# taz.de -- Rechtsextreme Jugendorganisation der AfD: Sicherheitsbehörden ohne Überblick
       
       > Nur in einzelnen Ländern gibts es Daten zu Mitgliedern der Jungen
       > Alternativen, die Waffen besitzen. Grüne und Linke warnen vor einem
       > „Sicherheitsrisiko“.
       
 (IMG) Bild: Demo der AfD in Erfurt Ende April mit Björn Höcke, Alice Weidel und Stefan Möller (v.l.)
       
       Berlin taz | Nancy Faesers Ansage war deutlich. Die Junge Alternative (JA)
       verbreite „nichts als Hass und Ausgrenzung“, erklärte die
       Bundesinnenministerin, als vor einer Woche das Bundesamt für
       Verfassungsschutz [1][den AfD-Jugendverband als gesichert
       rechtsextremistisch einstufte], zusammen mit dem neurechten Institut für
       Staatspolitik und dem Verein Ein Prozent. Die Gruppen seien „geistige
       Brandstifter“, deren Gefahr „niemand unterschätzen sollte“, warnte sie.
       
       Und auch eine zweite Ansage wiederholte die Sozialdemokratin zuletzt
       beständig: Rechtsextreme [2][gehörten entwaffnet] und aus dem Staatsdienst
       entfernt. Beide Absichtserklärungen richten sich nun auch auf die neu
       eingestuften Rechtsextremisten. Nach einer taz-Umfrage in den
       Innenministerien und Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern aber wird
       klar: Eine Übersicht, wie viele Mitglieder der JA Waffen besitzen oder im
       öffentlichen Dienst arbeiten, fehlt bisher. Und auch den Bundestag stellen
       die Neueinstufungen vor Probleme.
       
       Eine Sprecherin von Faeser erklärte der taz, gefragt nach dem Umgang mit
       der JA nach der rechtsextremen Einstufung, nur allgemein, der Entzug von
       waffenrechtlichen Erlaubnissen und die Entfernung von Extremist*innen
       aus dem öffentlichen Dienst habe für die Sicherheitsbehörden „hohe
       Priorität“. Aber: „Zu konkreten Prüfungen oder aktuellen Zahlen können wir
       uns nicht äußern.“
       
       Eine taz-Umfrage in allen 16 Bundesländern macht klar, was der Grund dafür
       sein dürfte: Nur die wenigsten Behörden haben einen genauen Überblick über
       Waffenerlaubnisse der JA-Mitglieder und Tätigkeiten im öffentlichen Dienst.
       Insgesamt zählen die Länder bundesweit inzwischen etwas mehr als die
       zuletzt offiziell benannten 1.600 JA-Mitglieder.
       
       ## Bayern sagt nichts
       
       Zu Waffenerlaubnissen heißt es aber lediglich aus Mecklenburg-Vorpommern,
       wo die JA bereits zuvor als gesichert rechtsextrem eingestuft war, dass es
       hier Erkenntnisse im „unteren einstelligen Bereich“ gebe. Beschäftigungen
       im öffentlichen Dienst seien nicht bekannt.
       
       In Hessen wiederum, wo die JA seit 2019 ein Beobachtungsobjekt ist, meldete
       der Verfassungsschutz in zwei Fällen eine Waffenerlaubnis von
       JA-Mitgliedern an die Waffenbehörden. Eine Entwaffnung der Szene bleibe ein
       festes Ziel, erklärt das Landesamt. Und die JA sei „fest in die
       rechtsextremistische Szene in Hessen integriert“.
       
       Rheinland-Pfalz teilt mit, eine „einstellige Anzahl von bekannten
       JA-Mitgliedern“ verfüge über waffenrechtliche Erlaubnisse. Die zuständigen
       Waffenbehörden seien darüber in Kenntnis gesetzt und prüften die Fälle nun.
       
       Die anderen Länder geben sich zugeknöpfter. In Bayern, wo die AfD-Jugend
       seit 2019 eingestuft ist, will man sich zu Waffenbesitz von JA-Mitgliedern
       grundsätzlich nicht äußern – um keine Rückschlüsse auf die „Arbeitsweise“
       des Verfassungsschutzes zuzulassen.
       
       ## Teils wird in den Ländern noch separat geprüft
       
       Aus Baden-Württemberg, wo die JA noch Verdachtsfall ist, heißt es zum
       Waffenbesitz oder zu JA-Mitgliedern im öffentlichen Dienst fehlten
       „belastbare umfassende Erkenntnisse“. „Nicht jedes JA-Mitglied unterliegt
       den Voraussetzungen der verfassungsschutzrechtlichen Bearbeitung“, so ein
       Sprecher des Innenministeriums.
       
       „Nicht jedes JA-Mitglied unterliegt den Voraussetzungen der
       verfassungsschutzrechtlichen Bearbeitung“, so ein Sprecher des
       Innenministeriums. Und Thüringen und Sachsen erklären, es würden
       grundsätzlich „keine personen- oder organisationsbezogenen Statistiken zum
       Waffenbesitz“ geführt. In Thüringen ist die JA schon länger als
       rechtsextremistisch eingestuft. Der sächsische Verfassungsschutz reagierte
       nun prompt und stufte nach der Entscheidung des Bundesamts auch die
       sächsische JA sofort als gesichert rechtsextrem ein.
       
       Auch in Niedersachsen, wo der Verfassungsschutz die Parteijugend bereits
       seit 2018 beobachtet und aktuell eine „stetige Radikalisierung“
       konstatiert, fehlen Erkenntnisse zu Waffenbesitz. Aus Bremen, wo der
       Verband ebenfalls seit 2018 eingestuft ist, heißt es, die JA entfalte seit
       2020 keinerlei öffentliche Aktivität mehr – und es sei auch kein Mitglied
       mit Waffenerlaubnis oder im öffentlichen Dienst bekannt.
       
       Andere Länder – wie Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder
       Brandenburg – prüfen dagegen immer noch, ob auch die dortige JA als klar
       rechtsextrem einzustufen ist. Solange gibt es von dort auch keine Zahlen zu
       Waffenbesitz. Sachsen-Anhalt, Saarland oder Berlin wollten sich, jenseits
       ihrer Jahresberichte, grundsätzlich nicht zur JA äußern. Auch in Hamburg,
       wo die AfD-Parteijugend „nahezu inaktiv“ sei, prüfe man Auswirkungen der
       bundesweiten Einstufung.
       
       ## Auch im Bundestag keine Übersicht
       
       Der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich hält die fehlende Übersicht für
       gefährlich. „Es ist jetzt die Aufgabe der Länder und des Bundes, sich
       schnell einen Überblick über die Zahl an Waffen bei JA-Mitgliedern zu
       verschaffen und die Informationen an die Waffenbehörden weiterzugeben“, so
       Emmerich zur taz. „Jeder Rechtsextremist mit Zugang zu Waffen ist eine
       enorme Gefahr für die öffentliche Sicherheit und darf unter keinen
       Umständen daran kommen.“ Gleiches gelte für JA-Mitglieder im Staatsdienst,
       so Emmerich. „Bund und Länder müssen wissen, wer Mitglied einer
       rechtsextremen Organisation ist und dann disziplinarrechtliche Schritte ins
       Auge fassen. Wer Diener dieses Staates ist, darf ihn nicht bekämpfen.“
       
       Auch den Bundestag beschäftigt die Einstufung der AfD-Jugend. Mit Hannes
       Gnauck sitzt dort [3][der JA-Bundesvorsitzende] als Abgeordneter im
       Parlament. Im Verteidigungsausschuss, dem er angehört, wird bereits
       geprüft, ob und wie Gnauck dort abberufen werden kann. Wenigstens fünf
       weitere AfD-Abgeordnete sind oder waren Teil der JA, die meisten davon in
       Führungspositionen. Und die Fraktion gibt sich uneinsichtig: So gab der
       AfD-Abgeordnete Roger Beckkamp kurz nach der Einstufung von „Ein Prozent“
       bekannt, dort aus Trotz Fördermitglied geworden zu sein.
       
       Auch unter Mitarbeitenden der AfD-Fraktion sollen sich etliche
       JA-Mitglieder befinden. Indes: Auch hier fehlt eine Übersicht. Auf eine
       diesbezügliche Anfrage der Linkenabgeordneten Martina Renner antwortete die
       Bundesregierung nur, es sei bekannt, dass Mitglieder als Abgeordnete und
       Mitarbeiter*innen im Bundestag arbeiteten. Nähere Angaben aber seien
       nicht zulässig – aus „Gründen des Schutzes der Grundrechte, insbesondere
       der Persönlichkeitsrechte“, so die Antwort, die der taz vorliegt.
       
       Renner hält das für unbefriedigend. Es sei „ein akutes Sicherheitsrisiko“,
       wenn Mitglieder der JA, des Instituts für Staatspolitik oder „Ein Prozent“
       als Abgeordnete oder Mitarbeitende Zugang zum Bundestag und sensiblen
       Informationen hätten. Umso mehr angesichts der jüngsten Umsturzpläne aus
       dem Reichsbürgermilieu, die konkret den Bundestag zum Ziel hatten und bei
       denen auch die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann zu den
       Beschuldigten zählt. „Aufgrund erwiesener Bezüge von AfD-Abgeordneten und
       ihren Mitarbeiter*innen zu Rechtsterrorplanungen ist die Gefahr real,
       dass über sie Waffen und Personen unkontrolliert in den Bundestag
       eingeschleust werden könnten“, so Renner zur taz.
       
       ## Demonstrative Nähe zu Kubitschek
       
       Der Bundestag hatte zuletzt bereits angekündigt, in Kürze die
       Zugangsvoraussetzung im Bundes zu verschärfen. Möglich seien dann
       stichprobenartige Kontrollen von Inhaber*innen eines
       Bundestagsausweises und jährlich sich wiederholende
       Zuverlässigkeitsprüfungen, die auch zu Zutrittsbeschränkungen führen
       könnten. Anlass waren auch hier die Reichsbürgerumsturzpläne, aber auch
       Aktionen der „Letzten Generation“.
       
       Die AfD selbst reagierte mit Solidarität auf die Einstufung ihrer
       Parteijugend und der verbandelten neurechten Vereine. Demonstrativ zeigten
       sich die Parteivorsitzende Alice Weidel und Thüringens Landeschef Björn
       Höcke am Wochenende bei einem gemeinsamen Auftritt in Erfurt im trauten
       Einklang mit der JA – inklusive Selfies mit dem Parteinachwuchs. Und auf
       der AfD-Demo mit rund 1.000 Teilnehmenden lief wohl nicht zufällig Götz
       Kubitschek mit, Lenker des nun ebenso eingestuften Institut für
       Staatspolitik.
       
       Auf der Bühne hielt Höcke eine betont radikale Rede, nannte
       Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang einen „Typus williger
       Vollstrecker“ und verkündete: „Ich stehe zu unserer Parteijugend!“ Der
       Verfassungsschutz sei Teil eines „Regierungsextremismus“, der die
       Demokratie gefährde. „Und allen Spitzeln, die jetzt gerade ihren
       minderwertigen und primitiven Dienst an diesem Ort leisten, zeigen wir
       gemeinsam die Rote Karte: Stasi in die Produktion!“
       
       Wie zum Beweis seiner Verfassungsfeindlichkeit sprach Höcke in der selben
       Rede der BRD ab, ein Rechtsstaat mit Gewaltenteilung zu sein – die Gerichte
       „in diesem besetzten Land und seinen besetzten Institutionen“ seien
       durchsetzt mit „Kartellparteienproporz“, weswegen er sich keine gute
       Chancen ausrechne für einen Klage gegen die Einstufung – schließlich sei
       man ja in keinem „wirklich demokratischen Staatswesen“.
       
       ## Ideologische Taktgeber für die Rechten
       
       Aus diesen antidemokratischen Erklärungen lässt sich wohl auch die
       PR-Strategie für einen möglichen bevorstehenden Prozess gegen Höcke
       ableiten, dessen Immunität erneut wegen Ermittlungen wegen des Verwendens
       von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen kürzlich aufgehoben
       wurde. Er hatte bei einer Kundgebung die verbotene SA-Losung „Alles für
       Deutschland“ verwendet, als rechtsextremer Geschichtslehrer hat er wohl
       schlechte Karten sich mit Nichtwissen herauszureden – eine Anklage steht
       offenbar kurz bevor.
       
       Tatsächlich sind Höcke und Kubitschek denn auch mehr ideologische Taktgeber
       für das rechtsextreme Vorfeld und die Junge Alternative als anders herum.
       Und weil Höckes Ruf ohnehin schon ruiniert ist, verbreitete er auf der
       Bühne auch gleich Reichsbürgerideologie: „Deutschland ist kein souveränes
       Land. Die Politik für Deutschland wird überwiegend in Washington gemacht“,
       rief er. Die Politiker seien Theaterpuppen und Russland der natürliche
       Verbündete Deutschlands.
       
       Höcke hat auch Verbindungen zu Bekannten des inhaftierten Heinrich XIII.
       Prinz Reuß, dessen Gruppe der „Patriotischen Union“ in einem rechtsextremen
       Terrorakt unter anderem mutmaßlich plante, den Bundestag zu stürmen. Am
       Ende schloss Höcke damit, dass die AfD in Regierungsverantwortung kommen
       müsse, inklusive einer wenig verklausulierter Gewaltandrohung – die AfD sei
       die „letzte friedliche Chance für dieses Land.“
       
       5 May 2023
       
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