# taz.de -- Rückgabe menschlicher Überreste: Lehre ohne Knochen
       
       > Die Biologie an der FU Berlin stellt Fragen zur Herkunft menschlicher
       > Präparate in ihrer Sammlung. Viele dieser stehen unter Verdacht.
       
 (IMG) Bild: Bei einer Rückgabe menschlicher Überreste im Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig
       
       „Für mich standen von Anfang an alle menschlichen Überreste unter
       Verdacht“, berichtet die Masterstudentin und Humanbiologietutorin Vanessa
       Hava Schulmann.
       
       Seit November 2021 hat sie etwa 20 menschliche Schädel sowie weitere
       menschliche Überreste und Präparate aus der Zoologischen Lehrsammlung des
       Instituts für Biologie der Freien Universität (FU) untersucht. Am 17.
       Januae stellte sie erste Ergebnisse der Öffentlichkeit vor. Lehrende des
       Instituts hatten das Provenienzforschungsprojekt angestoßen und
       unterstützt.
       
       Zwei der Gebeine kommen wahrscheinlich aus kolonialem Unrechtskontext,
       berichtet Schulmann. Sie gehören wohl zur sogenannten S-Sammlung, die ab
       dem späten 19. Jahrhundert von Felix von Luschan zusammengetragen wurde.
       Ein großer Teil dieser Sammlung stammt aus deutschen Kolonien in Afrika und
       Ozeanien.
       
       Viele davon befinden sich auch unter 1.100 Schädeln aus ehemaligen
       Kolonien, deren Provenienz das Museum für Vor- und Frühgeschichte der
       Staatlichen Museen zu Berlin seit 2017 gemeinsam mit
       Wissenschaftler*innen aus Ruanda untersucht hat – die Ergebnisse
       liegen seit dem 18. Januar vor.
       
       ## Herkunft noch unklar
       
       Die Provenienz der beiden Gebeine aus der Lehrsammlung der FU, die übrigens
       bereits dem Museum für Vor- und Frühgeschichte übergeben wurden, ist
       hingegen noch nicht ganz nachvollziehbar. Dennoch werden dort, so
       Schulmann, so lange keine menschlichen Überreste mehr in der Lehre
       eingesetzt, bis alle ethischen Fragen geklärt sind. Wie wichtig das ist,
       bestätigen am Dienstag auch [1][Mnyaka Sururu Mboro],
       Menschenrechtsaktivist und Mitbegründer der Initiativen „Berlin
       Postkolonial“ und „Decolonize Berlin“, und die Ethnologin und
       Provenienzforscherin Isabelle Reimann von der Humboldt-Universität.
       
       [2][2022 hat Reimann ein Gutachten über die Zahl menschlicher Überreste aus
       Kolonialzeiten in Berliner Institutionen veröffentlicht.] Nach Angaben der
       Einrichtungen lagern in Berlin noch immer 5.958 menschliche Überreste aus
       kolonialen Kontexten. Dazu kommen [3][16.000 Knochenfragmente aus Grabungen
       auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie,
       menschliche Erblehre und Eugenik.]
       
       Reimann schätzt, dass es weit mehr sind. Sie forderte mehr Aufarbeitung in
       den Institutionen und Vernetzung mit Wissenschaftler*innen aus den
       Herkunftsgesellschaften. Denn dort stellen menschliche Überreste oft
       „spirituell lebendige Entitäten“ dar, zu denen trotz langer Abwesenheit
       noch immer Verbindungen bestehen.
       
       19 Jan 2023
       
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