# taz.de -- Long Covid überstanden: Endlich wieder peinlich
       
       > Nach Monaten mit Long Covid geht es der Tochter unserer Kolumnistin dank
       > einer Blutwäsche endlich besser. Aus dem Kind ist inzwischen ein Teenager
       > geworden.
       
 (IMG) Bild: Eis essen mit den Eltern ist für die 13-Jährige nicht mehr anstrengend – sondern nur noch peinlich
       
       Unser Kind war zwölf, als es [1][von Long Covid ins Bett gezwungen] wurde.
       Jetzt, ein halbes Jahr später, ist plötzlich eine 13-jährige Teenagerin
       daraus wieder hervorgestiegen.
       
       Übrigens war es keine zufällige Spontanheilung oder eine Standardleistung
       aus dem Kassenkatalog. Mit all unserer Kraft und der großen Hilfe vieler
       anderer Menschen mussten wir die Behandlung erkämpfen. Und hätte nicht ein
       mutiger Arzt den Heilversuch gewagt, würde unser Kind immer noch – so wie
       viele andere Menschen – im abgedunkelten Zimmer liegen und schon [2][die
       Erschütterung als unerträglich empfinden], wenn sich nur jemand auf ihre
       Bettkante gesetzt hätte.
       
       Bei vielen an Long Covid erkrankten Menschen findet man im Blut sogenannte
       Autoantikörper, die fälschlicherweise eigene Zellen angreifen. Olivia
       wurden mittels einer Blutwäsche alle dieser Antikörper aus dem Blut
       gefiltert. Es gibt eine ganze Reihe Autoimmunerkrankungen, die mit einer
       Blutwäsche behandelt werden. Das ist nichts Neues. Leider gibt es aber noch
       keine Studien, die die Wirksamkeit dieser Therapie bei Long Covid belegen.
       
       In den Long-Covid-Ambulanzen ist die Behandlung nicht möglich. Dort wird
       zwar sehr umfangreich Diagnostik betrieben, aber eine Blutuntersuchung zum
       Beispiel auf Autoantikörper oder winzige Blutgerinnsel – die ebenfalls im
       Verdacht stehen, die Long-Covid-Symptome zu verursachen – gehören leider
       nicht dazu.
       
       Wirklich schwer Betroffene können den Untersuchungsmarathon übrigens gar
       nicht durchstehen, oder sind danach – wie Olivia – endgültig bettlägerig.
       Und wenn am Ende der Strapazen die Diagnose Long Covid oder Chronisches
       Fatigue Syndrom (ME/CFS) folgt, jedoch keinerlei Therapie außer dem
       Ratschlag sich unbedingt zu schonen, dann hat man noch Glück gehabt, dass
       man nicht an eine Ambulanz geraten ist, die einem sagt, man habe nur ein
       Psycho-Problem und [3][sollte mehr Sport machen].
       
       ## Die Auferstehung
       
       Wer psychisch noch keine Probleme hatte, bekommt sie spätestens dann. Auch
       an unserer Tochter kann es nicht spurlos vorbeigegangen sein, in der Phase,
       in der sie sich eigentlich radikal ablösen sollte, wie ein Baby gefüttert
       zu werden und den Po abgewischt zu bekommen. Dass wir uns trotz allem in
       dieser schweren Zeit so gut verstanden haben, hat mich sehr erfreut. Die
       Psychologin hat es dagegen sehr beunruhigt.
       
       Seit der Blutwäsche hat sich Olivias Zustand erst langsam, dann rasend
       schnell verbessert. Ich wollte all die Monate nur eines – nämlich mein
       gesundes Kind zurück. Nun habe ich zwar stattdessen eine Jugendliche
       bekommen, aber damit bin ich auch mehr als zufrieden.
       
       Nach ihrer Auferstehung ist Olivia plötzlich fast so groß wie ich. Auch sie
       selbst steht fassungslos vor dem Spiegel und muss mit Veränderungen
       umgehen, die man eigentlich ganz langsam vor sich gehen sieht. Ich könnte
       jetzt eigentlich von früh bis spät glücklich sein, aber unsere Tochter muss
       ein halbes Jahr Pubertät nachholen, das schließt sich wenigstens teilweise
       aus.
       
       Neulich haben mein Mann und ich mit ihr im Rollstuhl unseren ersten
       Spaziergang zur Eisdiele ins Dorf gefeiert. Olivia hatte sich riesig darauf
       gefreut und auch Matthias und ich waren bestens aufgelegt und – zugegeben
       – etwas albern drauf. Bald merkte ich, dass es Olivia schlecht ging. Ich
       fragte besorgt, ob es ihr doch zu viel sei oder sie wieder Kopfschmerzen
       habe.
       
       Es stellte sich aber heraus, dass ihr vor den anderen Leuten einfach alles
       schrecklich peinlich war. Ich hatte vollstes Verständnis dafür. Wie
       schwierig muss es sein, mit 13 Jahren plötzlich im Rollstuhl zu sitzen.
       Erst als mich Olivia mit den Worten „Ach Quatsch Mama, IHR seid peinlich!“
       anzickte, habe ich begriffen: Endlich ist es wieder so, wie es sein soll,
       endlich sind wir wieder peinlich! YES!
       
       2 Aug 2022
       
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