# taz.de -- Vor dem Flüchtlingsgipfel: Widerstand gegen Abschottung
       
       > Beim Flüchtlingsgipfel am Mittwoch will das Kanzleramt den Ländern
       > vorschlagen, das Asylrecht massiv zu verschärfen. Grüne in der Ampel sind
       > dagegen.
       
 (IMG) Bild: Die Grenzen der Flüchtlingspolitik: Unterkunft für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld in Berlin
       
       Berlin taz | Die Grünen distanzieren sich von
       [1][Asylrechtsverschärfungen], die das Bundeskanzleramt im
       Flüchtlingsstreit zwischen Bund und Ländern vorschlägt. „Statt pauschaler
       Rufe nach mehr Abschiebungen braucht es die konkrete Unterstützung bei
       Maßnahmen für eine Integrationsoffensive vor Ort in den Kommunen“, sagt die
       Migrationsexpertin der Bundestagsfraktion, Filiz Polat, der taz. Auch die
       Linke sowie Flüchtlings- und Menschenrechtsverbände sind entsetzt über die
       Vorschläge in dem Beschlussentwurf für den Flüchtlingsgipfel am Mittwoch.
       
       Eine Einigung zwischen Bund und Ländern ist vor dem Gipfeltreffen auf
       Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht in Sicht. Die Kommunen
       ächzen seit Monaten, sie seien mit Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten
       überfordert. Anders als von den Ländern gefordert ist die Bundesregierung
       aber nicht bereit, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Stattdessen soll
       laut dem Entwurf schneller und öfter abgeschoben werden.
       
       Dafür soll die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden und
       Polizeistellen bei Abschiebungen verbessert werden. Außerdem sollen
       Haftgründe im Asylrecht ausgeweitet, die Höchstdauer des sogenannten
       Ausreisegewahrsams soll von 10 auf 28 Tage erhöht werden. Die Behörden
       sollen bei Abschiebungen mehr Räume in den Unterkünften betreten dürfen als
       bisher.
       
       Außerdem sollen mehr Länder zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten
       erklärt werden. Konkret geht es um die EU-Beitrittskandidaten Georgien und
       Moldau. Dort drohe „weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder
       erniedrigende Bestrafung oder Behandlung“, heißt es in dem Papier.
       Menschen, die aus sicheren Herkunftsstaaten fliehen, erhalten in der Regel
       kein Asyl.
       
       ## Kaum Möglichkeiten, in der Gesellschaft einzufinden
       
       Eine weitere drastische Verschärfung der gegenwärtigen Asylpraxis wäre die
       im Entwurf vorgeschlagene „Einrichtung zentraler Ankunftseinrichtungen“,
       damit Rückführungen „direkt aus diesen Einrichtungen heraus betrieben
       werden können“. Unter dem Begriff „Ankerzentrum“ gibt es solche Zentren in
       einigen Bundesländern bereits, etwa in Bayern. Neu angekommene
       Asylbewerber*innen werden hier zunächst festgehalten, nur Menschen mit
       guten Chancen auf Asyl werden auf lokale Einrichtungen verteilt.
       
       „Die Geflüchteten in den Ankerzentren haben kaum Möglichkeiten, sich in die
       Gesellschaft einzufinden“, sagt Franziska Sauer vom Flüchtlingsrat Bayern.
       Ohne Zugang zu Arbeitsmarkt und regulärem Bildungssystem seien sie in den
       Einrichtungen massiv isoliert. „Das hat starke psychische und auch
       gesundheitliche Folgen für die Menschen.“
       
       Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara
       Bünger, kritisiert: „Statt langfristige Finanzierungskonzepte zu
       entwickeln, setzt die Bundesregierung auf [2][Entrechtung und Abschottung].
       
       Als „hanebüchen“ bezeichnet auch der auf Abschiebehaft spezialisierte
       Rechtsanwalt Peter Fahlbusch den Vorschlag des Kanzleramts. „Wieder einmal
       zieht die Politik das Thema Abschiebehaft heran, um sich als handlungsfähig
       darzustellen – auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können.
       Allein unter den rund 2.400 Menschen, die er im Laufe der Jahre vertreten
       habe, sei mehr als die Hälfte rechtswidrig inhaftiert gewesen. „Bisher
       braucht es für den Ausreisegewahrsam keinen Haftgrund, weil der eben nur
       maximal zehn Tage dauert“, erklärt Fahlbusch. „Menschen stattdessen für
       vier Wochen einzusperren, obwohl nicht mal Fluchtgefahr besteht – das ist
       aus meiner Sicht ganz klar verfassungswidrig.“
       
       Wiebke Judith von Pro Asyl nennt die Vorschläge des Kanzleramts
       „Augenwischerei“: „Weder Abschottung an den Außengrenzen noch mehr Härte
       bei Abschiebungen werden die akuten Probleme der Kommunen lösen.“ Auch
       Amnesty International zeigt sich „besorgt“ über die Pläne. Am Mittwoch
       müssten „tatsächliche und menschenrechtskonforme Lösungen“ gefunden werden
       anstatt „Handlungsfähigkeit auf dem Rücken von Geflüchteten zu
       suggerieren“, sagt Sophie Scheytt, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty.
       
       Die Länder dürften sich kaum auf den Deal einlassen, den das
       Bundeskanzleramt skizziert hat. Zwar hatten sich auch
       Ministerpräsident*innen für ein verschärftes Asylrecht
       ausgesprochen, dabei hatten sie aber betont, am Wichtigsten sei mehr Geld,
       um die Versorgungssituation vor Ort zu verbessern.
       
       9 May 2023
       
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