# taz.de -- Berliner Olympiabewerbung für 2036: Erst mal drüber abstimmen
       
       > Berlins Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) würde einen neuen Anlauf für
       > das weltgrößte Sportfest begrüßen. Ohne Sportbegeisterung geht aber
       > nichts.
       
 (IMG) Bild: Der Senat trainiert für Olympia: Sitzung am Dienstag vor der Kulisse des Olympiastadions von 1936
       
       In einer in jeder Hinsicht heißen Woche voller Sportereignisse und
       Meisterschaften drinnen wie draußen mit den [1][Special Olympics] und den
       [2][Finals] hat Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) die Diskussion über eine
       erneute Bewerbung für das größte Sportfest der Welt wieder eröffnet. „Wir
       wären für Olympia gut gerüstet“, war sie am Donnerstag im Tagesspiegel
       zitiert.
       
       Wie wahr, denn Berlin hat an Sportstätten alles, was für Sommerspiele nötig
       wäre, und die liegen auch noch nahe beisammen – mal die Segelwettbewerbe in
       der Ostsee ausgenommen, für die der Wannsee dann vielleicht doch zu klein
       wäre. Die Dauerklage über monströse neue Bauten mit immensem Einsatz von
       Energie, Material und vor allem Naturgebieten, sie liefe in Berlin
       weitgehend ins Leere.
       
       Schon zu Jahresbeginn hatte Spranger im Sportausschuss gesagt, sie würde
       „gern eine Bewerbung machen“, aber da sei in erster Linie die Bundesebene
       gefragt. Im Koalitionsvertrag haben ihre SPD, die Grünen und die
       Linkspartei eine Bewerbung zumindest nicht ausgeschlossen, aber an hohe
       Hürden geknüpft: „Wenn zukünftig das Internationale Olympische Komitee
       (IOC) seine Vergabe-Richtlinien grundlegend reformiert und wenn der
       Deutsche Olympische Sportbund sowie die Bundesregierung zur Entscheidung
       kommen, dass sich Deutschland mit einem nachhaltigen Konzept ohne
       Gigantismus um die Durchführung von olympischen und paralympischen Spielen
       bewerben soll, stehen wir dem offen gegenüber“, ist da auf Seite 95 zu
       lesen.
       
       Das IOC war Olympia-Gegnern beim jüngsten Anlauf 2014 der stärkste Hebel,
       gegen eine Bewerbung Stimmung zu machen: Der Hinweis auf tatsächlich wie
       Knebelverträge anmutende Vorgaben kann abschreckende Wirkung haben.
       
       ## Das IOC hat nicht auf eine Berliner Bewerbung gewartet
       
       Eins ist aber auch klar: Das IOC hat nicht bang darauf gewartet, dass sich
       Berlin endlich zu einer Bewerbung herablässt und dann vielfältige
       Reformbedingungen diktieren kann. Mit einer Alles-oder-Nichts-Einstellung
       kann man es gleich lassen. Das IOC mag durchaus an Spielen in einer so
       attraktiven Stadt wie Berlin interessiert sein – aber es ist nicht unter
       Druck.
       
       2021 hatten führende Sportvertreter vorgeschlagen, Berlin solle sich
       gemeinsam mit Tel Aviv für die Sommerspiele 2036 bewerben, genau 100 Jahren
       nach den von den Nazis propagandamäßig ausgeschlachteten Wettbewerben von
       1936. Das löste eine ganze Reihe positiver Reaktonen aus, auch von
       [3][Sprangers Vorgänger Andreas Geisel], dem heutigen
       Stadtentwicklungssenator: Dies wäre „natürlich ein starkes Zeichen für
       Frieden und Völkerverständigung – im vollen Bewusstsein unserer
       schmerzlichen Geschichte und dem scheußlichen Missbrauch der olympischen
       Idee durch die Nationalsozialisten“.
       
       Zentral aber ist, auch vor den allerersten Bemühungen abzuklären, ob die
       hiesige Bevölkerung hinter der Sache steht. Wollen die knapp knapp
       zweieinhalb Millionen abstimmungsberechtigten Berlinerinnen und Berliner
       das größte Sportereignis der Welt über ein paar Wochen in ihrer Stadt
       haben? Bevor da vergebens Millionen für Planungen fließen, muss ein
       Bürgerentscheid her und zwar ein verbindlicher, nicht etwa eine Umfrage
       eines Meinungsforschungsinstituts. Die Landesverfassung sieht so etwas
       bislang nicht vor, aber daran könnte – wenn überhaupt nötig – das Parlament
       ja etwas ändern.
       
       ## Sportbegeisterung muss der entscheidende Antrieb sein
       
       Fast noch wichtiger: Wer Unterstützung für die Spiele mehren will, der muss
       das über Sportbegeisterung in der Stadt tun, in der immerhin sechs
       Bundesligavereine in den fünf dominierenden Mannschaftssportarten des
       Landes zuhause sind und – Hertha BSC mal ausgenommen – auch regelmäßig
       Stadien und Hallen füllen. Die Bewerbung darf nicht in den Händen von
       Vermarktern liegen, die Olympische Spiele vorrangig als eine „Um zu“-Sache
       verkaufen: Als Mittel, um den Wohnungsbau zu beschleunigen oder um das
       Verkehrsnetz zu erneuern und auszubauen.
       
       Das sind gute und wichtige Dinge, und wenn die Spiele nebenher auch dabei
       weiter helfen, umso besser. Der entscheidende Punkt aber muss der Wunsch
       sein, die besten Sportler des Planeten in Berlin zu haben, sie so schnell
       laufen, schwimmen oder sonst was machen zu sehen wie sonst niemand auf der
       Welt – und ihnen vielleicht sogar über den Weg zu laufen. „Da stand ich als
       Studentin in Barcelona an der Straße, da hält ein großer Bus neben mir, und
       es steigen Scottie Pippen und Magic Johnson aus – es war unglaublich“,
       erzählte schon vor langer Zeit begeistert eine US-Studienfreundin von einer
       Begegnung mit dem [4][US-Basketball-Dreamteam] bei den Spielen 1992 in
       Spanien.
       
       Nun mag wieder der eine oder die andere sagen, eine solche Verehrung von
       Helden oder Idolen sei aus der Zeit gefallen. Aber die haben wahrscheinlich
       weder mal Magic oder Dirk Nowitzki einen Ball werfen, Usain Bolt laufen,
       Malaika Mihambo springen oder Manuel Neuer im Tor stehen gesehen. Wer genau
       das gern tut, der wird eine Bewerbung nicht von der irrigen Hoffnung
       abhängig machen, dass das IOC [5][vom Saulus zum Paulus] wird, sondern
       einfach die Spiele in Berlin haben wollen. Warum also nicht mal abklären,
       wie viele das genau so sehen – her also mit der Abstimmung über eine
       Bewerbung!
       
       25 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://specialolympics.de/
 (DIR) [2] https://diefinals.de/
 (DIR) [3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlins-sportsenator-fuer-gemeinsame-bewerbung-olympia-2036-in-berlin-und-tel-aviv-waere-starkes-zeichen/27069706.html
 (DIR) [4] https://en.wikipedia.org/wiki/1992_United_States_men's_Olympic_basketball_team
 (DIR) [5] https://www.koelner-dom.de/fenster/bekehrung-des-saulus-zum-paulus/bekehrung-des-saulus-zum-paulus-1
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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