# taz.de -- Nach Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Grüne haben erfolgreich gepokert
       
       > Schleswig-Holstein bekommt höchstwahrscheinlich eine schwarz-grüne
       > Koalition. Die Spitzen von CDU und Grünen haben ein Sondierungspapier
       > beschlossen.
       
 (IMG) Bild: Schreiten zuversichtlich in Richtung Schwarz-Grün: die Grünen Monika Heinold (l.) und Aminata Touré
       
       Kiel taz | „Weiter für Dynamik im Land sorgen“ will die CDU in
       Schleswig-Holstein – passend zum sportiven Motto trafen sich Delegationen
       von Christdemokrat*innen und Grünen am Dienstag in einem Restaurant am
       Kieler Holstein-Stadion. Am Montag hatte CDU-Landesparteichef Daniel
       Günther nach einem Treffen des Landesvorstandes verkündet, dass er mit den
       Grünen über eine gemeinsame Regierung verhandeln will. Nach den Wahlen am
       8. Mai konnte er als Sieger – rund 43 Prozent bescherten der CDU beinahe
       eine absolute Mehrheit – entscheiden, mit wem er weiterregieren möchte.
       
       Das Votum gegen die FDP „haben wir uns nicht leicht gemacht“, sagte
       Günther. Tatsächlich wählt die CDU mit den Grünen die schwierigeren
       Partner*innen. Und sie gesteht ihnen vorab einen Teilsieg zu: [1][Die
       Grünen] ließen in der vergangenen Woche die Verhandlungen für ein zweites
       Jamaika-Bündnis platzen, das Daniel Günther [2][gerne gehabt hätte], und
       zwangen die CDU damit, sich zwischen ihnen und der FDP zu entscheiden.
       
       „Es wird sich jetzt wohl auch niemand mehr darüber wundern, dass die Grünen
       beim Sondierungsgespräch so schnell ‚All in‘ gegangen sind und Jamaika
       beendet haben“, sagte Christoph Vogt, Fraktionschef der FPD im Landtag und
       stellvertretender Landesvorsitzender. Er sprach von einer „herben
       Enttäuschung“, aber seine Überraschung halte sich in Grenzen: Die Grünen
       könnten „derzeit ja vor Kraft kaum laufen“.
       
       Allerdings profitiert auch Günther mehr von Schwarz-Grün als von einer
       Koalition mit der FDP. Der 48-Jährige hat seit seinem ersten Wahlsieg 2017
       in der öffentlichen Wahrnehmung den Sprung von „kennt keiner“ bis „könnte
       auch Kanzler“ geschafft. Für ihn als Vertreter des eher liberalen Flügels
       der CDU wäre die klassische schwarz-gelbe Koalition ein gefühlter
       Rückschritt.
       
       ## Ehrgeizige Klimaschutzziele
       
       Schwarz-Grün ist für Schleswig-Holstein eine neue Farbkombination. Die
       Spitzen beider Parteien kennen sich allerdings gut, schließlich haben sie
       die vergangenen fünf Jahre miteinander regiert. Dennoch bleiben große
       inhaltliche Unterschiede zwischen den Programmen. Daniel Günther sieht das
       positiv: Sein Ziel sei es, ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen und
       dies mit mehr Arbeitsplätzen zu verbinden. Ein Bündnis aus CDU und Grünen
       hätte die Breite, um in den kommenden fünf Jahren diese Transformation
       umzusetzen, so der amtierende Ministerpräsident.
       
       Am Dienstag gab es nur ein Vorgespräch, weil am Abend noch ein Grüner
       Parteitag dem Beginn der Verhandlungen zustimmen musste. Aber die beiden
       Spitzenkandidatinnen, die amtierende Finanzministerin Monika Heinold und
       Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré, äußerten sich hoffnungsvoll: Beide
       Parteien würden sich „hervorragend ergänzen“, so Touré.
       
       Die SPD bezweifelt das. „Die CDU wollte im Wahlkampf Kurs halten. Die
       Grünen versprachen in vielen Fragen einen Kurswechsel“, sagte die
       [3][SPD-Landesparteichefin Serpil Midyatli]. Gelinge es nicht, diese
       unterschiedlichen Richtungen zusammenzubringen, „wird sich die Regierung
       auf der Stelle drehen und unser Land nicht voranbringen“. Immerhin ist die
       Gefahr einer „XXL-Regierung“, die den Landtag mit 53 Abgeordneten gegen
       eine Schrumpf-Opposition von 16 Personen dominiert hätte, wohl vom Tisch.
       
       Schwarz-grüne Knackpunkte gibt es etwa bei Energie- und Verkehrswende oder
       Finanzen. Günther betonte, dass angesichts der Zahlenverhältnisse die
       „Handschrift der CDU“ in einem Vertrag deutlich erkennbar sein müsse. Als
       eine Bedingung nannte er, dass große Infrastrukturprojekte rasch umgesetzt
       werden müssten – das meint Autobahnen ebenso wie den Bau eines
       Flüssiggasterminals in Brunsbüttel. Dagegen hatte sich die Grünen-Basis bei
       einem Parteitag ausgesprochen. Gleichzeitig sagte Günther aber, dass der
       „Geist von Jamaika“ mit dem Leitmotiv, der anderen Seite Erfolge zu gönnen,
       fortbestehen solle.
       
       ## Koalitionsvertrag innerhalb von drei Wochen
       
       Um Personen und Ministerien ging es offiziell bisher nicht. Sinnvoll
       erscheint, dass die Grünen erneut das Finanzministerium fordern, das Monika
       Heinold bereits unter der SPD-geführten Vorgängerregierung leitete. Auch
       das Umwelt- und Energiewende-Ministerium wäre aus Grünen-Sicht zentral.
       Möglich, dass Aminata Touré dort einsteigt – zutrauen würde sie sich ein
       Ministerinnenamt, hatte sie beim taz-Salon gesagt.
       
       Neu verhandelt werden könnte über das Sozial- sowie das Verkehrs- und
       Wirtschaftsministerium, die bislang die FDP führte. Beide Häuser könnte die
       CDU für sich fordern. Innen- und Bildungsministerium dürften bei den
       heutigen CDU-Ministerinnen bleiben. Möglicherweise könnten die Grünen
       darauf hoffen, das Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz zu
       besetzen. Einzelne Häuser könnten leicht neu zugeschnitten werden – ein
       Streitpunkt ist etwa, ob der Bereich Berufsbildung in das Bildungs- statt
       in das Wirtschaftsressort gehört.
       
       Nach dem Treffen im Holstein-Stadion zeigte sich Heinold am Dienstagmittag
       zufrieden: „Es war ein sehr konstruktives Gespräch in vertrauter Runde.“
       Herausgekommen ist dabei auch schon ein Sondierungspapier, auf dessen
       Grundlage „wir uns gemeinsam zutrauen, Koalitionsverhandlungen
       durchzuführen“, wie Günther es formulierte.
       
       Diese sollen bereits am Mittwochnachmittag beginnen. Seitens der Grünen
       soll eine zwölfköpfige Verhandlungsgruppe den Vertrag mit der CDU
       aushandeln. Die geschäftsführende CDU-Spitze will dazu am Mittwochvormittag
       zusammenkommen. Möglichst innerhalb der kommenden drei Wochen solle der
       Koalitionsvertrag stehen, lautet der gemeinsame Wunsch von CDU und Grünen.
       
       24 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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