- und integrationsfeindliche Politik“, so Ensslen.
       Erschwerend komme hinzu, dass der Bund Haushaltskürzungen für beratende,
       psychosoziale Zentren um 70 Prozent und die Migrationsberatung für
       Erwachsene um 30 Prozent kürzen möchte. Es müsse letztendlich lokal
       gegengesteuert werden.
       
       Exemplarisch für die [2][miserablen Zustände in Hamburg] steht die
       [3][Zentrale Erstaufnahme Rahlstedt] (ZEA). Antirassistische Gruppen und
       Vereine kritisieren die Zustände dort seit Jahren und rufen auch dort
       regelmäßig zu Protestkundgebungen auf.
       
       Unter anderem fordert das Bündnis, die Dauer der provisorische
       Unterbringung zu verkürzen. Maximal dürfe man Menschen in der ZEA drei Tage
       unterbingen. Dort gebe es keine Möglichkeit, selbst zu kochen, nur eine
       Kantine. Ein junger Mann aus Syrien lebe seit vier Monaten in der ZEA,
       teile sich ein 36 Quadratmeter großes Zimmer mit 16 anderen Erwachsenen.
       All dies führe zum Eindruck, es gebe Menschen zweiter Klasse, kritisiert
       das Bündnis. Das Leben in der ZEA bestehe vor allem aus Warten.
       
       Auch am Mittwoch warteten die Geflüchteten, in diesem Fall auf die
       Senatorin. Als sie den Brief schließlich überreichten, war sie jedoch außer
       Haus.
       
       11 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Frankenreiter
       
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