# taz.de -- „Reasonable Doubt“ bei Disney+: Mit zweierlei Maß
       
       > In der neuen Serie „Reasonable Doubt“ brilliert Emayatzy Corinealdi als
       > smarte Anwältin. Eine, die mit beruflichen wie privaten Herausforderungen
       > jongliert.
       
 (IMG) Bild: Cool und tough: Anwältin Jax Stewart (Emayatzy Corinealdi)
       
       Eine [1][coole Schwarze] Anwältin im Designer-Outfit, die sich um die oft
       fragwürdigen Belange hochkarätiger Klienten kümmert und nebenbei reichlich
       privates Chaos jongliert?
       
       Nachvollziehbar, dass einem da Olivia Pope in „Scandal“ oder auch Annalise
       Keating in „How to Get Away with Murder“ einfallen. Nun reiht sich mit
       Jaqueline „Jax“ Stewart in „Reasonable Doubt“ (zu sehen bei Disney+) eine
       weitere Kollegin in die nach wie vor eher kurze Liste der „Black Women TV
       Lawyers“ ein, deren Namen „Scandal“-Hauptdarstellerin [2][Kerry Washington]
       kürzlich auf Instagram auf einem Sweatshirt präsentierte.
       
       Während Washington, die hier als Produzentin sowie Regisseurin der
       Auftaktfolge involviert ist, damals in Washingtoner Politikkreisen tätig
       war, ist Emayatzy Corinealdi als Jax im sonnigen Los Angeles Partnerin
       einer großen Kanzlei, wo sie es vor allem mit Prominenten zu tun hat.
       
       Als Vorlage für die Figur diente die Strafverteidigerin Shawn Holley. Sie
       war nicht nur am O. J.-Simpson-Fall beteiligt, sondern für [3][Kim
       Kardashian], Snoop Dogg und Paris Hilton im Einsatz. Doch während
       Sportler*innen, denen von Influencer*innen sexuelle Belästigung
       vorgeworfen wird, für Jax quasi zur Tagesordnung gehören, erweist sich ihr
       neuer Fall als deutlich kniffeliger. Einem Erfolgsunternehmer und
       Beinahemilliardär (Sean Patrick Thomas) wird von einer ehemaligen
       Mitarbeiterin und Geliebten Nötigung vorgeworfen, wenig später wird sie
       ermordet aufgefunden.
       
       Seine Unschuld zu beweisen, von der Jax bald überzeugt ist, erweist sich
       als einigermaßen schwierig, doch noch komplizierter ist ihr Privatleben.
       Mit Ehemann Lewis (McKinley Freeman) ist eine Trennung auf Probe angesagt.
       Die verläuft allerdings alles andere als reibungslos und sorgt auch bei den
       beiden Kindern für Unmut.
       
       Als dann auch noch nach 16 Jahren ihr einstiger Klient Damon (Michael Ealy)
       aus dem Gefängnis entlassen wird, den sie als Pflichtverteidigerin nicht
       vor einer fälschlichen Verurteilung bewahren konnte, geht das an Jax auch
       deswegen nicht spurlos vorbei. Denn die beiden verbindet mehr als nur das
       Anwaltsgeheimnis.
       
       Raamla Mohamed, die Schöpferin der Serie, gehörte bei „Scandal“ 2012 zum
       Autor*innen-Team. Auch das luxuriöse Hochglanz-Setting erinnert an den
       Glamour, den man sonst aus Shonda-Rhimes-Produktionen kennt. Doch die
       jetzige Serie, deren schlanke erste Staffel nur neun Episoden umfasst,
       wirkt weniger aufgeplustert und übertrieben, als es bei den Geschichten um
       Olivia Pope und Annalise Keating oft der Fall war.
       
       „Reasonable Doubt“ gibt sich nicht der Illusion hin, Prestige-TV zu sein,
       sondern ist happy damit, zwischen Schlafzimmer und Gerichtssaal als
       Justizsoap für Kurzweil zu sorgen.
       
       Fast beiläufig ist die Serie dann aber eben doch ein wenig mehr. Davon, was
       es heißt, einzige Schwarze unter lauter weißen Kolleg*innen zu sein,
       oder dass im US-amerikanischen Justiz- und Polizeisystem am Ende die
       Hautfarbe entscheidender ist als der Vermögensstand, vermittelt sie ein
       deutliches Bild.
       
       Hauptdarstellerin Corinealdi muss zwar enorm viele Bälle jonglieren – ein
       Jugendtrauma, das die Beziehung zur von Pauletta Washington gespielten
       Mutter stark belastet, wurde hier noch gar nicht erwähnt – doch sie
       verkörpert auch eine Figur, die deutlich komplexer angelegt ist als es bei
       coolen Serienheld*innen dieser Art sonst üblich ist.
       
       Zwischen Kirchenbesuchen, außerehelichem Sex und heimlichen Zigaretten muss
       sie sich mehr als einmal vorwerfen lassen, gerade im Blick auf andere
       Schwarze Frauen mit zweierlei Maß zu messen.
       
       „Deine Fähigkeit, Sachverhalte voneinander zu trennen, ist mir
       unbehaglich“, sagt ihre Assistentin einmal. Fürs Publikum sind es gerade
       die schwierigen Seiten der Karrierefrau, die sie zu einer ungewöhnlich
       interessanten Protagonistin machen.
       
       23 Nov 2022
       
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