# taz.de -- Satirische Parabel auf den Kapitalismus: Der Konkurrent lernt schnell
       
       > Die Schaubühne Berlin hat einen Roman von Karel Čapek wiederentdeckt.
       > Daraus inszeniert Clara Weyde „Der Krieg mit den Molchen“.
       
 (IMG) Bild: Der Molch (Bastian Reiber) säubert die Bühne
       
       Er ist glänzend aufgelegt, der Molch als Radiomoderator. Sein Schuppenanzug
       aus Rot und Gold glänzt im Licht, während er Lieder vom Wasser spielt, von
       Händel bis Pop. Störgeräusche kommen dazwischen, weit entfernte Hilferufe,
       von Überschwemmungen ist die Rede, die Erde bebt, was Menschen bauten
       rutscht ab in die Fluten. Das hebt die Laune des Moderatorenmolches eher
       noch, er erfreut sich an Muschelrezepten. Ist denn viel verloren, wenn die
       Menschheit endlich untergeht und die Molche die Erde für sich haben?
       
       Sebastian Reiber, der diese Szene gegen Ende im neusten Stück der
       Schaubühne spielt, „Der Krieg mit den Molchen“, war zuvor in der Rolle des
       ersten Molches zu sehen, der sprechen gelernt hat. In einen unförmigen
       Pullover gehüllt wird er von einem Tierpfleger dem staunenden Publikum
       einer Talkshow vorgeführt. Zwar rutschen ihm noch rrrs zwischen die Worte,
       zwar ist er noch schüchtern, doch artikuliert er schon besser als sein
       Tierpfleger, dem er aus der Zeitung vorliest. Dass die Lernfähigkeit der
       Molche sie bald die Menschheit in ihren Fähigkeiten überflügeln lässt, ist
       da schon zu ahnen.
       
       [1][Karel Čapek (1890 bis 1938)], ein tschechischer Autor, Journalist,
       Philosoph und Dramatiker, schrieb den Roman „Der Krieg mit den Molchen“
       1935. Er notierte in seinem Tagebuch: „Die Handlung ist ganz einfach: der
       Untergang der Welt und der Menschheit. Ein widerwärtiges Kapitel, allein
       auf die Logik gegründet. Ja, so muss es enden: ‚Keine kosmische
       Katastrophe, lediglich Staats- und Wirtschaftinteressen, Prestigefragen u.
       ä. Dagegen ist nichts zu machen.‘“
       
       ## Der Unternehmer staunt und handelt
       
       Es beginnt mit der Entdeckung der Molche durch einen Kapitän in tropischen
       Gewässer. Das ist eine Sensation, können sie doch mit ihren kleinen
       Händchen arbeiten, wie der Kapitän einem staunenden Unternehmer erzählt.
       Schnell wird die Population der Molche vermehrt und vielfätig eingesetzt.
       
       Ein Salamandersyndikat setzt sie zur Landgewinnung ein, Inselreiche werden
       zu neuen Kontinenten. Die Körper und Lebensbedingungen der Tiere werden
       wissenschaftlich untersucht, um ihre beste Arbeitsfähigkeit herauszufinden.
       Doch die Molche lernen die Imitation des Menschen perfekt und stehen ihm
       nicht nach in Eigennützigkeit und Ausbeutung.
       
       Die Theaterfassung des Textes durch das [2][Autorenkollektiv Soeren Voima]
       lässt nicht nur viele Parallelen der Geschichte zum Kolonialismus und zum
       Faschismus sehen, sondern auch – und das ist das Beklemmende – zur
       Gegenwart, im Umgang etwa mit Arbeitskräften, die als Migranten kamen,
       denen der Weg zur Teilhabe an der Gesellschaft aber in vielen Punkten
       verstellt wurde, oder in der Frage der Rechte der Natur und auch von
       Künstlichen Intelligenzen. Diese vielen Assoziationen kommen dabei in der
       satirischen Inszenierung oft eher beiläufig auf die Bühne, nicht forciert,
       wie es sonst im Theater gelegentlich geschieht.
       
       ## Der Unsinn hat eine Funktion
       
       Die Inszenierung von der Regisseurin Clara Weyde spielt mit dem Slapstick.
       Ihr Stil erinnert ein wenig an den des Regisseurs Herbert Fritsch, das
       Zelebrieren des Nonsens, aber die flotte Entwicklung des Inhalts verwischt
       diesen Eindruck bald wieder. Jeder Unsinn hat hier eine Funktion. Am Anfang
       springt die Figur des Kapitäns (Axel Wandtke) im kleinkarierten Anzug und
       mit Backenbart kopfüber in das Bällebad, das in den Bühnenboden eingelassen
       ist, um nach Perlen zu tauchen und dabei den Molch zu entdecken. Später
       schauen die nackten Beine der Schauspieler:innen aus dem Bällebad
       hervor in einer Synchronschwimmnummer, die surreal von der kultischen
       Verehrung der Molche handelt.
       
       Die wenigen Elemente der Bühne (von Bettina Pommer eingerichtet) werden
       vielfältig genutzt in den wechselnden Szenen. Wir erleben anatomische
       Vorträge über die Molche, Debatten über ihren Rechtsstatus, Prognosen über
       den mit ihrer Hilfe erreichbaren Fortschritt, bevor sie zum Konkurrenten
       des Menschen werden.
       
       Die Molche, die sich perfekt eignen, die Idee des kapitalistischen
       Wachstums umzusetzen, machen diese Idee eben auch zu ihrer eigenen, für
       deren Erfolg sie den Menschen aber nicht mehr brauchen.
       
       Die Inszenierung von Clara Weyde fügt dabei zeitgenössische Formate ein und
       zieht damit die Parabel in die Gegenwart. Das ist so witzig wie unheimlich.
       Denn es suggeriert, dass viele von den Konflikten, die die Gegenwart
       belasten, vor achtzig Jahren schon vorhersehbar waren.
       
       7 Jun 2022
       
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