# taz.de -- Skandalöse Flüchtlingsunterbringung: Willkommen im Wartesaal
       
       > Geflüchtete machen dem überfüllten Ankunftszentrum im niedersächsischen
       > Bramsche-Hesepe schwere Vorwürfe: Die Zustände seien unhaltbar.
       
 (IMG) Bild: Schlange vor dem Ankunftszentrum ab vier Uhr morgens im Freien, fotografiert von einem Betroffenen
       
       Osnabrück taz | Aus der Ferne wirkt das Ankunftszentrum Bramsche-Hesepe
       idyllisch: Allee, Wiesen, Wald. Aber die Ex-Nato-Basis, 20 Kilometer
       nördlich von Osnabrück, hat düstere Seiten. Sie ist eingezäunt, wirkt wie
       ein Gefängnis. Vorn steht ein Wachhaus, ein Schlagbaum.
       
       1.627 Personen beherbergt der Standort der [1][Landesaufnahmebehörde
       Niedersachsen] (LAB NI) derzeit, bei 1.619 Plätzen Kapazität. Asylsuchende
       werden hier registriert und ärztlich untersucht, auf Deutschland
       vorbereitet.
       
       Imo* und Franzi* sind oft hier. Sie engagieren sich bei der Initiative „No
       Lager Osnabrück“, die sich als „Teil transnational vernetzter Struggles
       gegen die Gegenwart nationalstaatlicher Grenzen und rassistischer
       Abschottungspolitiken“ versteht. Manchmal begleiten sie BewohnerInnen zu
       ihren Anhörungen. „Es gibt Beschwerden gegen die Einrichtung“, sagen sie
       der taz. „Seit vielen Jahren schon. Aber es ändert sich nichts.“
       
       Die derzeitige Enge verschlimmere die Lage noch. „Wenn wir vor dem Eingang
       Flyer verteilen, schildern Menschen uns ihre Erfahrungen. Seit zwei, drei
       Monaten erleben wir eine Ballung von Vorwürfen.“
       
       Kurz vor Weihnachten 2022 haben Betroffene, die bei „No Lager“ organisiert
       sind, Hendrik Robbers, dem Leiter des Zentrums, einen Brief geschrieben,
       UnterstützerInnen vom DGB bis zur Refugee Law Clinic Osnabrück haben ihn
       mit unterzeichnet. Er liest sich wie ein Alarm.
       
       ## Müllberge und Frischluftmangel
       
       Die Situation sei „nicht tragbar“. Teils seien Hallen ohne Bäder mit bis zu
       120 Personen belegt. Die Schule sei geschlossen, die Öffnungszeit des
       Kindergartens reduziert. Die kinderärztliche Betreuung sei „aufgrund langer
       Terminwartezeiten prekär“.
       
       Der Brief spricht von Müllbergen in den Gebäuden, [2][dreckigen
       Sanitäranlagen, schlechtem, nicht altersgerechtem Essen und einem
       Frischluftmangel] in den Innenräumen, „da sich die Fenster in den Hallen
       nicht eigenständig öffnen lassen“. Für vieles stehe man teils „ab vier Uhr
       morgens in langen Schlangen an“, im Freien, auch Kinder, Alte und Kranke,
       manchmal werde man nach Stunden des Wartens weggeschickt. Der Zugang zu
       Sprachkursen sei schwer bis unmöglich.
       
       Die Landesaufnahmebehörde nehme „die Vorwürfe des Schreibens sehr ernst“,
       sagt Nina Jahnen, LAB NI-Sprecherin aus Braunschweig, der taz. Richtig sei,
       „dass die Wartezeiten für Leistungen wie Geld, Wäsche oder bei der
       Essensausgabe sich aufgrund der Belegungssituation leider verlängert
       haben“. Man versuche, sie zu optimieren; die Zeiten für die Essensausgabe
       seien ausgeweitet worden. Vor den Gebäuden mit starkem Publikumsverkehr,
       wie der Aufnahme, dem Sozialamt und der Kantine, seien „in kurzem Abstand
       zum Eingangsbereich Pavillons aufgestellt“ worden. Der Wegweiserkurs werde
       derzeit wöchentlich für 15 Personen online angeboten.
       
       Die [3][Belegungssituation habe es erforderlich gemacht, die Schulgebäude
       für die Unterbringung von Asylsuchenden zu nutzen]; Mitte Januar werde der
       Unterricht wieder aufgenommen. Baby- und Kleinkind-gerechte Nahrung werde
       vorgehalten; das Personal gebe die Portionen mit aus, sodass Kinder nicht
       mit anstehen müssen. Gebäude und Bäder würden „nach festen Vorgaben
       bezüglich der Hygiene gereinigt“, zweimal täglich.
       
       Bledi* sieht das skeptisch. Er kommt aus Albanien und war mehrere Monate in
       Bramsche-Hesepe. „Man ging psychisch kaputt“, sagt er der taz. „Leute haben
       versucht, sich umzubringen.“ Das Essen beschreibt er als eintönig und
       minderwertig, manche Sicherheitsleute seien grundlos handgreiflich
       geworden, Foto- und Videoaufnahmen seien verboten. Er hat trotzdem welche
       gemacht. Lange Warteschlangen hinter Gitterzäunen sind darauf zu sehen,
       Gruppenunterkünfte ohne Privatsphäre, Müllhaufen, eine Schlägerei.
       
       Dann sagt Bledi: „Wer sich beschwerte, bekam zu hören: Das ist Deutschland!
       Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie ja gehen!“
       
       „Das ist menschenunwürdig hier“, bestätigt Ali*, der noch in
       Bramsche-Hesepe lebt. „Aber viele trauen sich nicht, etwas zu sagen, das
       ist ein System der Angst.“ Für viele Probleme hier gebe es einfache
       Lösungen. „Aber die sind nicht gewollt. Wir sollen aufgeben und Deutschland
       wieder verlassen, weil wir es hier nicht aushalten.“ Das Essen sei
       miserabel, in den Monaten seines Aufenthalts habe er vier Kilo
       Körpergewicht verloren. Wer einen Arzt brauche, warte bis zu 10 Tage.
       
       Und dann erzählt Ali von der Security. „Die sind absolut unprofessionell.
       Einmal haben die ein Dokument eines Bewohners zerstört, einfach
       weggeworfen, völlig willkürlich. Daraufhin brach ein Kampf aus.“ Die
       abgeschiedene Lage des Camps führe zu sozialer Isolation.
       
       Der Brief vom Dezember war nicht der erste seiner Art. Seit 2006 nutzen
       BewohnerInnen diesen Weg, um sich Gehör zu verschaffen. „Was da drinsteht
       wiederholt sich teils wörtlich“, sagen Imo und Franzi. „Das ist
       erschreckend.“ Am Ende wurde der Brief an Robbers zum offenen Brief, denn
       eine Antwort blieb aus. Immerhin gibt es mittlerweile ein Gesprächsangebot
       der [4][LAB NI]. „Aber Gespräche waren nie unser Ziel“, sagen Imo und
       Franzi. „Wir wollen, dass sich was ändert.“
       
       * Namen geändert
       
       12 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Brandanschlag-auf-Fluechtlingsunterkunft/!5775899
 (DIR) [2] /Oldenburger-Erstaufnahmeeinrichtung/!5686619
 (DIR) [3] /Niedersachsen-hat-ein-Platzproblem/!5878675
 (DIR) [4] https://www.lab.niedersachsen.de/startseite/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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