# taz.de -- „Arisierungs“-Mahnmal in Bemen: Schemenhafte Geschichte
       
       > Ihren Aufstieg verdankt eine Bremer Spedition Geschäften mit den Nazis.
       > Lange kämpfte ein taz-Redakteur für ein Mahnmal, das nun gebaut wird.
       
 (IMG) Bild: Schemenhafte Geschichte, als Erinnerung
       
       Bremen taz | Der Biedermeier-Sekretär der Großeltern: Wem hatte er früher
       gehört? Hatte ihn der Staat vor 80 Jahren beschlagnahmt und weiter
       verkauft, als eine jüdische Familie aus Deutschland floh? Oder hatte er im
       Ausland in einer Wohnung gestanden, bis [1][die Besitzer:innen ins
       Vernichtungslager deportiert] wurden?
       
       Es sind solche Denkprozesse, die der ehemalige Bremer taz-Redakteur Henning
       Bleyl anstoßen will. Seit 2015 setzt er sich für ein Mahnmal ein, das „die
       materielle Dimension des Holocaust“ sichtbar macht, im Juni, so hat es
       jetzt die Landesregierung beschlossen, [2][soll Baubeginn sein].
       
       „Jedes Dorf braucht so etwas“, sagt Bleyl, weil sich überall
       Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen am Massenmord an den
       europäischen Jüd:innen bereicherten.
       
       Aber in Bremen hat das Thema eine größere Dimension, als Auswanderungshafen
       und weil sich hier der Stammsitz von Kühne + Nagel befindet, ein weltweit
       führender Transport- und Logistikkonzern. Der wurde so groß, haben
       Historiker nachgewiesen, weil er in der Zeit des Nationalsozialismus eine
       Quasimonopolstellung für den Transport von beschlagnahmten Möbeln aus ganz
       Westeuropa inne hatte.
       
       ## Der Ort des Mahnmals
       
       Deshalb soll das Mahnmal in Sichtnähe des Kühne-+-Nagel-Gebäudes an der
       Weser entstehen, unterhalb der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Bleyl zeigt auf die
       Kaimauer. Dort wird ein sechs Meter hoher Schacht gebaut, auf den ersten
       Blick eine Fortsetzung der Mauer. Die Decke wird aus Panzerglas bestehen.
       Wer darüber läuft, sieht nur den leeren Schacht.
       
       Erst wer vom Straßenniveau auf den Uferweg hinuntersteigt, erkennt: Da war
       mal mehr. Ein, vielleicht auch zwei Fenster geben den Blick ins Innere des
       Schachts frei, und dort, an den Wänden, sollen Schemen von Möbeln zu sehen
       sein, die nur noch als zweidimensionales Negativ existieren.
       
       Von Evin Oettingshausen stammt das Konzept. Oettingshausen hatte 2016 einen
       von der taz initiierten Gestaltungswettbewerb für das Mahnmal gewonnen. Das
       sollte ursprünglich direkt am Firmensitz von Kühne + Nagel stehen. Die taz
       hatte Spenden gesammelt, um einen Teil des Grundstücks zu kaufen, auf dem
       das Firmengebäude neu gebaut wurde. 27.000 Euro waren so zusammengekommen,
       die jetzt teils in die Finanzierung des Mahnmals eingehen.
       
       ## Zwang zur Beschäftigung
       
       Das – abgelehnte – Kaufgebot war eine symbolische Aktion, mit der Bleyl die
       Stadtgesellschaft zwang, sich mit der NS-Geschichte des angesehenen
       Unternehmens zu beschäftigen. Denn die hatte der heute 84-jährige
       Klaus-Michael Kühne, Mehrheitsaktionär und langjähriger
       Vorstandsvorsitzender, erfolgreich unter den Teppich gekehrt. So gab es
       2015 auf dem Bremer Marktplatz eine Jubelsause anlässlich des 125-jährigen
       Firmenjubiläums.
       
       Bremens damaliger SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen applaudierte, wenn auch
       Kühne in der Schweiz lebt und als Mäzen vor allem in seinem Geburtsort
       Hamburg wirkt. Ausgespart wurde in der historischen Rückschau der
       Wachstumsschub, den das damals von Kühnes Vater geleitete Unternehmen in
       den 30ern und 40ern erlebte: Über den Transport des Besitzes der fliehenden
       Jüd:innen, später über den der Deportierten. Dass die Firma die
       NS-Verstrickung abstritt, war der Grund, warum Bleyl das Mahnmal
       initiierte.
       
       Zwar [3][sprach Kühne im Oktober in einem Zeit-Interview] erstmals von der
       „Nazi-Vergangenheit“ seiner Firma, behauptete aber weiter wahrheitswidrig,
       es gebe kein Archivmaterial, das er zur Aufarbeitung der Firmengeschichte
       nutzen könnte. Und er spielte die Bedeutung herunter, die die NS-Zeit für
       die Expansion der Firma hatte.
       
       Nicht nur Kühne, [4][auch die Bremer SPD versuchte lange], das Vorhaben zu
       torpedieren, am Firmensitz ein Mahnmal zu errichten. Jetzt ist es näher
       dran, als der SPD lieb war. Dafür trennt eine vierspurige Brücke Gebäude
       und Erinnerungsort.
       
       26 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Die-Kuehne-Story-Wie-ein-Traditions-Unternehmen-Jubilaeum-feiert/!5214922
 (DIR) [2] /Erinnerungskultur-in-Bremen/!5351806
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/2021/44/klaus-michael-kuehne-milliardaer-unternehmer-kuehne-nagel-pandemie
 (DIR) [4] /Kommentar-Mahnmals-Standort/!5396869
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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