# taz.de -- Strobl-Affäre in Baden-Württemberg: Auch Journalist beschuldigt
       
       > Franz Feyder hat den Artikel geschrieben, über den der Stuttgarter
       > Innenminister Thomas Strobl (CDU) stürzen könnte. Nun wird gegen ihn
       > ermittelt.
       
 (IMG) Bild: Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, im Haus der Abgeordneten
       
       FREIBURG taz In der [1][Affäre um den baden-württembergischen Innenminister
       Thomas Strobl] (CDU) ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht nur
       gegen den Minister, sondern auch gegen den Journalisten Franz Feyder von
       den Stuttgarter Nachrichten. Dass es in der Strobl-Affäre auch um die
       Pressefreiheit geht, scheint im landespolitischen Trubel aber bisher
       unterzugehen.
       
       Feyder hat am 27. Dezember 2021 über den Brief eines Anwalts an
       Innenminister Strobl berichtet. Der Anwalt vertritt den suspendierten
       Landespolizeiinspekteur Andreas Renner, gegen den wegen sexueller
       Belästigung einer jungen Hauptkommissarin disziplinarisch und
       strafrechtlich ermittelt wird. Seit dem 4. Mai läuft wegen dieses Artikels
       ein Ermittlungsverfahren gegen den Journalisten. Der Vorwurf: „Verbotene
       Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“. Feyder droht eine Geldstrafe oder
       Gefängnis bis zu einem Jahr.
       
       Es gibt keine Anhaltspunkte, dass hier ein unbequemer Journalist
       gemaßregelt werden soll. Eher ist das Ermittlungsverfahren gegen Feyder ein
       Kollateralschaden, um Ermittlungen gegen Strobl zu ermöglichen.
       
       Ab Januar ermittelte die Staatsanwaltschaft nämlich zunächst gegen
       „unbekannt“ wegen „Verletzung eines Dienstgeheimnisses“. Sie wollte
       herausfinden, wie das Anwaltschreiben an die Presse gelangte. Das
       Ermittlungsverfahren gegen „unbekannt“ wurde Anfang April eingestellt, denn
       es fehlte die hierfür erforderliche Ermächtigung des
       Landesinnenministeriums. Kurze Zeit später räumte zwar Minister Strobl ein,
       er habe selbst dafür gesorgt, dass das Anwaltsschreiben an Feyder gelangte.
       Die Ermächtigung zur Strafverfolgung (gegen sich selbst) verweigerte er
       jedoch weiterhin. Denn er habe kein Geheimnis verraten, sondern Transparenz
       für einen vermeintlichen Mauschelversuch des Anwalts schaffen wollen.
       
       ## Neue Strategie
       
       Nun änderte die Staatsanwaltschaft ihre Strategie und eröffnete Anfang Mai
       ein Ermittlungsverfahren gegen Feyder wegen „verbotener Mitteilungen über
       Gerichtsverhandlungen“ und gegen Strobl wegen Anstiftung dazu. Bei diesem
       Vorwurf brauchte sie keine Ermächtigung des Innenministeriums. Die
       Staatsanwaltschaft muss dabei gegen Feyder als Haupttäter ermitteln, um
       Strobl als Anstifter packen zu können.
       
       Die „verbotene Mitteilung aus Gerichtsverhandlungen“ ist in Paragraph 353d
       Nr. 3 des Strafgesetzbuchs geregelt. Danach dürfen die Anklageschrift oder
       andere „amtliche Dokumente“ eines Straf- oder Disziplinarverfahrens nicht
       „im Wortlaut“ veröffentlicht werden, bevor sie im Prozess behandelt wurden.
       Die Vorschrift soll die Vorverurteilung von Beschuldigten verhindern und
       die Beeinflussung von Zeugen vermeiden.
       
       Der Anwendungsbereich ist allerdings schmal. Verboten ist nur, dass
       Gerichtsdokumente „im Wortlaut“ zitiert werden, weil dies durch den
       Eindruck amtlicher Authentizität eine größere Wirkung erzeugen kann. Die
       Zusammenfassung von Dokumenten in eigenen Worten ist nicht strafbar.
       
       Medienorganisationen wie der Deutsche Journalistenverband fordern schon
       seit Jahrzehnten eine Abschaffung von § 353d, weil er wenig nützt und vor
       allem die Berichterstattung über Gerichtsverfahren behindert. Viele halten
       Paragraf 353d sogar für völlig nutzlos und damit verfassungswidrig. Das
       Bundesverfassungsgericht entschied jedoch 2014, die Vorschrift sei „nicht
       schlechthin ungeeignet“. Denn ein wörtliches Zitat sei wirkungsvoller als
       ein indirektes Zitat. Das Verbot wörtlicher Zitate sei auch
       verhältnismäßig, weil die Inhalte ja durchaus indirekt mitgeteilt werden
       können.
       
       Im Fall Feyder ist alles nicht so eindeutig. Im seinem Artikel vom Dezember
       nutzte Feyder keine Anführungszeichen, er hat also gar kein Zitat „im
       Wortlaut“ signalisiert. Fraglich ist aber vor allem, ob ein
       Anwaltsschreiben überhaupt als „amtliches Dokument“ gelten kann. Denn ein
       Anwalt ist keine Amtsperson. Dennoch wird bisher kaum die Frage gestellt,
       ob das Stuttgarter Ermittlungsverfahren unzulässig in die Pressefreiheit
       eingreift.
       
       Das dürfte auch daran liegen, dass sich Feyder und die Stuttgarter
       Nachrichten bisher nicht zu dem Verfahren äußern. Grund hierfür ist
       vielleicht, dass die [2][Stuttgarter Nachrichten zum gleichen Verlag wie
       die Stuttgarter Zeitung] gehören, die nach eigenen Enthüllungen
       Konsequenzen für Strobl fordert. Da würde es wohl nicht gut passen, wenn
       gleichzeitig das Schwesterblatt die Ermittlungen grundsätzlich in Frage
       stellt.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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