# taz.de -- Schweiger und die Folgen: Gefeuert gehört das System
       
       > Die Debatte um Grenzüberschreitungen von Kulturpromis verdeckt: Zu viele
       > fühlen sich pudelwohl im Klima der Angst. Denn sie profitieren davon.
       
 (IMG) Bild: Regisseur und Schauspieler Til Schweiger wird nach einer „Spiegel“-Recherche Machtmissbrauch vorgeworfen
       
       Til Schweiger wurde outgecallt. Das Öffentlichmachen von missbräuchlichem
       Verhalten ist notwendig und extrem mutig von denjenigen, die das Schweigen
       brechen. Dank ihnen [1][sprechen wir also seit einigen Tagen wieder über
       Machtmissbrauch] im Kulturbetrieb. Diesmal eben beim Film – doch die
       Parallelen zu den regelmäßigen Enthüllungen am Theater sind deutlich.
       „Klima der Angst“? Das kennen wir doch irgendwoher.
       
       Die Wiederholungen werfen Fragen auf: Warum fällt es uns so schwer, für ein
       besseres Arbeitsklima einzustehen, Missbrauch zu melden und uns gegen
       Gewalt zu stellen? Auf unterer Ebene geht es auch um Existenzangst. Doch
       einige Kolleg*innen oder gar Verantwortliche in Produktionsfirmen oder
       der Kulturpolitik müssen sich die Frage stellen lassen, wie stark
       Karrierismus, Geld- und Machthunger ausgeprägt sind, um diese
       ausbeuterischen Verhältnisse weiterhin zu dulden oder gar zu fördern. Zu
       viele fühlen sich pudelwohl im Klima der Angst – sonst würden sie sich für
       einen Klimawandel einsetzen.
       
       Das ist einer der kritischen Punkte von Call-out-Culture: Es sollte nicht
       um Einzelfälle gehen oder darum, ob dieser eine prominente Kopf rollt oder
       nicht. Wir sollten den Anlass nutzen, um die Strukturen zu analysieren,
       strukturelle Probleme zu benennen und dann auf allen involvierten Ebenen
       nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Geniekult, Starkult und eine
       Gesellschaft, in der diejenigen als cool gelten, die besonders hart und
       erfolgreich sind, statt jener, die besonders freundlich und fürsorglich
       sind, führen dazu, dass gewaltsames Verhalten zu spät als solches erkannt
       und benannt wird.
       
       Wenn prominente Personen outgecallt werden, wenn auch denjenigen Grenzen
       aufgezeigt werden, die berühmt oder mächtig sind, dann wird das Signal
       gesendet, dass man sich auch in hohen Positionen nicht alles erlauben kann.
       Es nimmt hoffentlich Täter*innen das Gefühl, unantastbar zu sein.
       
       ## Es gibt Hoffnung
       
       Dass Betroffene sich solidarisch zusammenschließen und sich an die Presse
       wenden, ist ein großer Gewinn für alle. In einem Gefüge aus Netzwerken und
       Beziehungen, in dem sich Arschlöcher gegenseitig decken und befördern und
       dann auch noch behaupten, sie täten das für die Kunst, ist es nicht nur
       sehr erfrischend, Gegenstimmen zu hören – diese Gegenbewegung gibt
       Hoffnung, dass Menschen im Betrieb, aber auch das Publikum sich in Zukunft
       dafür einsetzen werden, dass auch Kunst fair produziert wird.
       
       Wichtig ist, genau hinzuschauen, was nach jedem Call-out passiert, welche
       nächsten Schritte ergriffen werden. Die Arbeitsbedingungen im Kulturbetrieb
       müssen auch dann Aufmerksamkeit bekommen, wenn es keine sensationellen
       Enthüllungen gibt. Die großen Gehaltsgefälle, die Abhängigkeiten, die
       starren Hierarchien – alles, was Machtmissbrauch begünstigt, muss
       hinterfragt werden. Gefeuert gehört ein System. Nicht nur eine einzelne
       Person.
       
       7 May 2023
       
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