# taz.de -- Erinnerung an ein merkwürdiges Genie: Dr. Jaeger lässt bitten
       
       > Eine kleine Ausstellung mit einem, der nie ganz groß rausgekommen ist: In
       > Hamburg ist Heino Jaeger mit seiner vielleicht produktivsten Phase zu
       > sehen.
       
 (IMG) Bild: Heino Jaeger in den frühen 1970er-Jahren
       
       Dr. Jaeger kann man anrufen. Genauer: Man kann zuhören, wie er mit den
       anrufenden Ratsuchenden spricht: Da hängt ein Telefon an der Wand, ein
       dunkelgrünes „WTel 01“ von der Deutschen Post, und noch eins in der oberen
       Etage. Jede Zahlentaste startet einen Radiosketch; eines jener absurden
       Kurz- und Kürzesthörspiele, mit denen Heino Jaeger (1938–1997) [1][beinahe
       berühmt geworden wäre], Mitte der 1970er-Jahre. Für mehrere deutsche
       Rundfunkanstalten nahm der begnadete Sprach-Aufsammler und
       Stimmenimitator seine Skurrilitäten auf, genoss hohes Ansehen unter
       komödiantischen Kollegen wie Hanns Dieter Hüsch oder Loriot.
       
       Auf dem Weg zum „Beichtvater der Nation“ war er, so hieß eine seiner LPs,
       nun auch hier ausgestellt. Hier, das ist das Archäologische Museum in
       Hamburg-Harburg, zugleich das Stadtmuseum jenes südlichen Hamburger
       Bezirks.
       
       Dass sich noch bis zum 21. August eine kleine, lohnende Ausstellung mit dem
       – nie ganz groß rausgekommenen – Heino Jaeger beschäftigt, ist stimmig: Der
       Mann war Harburger, und Jens Brauer, Abteilungsleiter Stadtgeschichte, kann
       zu etlichen biografischen Stationen Straßennamen beisteuern. Mehr noch:
       Vorläufer des heutigen war bis 2009 das Helms-Museum, und in dessen Kellern
       hat der [2][Kunsthochschulabsolvent Jaeger] eine Weile gearbeitet – als
       Zeichner archäologischer Fundstücke. Vielleicht wegen des Leerlaufs
       benutzte er die Formblätter, um auch erfundene Gerätschaften zu skizzieren,
       Relikte einer imaginierten Vorzeit.
       
       Grafisch, zeichnerisch, malerisch hat Jaeger überhaupt mindestens so viel
       hinterlassen wie auf öffentlich-rechtlich archivierten Tonbändern. Und so
       gibt es nun in Harburg vor allem Bilder zu sehen, auch aus der vielleicht
       produktivsten Phase: In den frühen 1970ern hatte der Kauz Kontakte auch auf
       der Reeperbahn und umzu, beglich seinen Tresenzettel schon mal mit einer
       Zeichnung. (Mehr dazu in [3][Rocko Schamonis Roman „Der Jaeger und sein
       Meister“], aus dem der Autor [4][dieser Tage] dann und wann [5][auch
       liest].)
       
       Da hängen etwa diese von merkwürdigen Figuren bevölkerten Straßenszenen.
       Auch die Weltkriegsphase ist berücksichtigt, als scheinbar bunter
       Landserkitsch in Öl: „Ein Maler des Deutschen Reiches stellt in der
       ehemaligen Reichshauptstadt aus!“ hieß eine Ausstellung Jaegers 1972 – eine
       heute nicht mehr ohne Weiteres vermittelbare Spielart politischen Humors,
       durch Übertreibung am Verdrängten rührend.
       
       Schließlich das Kapitel „Rückzugsjahre“: Mehr, irgendwann zu viel Alkohol,
       vielleicht, um das wie von selbst Aufgesammelte auszuhalten, die Stimmen im
       Kopf. Nachdem seine Wohnung ausbrannte, kam Jaeger in Behandlung, der beste
       Freund wurde sein Vormund. Die letzte Ausstellung zeigte 1988 das
       Helms-Museum, seine letzten Jahre verbrachte Jaeger in einer
       psychiatrischen Klinik in Bad Oldesloe, wo er auch begraben liegt.
       
       Will man bei seiner späten Kunst nicht von Verfall sprechen, dann
       vielleicht von einem sich schließenden Kreis: Da kehrte einer zurück zum
       Kindlichen, handwerklich Unreifen; die Motive sind Jaegers, aber ohne seine
       Rafinesse.
       
       7 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Erinnerungen-an-Kuenstler-Heino-Jaeger/!5853308
 (DIR) [2] /Hochschule-fuer-bildende-Kuenstler-in-Hamburg-feiert-250-Jaehriges/!5424979
 (DIR) [3] /Kolumne-Ausgehen-und-rumstehen/!5860893
 (DIR) [4] https://fabrik.de/veranstaltungsdetail/rocko-schamoni-621
 (DIR) [5] https://www.burgfilmtheater.de/filme/rocko-schamoni-der-jaeger-und-sein-meister-486/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ausstellung
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Kolumne Großraumdisco
 (DIR) Komik
 (DIR) Comedy
 (DIR) Schauspielerin
 (DIR) Karneval
 (DIR) Helge Schneider
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schauspielerin Helga Feddersen: Spaß und Sinn
       
       Vor 30 Jahren starb Helga Feddersen. Wer sich ihrem Werk heute nähert, kann
       eine grandiose realistische Künstlerin entdecken.
       
 (DIR) Essay über Lachen: Das Narrenschiff geht niemals unter
       
       Warum lachen die anderen? Und wir? Erwägungen anlässlich einiger recht
       bekannter Präzedenzfälle. Eine Vorbereitung auf die Karnevalssaison.
       
 (DIR) Helge Schneider wird 60: Kerzen auf der singenden Herrentorte
       
       Aller Blödelei zum Trotz ist er vor allem ein sensibler Künstler mit viel
       Feingefühl: ein Ständchen auf Helge Schneider zum 60. Geburtstag.