# taz.de -- Flensburger Hotelprojekt: Kein Klima für eine Waldbesetzung
       
       > Amtsrichter erkennt bei der Besetzung des Flensburger Bahnhofswaldes
       > keinen rechtfertigenden Notstand. Eine Kollegin hatte das anders gesehen.
       
 (IMG) Bild: Fast fertig zur Rodung: Polizisten bei der Räumung des Bahnhofswaldes
       
       Flensburg taz | Trotz strömenden Regens haben sich am Mittwochmorgen rund
       20 Personen vor dem Amtsgericht in Flensburg zu einer Kundgebung
       versammelt. Sie zeigen ihre Solidarität mit zwei Besetzerinnen des
       Bahnhofswaldes, die sich wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht verantworten
       müssen. Mit der Besetzung hatten diese versucht, den Bau eines Hotels
       direkt neben dem Bahnhof zu verhindern, für den das Wäldchen hätte gefällt
       werden müssen.
       
       Die beiden Angeklagten werden beschuldigt, im Februar 2021
       [1][widerrechtlich das befriedete Grundstück in der Bahnhofstraße 40–50
       betreten und sich dort zusammen mit anderen Besetzer*innen in
       Baumhäusern aufgehalten zu haben]. Dafür wurden Strafbefehle erlassen, die
       mit einer Geldstrafe von jeweils 15 Tagessätzen zu je 15 Euro belegt
       wurden. Beide Angeklagte legten jedoch Einspruch ein. So kam es zu der
       Verhandlung, die fast sechs Stunden dauerte.
       
       Der Prozess fand im sogenannten Krawall-Saal A 113 statt, vor dem strenge
       Einlasskontrollen stattfanden. Am Gerichtseingang wurden die Kleider und
       Rucksäcke der Besucher*Innen durchsucht. Der Richter begründete die
       Wahl dieses Saales mit der angemeldeten Demonstration vor dem Amtsgericht
       und damit, dass in der Vergangenheit Prozesse mit ähnlichem, öffentlichem
       Interesse nicht immer einfach gewesen seien.
       
       Gleich zu Anfang argumentierte der Verteidiger einer der beiden
       Angeklagten, dass das Gelände des Bahnhofswaldes nur unzureichend
       eingezäunt gewesen sei und dass Waldgebiete grundsätzlich betreten werden
       dürften. Er stellte auch in Frage, ob eine berechtigte Person die
       Demonstrant*Innen in rechtmäßiger Weise aufgefordert habe, die Bäume zu
       verlassen. Die sechs Zeugen – allesamt Polizist*Innen – bestätigten
       diese Zweifel oder waren sich nicht mehr sicher, wie die Begebenheiten im
       Februar 2021 genau waren.
       
       ## Ein Strafbefehl bleibt
       
       Die Staatsanwaltschaft insistierte dennoch darauf, die Strafbefehle
       beizubehalten: also 15 Tagessätze zu je 15 Euro sowie die Übernahme der
       Verfahrenskosten. Der Anwalt und die Aktivistinnen wiesen das zurück
       und beriefen sich für die Baumbesetzung auf das Argument des
       „rechtfertigenden Notstandes“.
       
       Nachdem der Richter sich für etwa 45 Minuten zurückgezogen hatte,
       verkündete er das Urteil. Die Angeklagte, welche von einer der Zeug*innen
       erkannt worden war, wurde für schuldig befunden. Sie muss zahlen. Die
       zweite Angeklagte wurde freigesprochen.
       
       Der Richter ließ sich nicht vom Argument des „rechtfertigenden Notstands“
       überzeugen, obwohl eine seiner Kolleg*Innen im November 2022 zur
       Besetzung des Bahnhofswaldes eine andere Entscheidung getroffen hatte. Das
       Amtsgericht Flensburg sprach damals einen 41-Jährigen frei, dem
       Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde.
       
       [2][Dabei wog das Amtsgericht den Klimaschutz als ein Rechtsgut von
       Verfassungsrang gegen den Eigentumsschutz der Waldeigentümer ab] und
       stellte fest, dass der Hausfriedensbruch in diesem Fall gerechtfertigt sei.
       Dabei verwies das Amtsgericht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts
       aus dem Jahr 2021, das die unzureichende Gesetzgebung zum Klimaschutz
       kritisierte.
       
       Dagegen ließ der Richter in der aktuellen Verhandlung wissen, die
       persönlichen Ansprachen der Aktivistinnen hätten seine Entscheidung nicht
       beeinflusst. Die Angeklagten hatten darin betont, wie wichtig es gewesen
       sei, den Wald zu erhalten und für Klimaschutz einzustehen.
       
       Nach der Bekanntgabe des Urteils entstanden im Gerichtssaal lautstarke
       Rufe, die die unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf den Fall
       verdeutlichten. Viele Aktivist*Innen kritisieren scharf die Umstände,
       unter denen der Bahnhofswald im Februar 2021 geräumt worden war. Die
       Investoren hatten zunächst einen Sicherheitsdienst beauftragt, der die
       besetzten Bäume leicht ansägte. Das Strafverfahren in diesem Zusammenhang
       wurde jedoch eingestellt.
       
       Die [3][Stadt Flensburg rechtfertigte die anschließende Räumung durch die
       Polizei mit Verweis auf die Corona-Ausgangssperre], obwohl dadurch viele
       Menschen vor Ort zusammenkamen. Das Gelände wurde sofort gerodet, während
       der Bau des Hotels erst ein Jahr später begann, dann aber sehr schnell
       wieder ruhte. [4][Die Umweltorganisation BUND hat einen vorläufigen
       Baustopp erwirkt], der solange in Kraft bleibt, bis geklärt ist, ob die
       Investoren gegen Naturschutzauflagen verstoßen haben.
       
       13 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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