# taz.de -- Irritierende Kunst in der Kleinststadt: Hinter der Hülle
       
       > Christo? Nicht ganz. Aber dass im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt
       > gerade ein Haus eingepackt ist, hat gute Gründe.
       
 (IMG) Bild: Fragen an die Außenwelt: Zuzanna Czebatuls „The joy of being the cause“ (2022)
       
       Christo auf dem platten Land? Doch, ja: Sich erinnert zu fühlen ans
       weltbekannte Künstler:innenpaar mit den verhüllten
       Wahrzeichen-Bauwerken, das ist nachvollziehbar. Denn verhüllt ist seit
       Mitte März auch im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt – etwas über
       6.000 Einwohner*innen – ein Stück öffentlichen Raums: mit
       Baugerüstplane, ohne dass aber auch gebaut würde.
       
       Das Haus der [1][Arthur-Boskamp-Stiftung] hat die Berliner Künstlerin
       Zuzanna Czebatul da verpackt, genauer: einen Teil davon und auch den nur
       teilweise. Die Christo-Ähnlichkeit endet also auch gleich wieder. „The joy
       of being the cause“ steht nun in Schreibschrift groß auf der einen Seite
       des „M.1“, so heißt das Gebäude ganz genau.
       
       „M“ steht dabei für „Massiv-Baracke“: [2][Hohenlockstedt war seit dem 19.
       Jahrhundert Militärlager], erst dänisch, dann preußisch, später waren die
       SA, Heeressportschüler, aber auch Zwangsarbeiter*innen hier
       kaserniert. „Hohenlockstedt“ heißt der Ort erst seit 1956: Damals fand man
       „Lockstedter Lager“ irgendwie doch zu belastet – immerhin sitzt mit
       Pohl-Boskamp ein bedeutender Pharmakonzern im Ort, da muss man doch an die
       Wirkung denken.
       
       Um die Ecke, parallel zur Breiten Straße, die so breit nicht ist, hat
       Czebatul wandhoch sechs längliche, rechteckige Strukturen auf die Plane
       gezeichnet. Sind das die causes, die Ursachen, von denen der Wandtext
       spricht? Wenn ja: Was verursachen sie?
       
       ## Exklusivität und Alltag
       
       „Exclusivities – Exklusivitäten“ ist das Ausstellungs- und Diskursprogramm
       überschrieben, zu dem die noch bis Anfang Mai zu sehende teilweise
       Verhüllung gehört. Es widmet sich „Fragen der Exklusivität“ in einer
       „Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen innen und außen, privat und
       öffentlich zunehmend verwischen, während soziale, kulturelle und
       wirtschaftliche Grenzen an Bedeutung gewinnen“.
       
       Durchaus nicht zuletzt interessiert sich Agnieszka Roguski, seit Anfang
       2021 für 18 Monate Kuratorin des Programms, für die Grenzen und Schwellen
       im eigenen Betrieb: die Ein- und Ausschlussmechanismen von
       Kulturinstitutionen. Und das passt: Einerseits verstärkt die Plane vor den
       Fenstern – als deren skizzenhafte Wiedergabe nämlich entpuppen sich die
       merkwürdigen Rechtecke – das Trennende: Weil sie da hängt, ist es schwerer,
       wenn auch nicht unmöglich, hineinzuschauen in den Ausstellungsraum.
       
       ## Unsichtbares sichtbar gemacht
       
       Die temporäre Hülle macht etwas Unsichtbares sichtbar, sie unterstreicht,
       dass [3][Kleinststadt und White Cube aneinander grenzen] mögen, sich
       berühren, aber doch nicht dasselbe sind. Andererseits: Hauswandgroß richtet
       sich diese Kunst an ihre Umgebung, will gesehen werden, ohne dass der ach
       so andere Raum betreten werden muss; will vielleicht auch Irritation, eben,
       verursachen bei den Betrachter*innen.
       
       Der Raum hinter der Inhalt gewordenen Hülle übrigens ist leer: Es gibt
       keine weiteren Exponate, das Publikum ist allein mit sich selbst und mit
       seinen Erwartungen. Bleibt der Gegenschuss, der Blick nach draußen:
       wiederum getrübt, aber nicht versperrt. Ständig ändert sich das Licht, wenn
       der Wind unter die Plane fährt. Diese Bewegung doppelt noch der
       Hintergrund: spektakuläre Wolken am holsteinischen Himmel.
       
       10 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.m1-hohenlockstedt.de/de/
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lockstedter_Lager_Luftaufnahme_1908.jpg
 (DIR) [3] /Archiv-Suche/!5796356
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
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