# taz.de -- Grünen-Kreisvorsitzende über Koalition: „Wir erreichen unsere Ziele nicht“
       
       > Die Grünen in Cloppenburg hadern mit der Ampel-Koalition. Nun haben sie
       > einen Bundesparteitag beantragt, um über einen Koalitionsaustritt zu
       > sprechen.
       
 (IMG) Bild: Grüne außen vor: Kanzler Scholz mit Finanzminister Lindner, Vizekanzler Habeck lauschend
       
       taz: Frau Rameil, wollen die Cloppenburger Grünen [1][die Ampel-Koalition
       im Bund stürzen?]
       
       Anne Rameil: Nein, das ist bei dem Antrag auf die Einberufung eines
       dringlichen Bundesparteitags definitiv nicht unsere Absicht. Aber wir
       brauchen als Grüne eine öffentlich wahrnehmbare Debatte darüber, was unsere
       roten Linien in dieser Koalition mit SPD und FDP sind.
       
       Aber Sie wollen schon auch über einen Austritt der Grünen aus der Koalition
       debattieren, heißt es im Antrag. 
       
       Uns war von Anfang an klar, dass diese Koalition nicht einfach wird. Und
       natürlich gehört es dazu, dass wir in der Koalition Kompromisse schließen
       müssen. Wir vermissen aber deren Ausgewogenheit: Wir Grüne mussten schon
       ziemlich viele bittere Pillen schlucken, die ihre Ursache in der
       Energiekrise hatten und die wir mittragen mussten. Nun machen aber SPD und
       FDP gegen uns gemeinsame Sache und torpedieren die Klimaziele.
       
       Das heißt? 
       
       In dieser Koalition erreichen wir unsere politischen Ziele nicht im
       erforderlichen Maß. Nun darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir
       Grüne an der Macht kleben und um jeden Preis regieren wollen. Warum sollten
       bisherige Grünen-Wähler*innen bei kommenden Wahlen sonst noch einen Grund
       haben, uns ihre Stimmen zu geben? Deshalb ist klar, dass ein Austritt aus
       der Koalition auch eine Option ist, über die wir diskutieren sollten.
       
       Stoßen Sie damit in der Partei- und Fraktionsspitze auf offene Ohren? 
       
       Uns teilte der Bundesvorstand mit, dass er den Antrag als Misstrauensvotum
       versteht. Dabei ist das gar keine Kritik an unserer Parteispitze: Viel mehr
       wollen wir ihnen und ihren Forderungen gegenüber den Koalitionspartnern
       Nachdruck verleihen, wir wollen sie unterstützen. In den
       Koalitionsgesprächen kann unsere Parteispitze der SPD und der FDP künftig
       klar machen: Hier macht unsere Partei nicht mit und das stärkt sie.
       
       Was sind denn die roten Linien? 
       
       Mit dem Aufweichen der Sektorenziele und dem beschleunigten Autobahnausbau
       befinden wir uns ganz nah an den roten Linien: Diese Ergebnisse des
       Koalitionsausschusses Ende März haben gezeigt, dass Kompromisse nicht mehr
       ausgewogen sind. Und auch der anhaltende Streit um die Kindergrundsicherung
       enttäuscht uns sehr – offensichtlich fällt uns jetzt auf die Füße, dass die
       Einigung zur Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag zu ungenau war und
       jetzt um die Finanzierung gerungen werden muss. Das alles sind Ergebnisse,
       bei denen selbst im konservativen Cloppenburg die grüne Seele leidet. Und
       zuvor mussten wir schon eine Menge bitterer Pillen schlucken, etwa bei der
       Verlängerung der AKW-Laufzeiten. SPD und FDP haben offenbar beschlossen, in
       uns die größte Konkurrenz zu sehen und uns deshalb permanent zu
       attackieren.
       
       Was folgt daraus? 
       
       Für die Zukunft müssen wir also [2][die grünen Kernthemen des
       Koalitionsvertrags] definieren, die nicht verhandelbar sind.
       
       Beschlossen hatte den Antrag eine Kreismitgliederversammlung – wie verlief
       darüber die Diskussion? 
       
       Es war sogar eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Die findet erst
       statt, wenn sich mindestens zehn Prozent der Mitglieder dafür aussprechen.
       Ich bin seit Ende der 90er bei den Cloppenburger Grünen aktiv und das hat
       es seither bei uns noch nie gegeben. Es war dann eine sehr differenzierte
       Debatte, die aber im Tenor absolut einhellig war. Nur sehr wenige
       Mitglieder fanden die Form, also die Einberufung eines außerordentlichen
       Parteitags, zu scharf.
       
       Glauben Sie, dass Ihre Wut über die Ampel-Koalition repräsentativ für die
       gesamte Grünen-Basis ist? 
       
       Das kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Natürlich geht manchen
       unsere Forderung, auch über [3][einen Austritt aus der Koalition zu
       sprechen,] zu weit. Was aber offensichtlich ist: Es gibt mit dieser
       Koalition ein breites Unbehagen und unser Antrag trifft durchaus auf
       positive Resonanz.
       
       Wie optimistisch sind Sie, dass sich zehn Prozent der Kreisverbände hinter
       Ihren Antrag stellen, damit der außerordentliche Parteitag stattfindet? 
       
       Wir haben sehr schnell Rückmeldungen einiger Kreisverbände erhalten, die
       uns unterstützen. Und viele Kreisverbände haben uns informiert, dass sie
       vor Ort über unseren Antrag diskutieren wollen. Noch kann ich aber nicht
       einschätzen, ob wir in den nächsten Wochen genügend Zustimmung bekommen.
       
       5 May 2023
       
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