# taz.de -- Wohnpflicht für Geflüchtete: Immer im Blick
       
       > Geflüchtete dürfen in Hamburg nicht privat unterkommen, obwohl die
       > Erstaufnahmen überbelegt sind. Der Senat möchte sie unter Kontrolle
       > halten.
       
 (IMG) Bild: Kalt und steril: Duschcontainer in einer Hamburger Erstaufnahme
       
       Hamburg taz | Trotz der überfüllten Erstaufnahmen in Hamburg dürfen
       Schutzsuchende nicht bei der Verwandtschaft oder Freund*innen
       unterkommen. Sie sind verpflichtet, mindestens sechs Monate in den
       vorgegeben Unterkünften zu bleiben. [1][Die Ausländerbehörde] begründet das
       mit dem Schutz und der Betreuung der Flüchtlinge. Tatsächlich geht es aber
       darum, eine mögliche Abschiebung zu vereinfachen.
       
       Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft hat jetzt die Aussetzung der
       Wohnverpflichtung beantragt. Die Unterbringungskapazitäten seien am Limit,
       sagt Francis Suppelna, Referent der Fraktion. Die Lage in den Erstaufnahmen
       beschreibt er so: „Eine sehr konfliktträchtige Massenunterbringung und
       Massenverwaltung“. Diese Zustände müssten schnellstmöglich beendet werden,
       fordert die Linksfraktion. Dass das geht, zeige Berlin, wo der Senat die
       Wohnverpflichtung bereits aufgehoben habe.
       
       ## Geflüchtete sollen erreichbar sein
       
       Nach dem monatlichen Lagebild der „Stabstelle Flüchtlinge und übergreifende
       Aufgaben“ musste Hamburg im Mai 880 Schutzsuchende unterbringen. Im April
       waren es noch 705. Die Auslastung von Erstaufnahmen und öffentlichen
       Folgeunterbringungen liegt nun bei 129 Prozent.
       
       Manfred Ossenbeck vom „Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen“ beschreibt
       die Situation in den Unterkünften als „extrem zugespitzt“. Es gebe weder
       Privatsphäre noch Rückzugmöglichkeiten. Zudem würden die Betroffenen mit
       Eingangs- und Ausgangskontrollen überwacht.
       
       Wie drastisch und angespannt die Situation ist, verdeutlicht ein Todesfall
       im Februar. In einer Unterkunft im Stadtteil Ohlsdorf starb ein 61-jähriger
       Mann nach einem Streit mit zwei anderen Männern.
       
       Laut [2][Paragraph 47 des Bundesasylgesetzes] müssen die Schutzsuchenden
       mindestens sechs bis 18 Monate in der Erstaufnahme bleiben – auch dann,
       wenn Möglichkeiten bestehen, bei der Verwandtschaft oder Freund*innen
       unterzukommen. Die genaue Dauer hängt mit Merkmalen wie Familienstand,
       Volljährigkeit und Bleibeperspektive zusammen. Die Bundesländer können die
       Wohnpflicht aber aufheben.
       
       Es gibt auch in Hamburg Ausnahmen, wie das Amt für Migration mitteilt. Wer
       krank ist, Arbeit hat oder sich in einer Ausbildung befindet, kann die
       Aufnahmeeinrichtung verlassen. Das gilt auch für Menschen mit einem
       Schutzstatus und grundsätzlich für Ukrainer*innen.
       
       Zudem hat die Innenbehörde entschieden, dass Geflüchtete mit
       Bleibeperspektive im Einzelfall privat unterkommen dürfen. „Die
       Wohnverpflichtung wird in diesen Fällen allerdings nicht aufgehoben“, sagt
       der Sprecher der Innenbehörde, Matthias Krumm. „Zugelassen wird der
       tatsächliche Aufenthalt an einem anderen Ort, sodass Geflüchtete einen
       sicheren Platz haben, wenn die private Unterbringung doch wieder enden
       sollte.“
       
       Laut dem Amt für Migration dient [3][die öffentliche Unterbringung] dazu,
       Schutzsuchende zuverlässig zu erreichen, damit diese Ladungen und Termine
       nicht verpassen. Diese Einschätzung basiere auf langjähriger Erfahrung.
       „Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge berichtet immer wieder
       von großen Schwierigkeiten, Geflüchtete zu erreichen, wenn sie die
       Erstaufnahme verlassen haben und den Kommunen zugewiesen worden sind“,
       teilt die Hamburger Behörde mit.
       
       ## „Erstaufnahmen erleichtern das Ankommen“
       
       Der Linken will das nicht einleuchten. „Es handelt sich um erwachsene
       Menschen, die in der Lage sind, ihre neue Anschrift dem Amt für Migration
       mitzuteilen“, sagt Suppelna. Den Geflüchteten sei sehr bewusst, dass
       wichtige Post kommen könne, die nicht verpasst werden dürfe.
       
       Das Amt für Migration argumentiert, der Förder- und Schutzbedarf könne
       durch die Wohnpflicht besser erkannt und umgesetzt werden: „Die
       Erstaufnahme erleichtert das Ankommen in Deutschland, informiert, berät und
       legt den Grundstein für den weiteren Aufenthalt.“
       
       Die Linksfraktion verweist darauf, dass Geflüchtete nicht auf die
       Erstaufnahme angewiesen seien, um sich Hilfe zu holen. Vernetzungs- und
       Unterstützungstrukturen gebe es auch außerhalb. Um das zu fördern, schlägt
       Die Linke ein Merkblatt mit Kontaktdaten vor. Innerhalb der
       Aufnahmeeinrichtungen werde vieles vom Wachschutz organisiert. Dabei seien
       Spannungen mit den Wachleuten an der Tagesordnung. Im Übrigen könne Hilfe
       „extern durch Sozialberatungen viel besser und persönlicher gewährleistet
       werden“.
       
       Worum es bei der Wohnpflicht eigentlich geht, sagt Michael Gwodzs, Sprecher
       für Flucht der Grünen-Bürgerschaftsfraktion mit erfrischender Deutlichkeit:
       „Der Gesetzgeber hat die Wohnpflicht im Gesetz verankert, um die
       Abschiebung von Menschen zu erleichtern, deren Asylantrag abgelehnt wurde.“
       
       28 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Linken-Anfrage-zu-Umgang-mit-Papierlosen/!5933606
 (DIR) [2] https://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/__47.html
 (DIR) [3] /Unterkuenfte-fuer-Gefluechtete-in-Hamburg/!5923594
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nur Maulawy
       
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